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Ein Ort für Zufälle

Ein Ort für Zufälle. Todesarten -Komplex Dr. Karl Solibakke 18.04.2005. Textgenese. ursprünglich hatte Bachmann vor, ihre Rede auf die naturwissenschaftlichen Werke Büchners zu beziehen

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Ein Ort für Zufälle

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Presentation Transcript


  1. Ein Ort für Zufälle Todesarten-Komplex Dr. Karl Solibakke 18.04.2005

  2. Textgenese • ursprünglich hatte Bachmann vor, ihre Rede auf die naturwissenschaftlichen Werke Büchners zu beziehen • allmählich rückte sie hiervon ab, behielt aber die psychologischen und medizinischen Bezüge zum Schriftsteller Lenz bei, welche die Diskursfolie für die Wahnsinnsthematik bilden • Pathographie Büchners über die schizophrene Psychose des Dichters • Entscheidung für die Literarisierung einer kulturellen Topographie der Nachkriegszeit: Berlin, Deutschland • Wüstenlandschaft erzeugt einen starken Kontrast zur Metropole • Textstruktur • textgenetisches Palimpsest: Lenz, Büchner, Celan • 26 Text- oder Bildausschnitte, die wie Mosaiksteine ineinandergefügt werden und einen hohen Grad an syntaktischer Bewegung aufweisen • Erschließung eines Raums, der mit verschiedenen Zeitelementen – Gegenwart und Vergangenheit – kodiert wird • indirekt fragt Bachmann nach der Berechtigung, angesichts der Erfahrung von Auschwitz ‚schöne Literatur‘ schreiben zu können

  3. Titelgebung der Rede • in den ersten Entwürfen hieß die Rede „Deutsche Zustände“, dann später „Ein Ort für Zustände“ • Verweis auf die Bedeutung der Bezeichnung Zufall, so wie das Wort bei Büchner vorkommt – als ein konkreter Anfall von Wahnsinn infolge der historisch belegbaren Geisteskrankheit von Lenz • Zufall erscheint in den philosophischen Werken Kants und denotiert dort das Empirische, also das, was das Subjekt über die Sinnesreize affiziert • im normalen Fall werden die Sinnesreize vom Subjekt zugeordnet und perspektiviert • angesichts der Schizophrenie von Lenz passiert diese Einordnung der Außenwelt nicht, sondern alle Reize leuchten in der Simultaneität ihres Erscheinens auf, ohne vom Betrachter in eine handhabbare Struktur eingerückt zu werden • so wird bei Bachmann der Wahnsinn zur kollektiven Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen, und dies ist sowohl ein Zeichen der Postmoderne, als auch des naszierenden Poststrukturalismus der frühen 60er Jahre • Verbindung zum Begriff der Aufregung (211, 227)

  4. Kollektiver Wahnsinn • vorwiegend rekurriert Bachmann auf ein krankes Kollektiv, das auch textuell und zeichenhaft zelebriert wird, ohne dabei die poetologische, metatextuelle Position oder den Erzählerfokus der Frühschriften und der Frankfurter Vorlesungen vorzuweisen – wir haben hier kein individuelles Ich, das uns die Welt deutend vorführt oder abtastet, sondern ein kollektives Wir, das von innen heraus dekonstruiert wird • dieses kranke Kollektiv symbolisiert die ‚Inselstadt‘ Berlin, das 1945 zusammen mit Deutschland einen neuen Weg anbahnen mußte (212) • Kennzeichen des neuen Deutschlands ist das Wirtschaftswunder – vgl. hierzu die Randale im Kadewe (208) – und den Alkoholkonsum – vgl. hierzu den 13. Abschnitt (216) • der kollektive Wahnsinn, der mit dem Konsum der Aufbaujahre konform geht, läßt die Tragödie des Krieges in Vergessenheit geraten • Frage nach dem Bruch mit der Tradierung von nationalsozialistischen Denkstrukturen im Deutschland der 50er und frühen 60er Jahre

  5. Autobiographie • autobiographisch ist es hinlänglich belegt – und es war auch damals in literarischen Kreisen bekannt –, daß Bachmann in Berlin psychisch krank wurde und ins Krankenhaus mußte, wo sie therapiert wurde • entweder in Berlin oder einige Jahre davor in Zürich entstand jene Medikamentenabhängigkeit, die sie letztlich zerstörte • mittelbarer Beleg hierfür Schwindel auf 214 • auch der Versicherungsbrief auf 225

  6. Wüstentopographie • ihren topographischen Ansatz erzielt Bachmann dadurch, das sie zwei Wüstenlandschaften in den Text bringt, die die verwüstete Stadt Berlin mit der ägyptischen Wüste korrelieren • Bachmanns Reise nach Ägypten • Nietzsches Zarathustra und Heideggers Kritiken an der Nachkriegsgesellschaft • der sandige Boden von Brandenburg • kontrastiv hierzu die Entwicklung des Wassermotivs, das bei Bachmann in allen Phasen ihres Schaffens eine herausragende, poetologische Bedeutung hat • Kamele (210, 222, 223, 224) – wassertragende Tiere, welche die Witterungshärten der Wüstenlandschaften leicht überstehen können • Verbindung zu Das Buch Franza • Die ägyptische Finsternis

  7. Seenlandschaft • Wannsee (Todesort Kleists) • Anbindung an die Büchnerpreisrede von Celan, die 1960 gehalten wurde und in der Celan die Wannsee-Konferenz vom 20. Januar 1942 markiert • auf dieser Konferenz wurde die systematische Vernichtung der europäischen Juden beschlossen • gleich am Anfang des zweiten Abschnitts rückt Bachmann den See und die proletarische Schicht im gesellschaftlichen Gefüge ins Bild, die damals das Rückgrat der Nazis bildete, beispielsweise durch die Bierflaschen, die mit primitiven Mitteln geöffnet werden • eine weiter Belegstelle enthält der dritte Abschnitt, zumal das Wasser – hier mit Blut vermischt – aus den Zimmern der Kranken auf den Gang rinnt, weil einige sich die Zungen durchgebissen haben wegen des Kirchengeläuts • Pfingstmetamorphose, bei der der christliche Gott seine Allmacht in der Vielsprachigkeit, der Zungenfertigkeit seinen Anhängern beweist • das Schweigen der Kirche angesichts der Deportation, Folter und Ermordung auch gläubiger Christen während des nationalsozialistischen Terrorregimes

  8. Opferschaft • die Kollektivkranken werden mit den Juden und anderen gesellschaftlichen Randgruppen verglichen, wie im Bild der systematischen Deportationen im 6. Abschnitt indiziert wird, und zwar in Richtung Wannsee • Anspielung einerseits auf die Eugenik der Nazi-Zeit und andererseits auf das Zerstörungspotential, das der Kalte Krieg, die Mauer und die atomare Bedrohung kennzeichnen • Fortsetzung des kollektiven Wahnsinns durch die Kinder, die auf der einen Seite Krieg spielen und ihr Zukunftsverhalten erlernen, auf der anderen Seite sich nach der bürgerlichen Geborgenheit ihrer Märchen sehnen • Motiv der „Disharmonie“ • schließlich wird hier die Vorstellung einer Verwerfung von außen und innen literarisch inszeniert, die mit einer kranken Innenwelt und ebenso kranken Außenwelt verglichen wird • Frage nach der Wahrheit unbewußter Spuren im kollektiven Gedächtnis

  9. Außen- vs. Innenerfahrung • einige Abschnitte beginnen mit der Außenerfahrung in der Metropole und enden mit dem Rückverweis auf die Krankheitszustände und • Bedingungen der unmittelbar Kranken in der Anstalt • wenn man so argumentiert, dann ist es klar, welcher Ort im ersten Abschnitt (205) beschrieben wird – Klinik, und offenbar eine kirchlich verbundene • wenn der Verweis häufig mit der Begegnung von außen nach innen geschieht, dann ist die Frage der Wahrheit und der Wirklichkeitsorientierung aufgeworfen – ist die Wirklichkeit in dem Trubel der Metropole oder in der ungeordneten Gedankenflut der Kranken zu verorten • schließlich kommt hier die Vorstellung einer Verwerfung von außen und innen zum Tragen, die mit der kranken Innenwelt und ebenso kranken Außenwelt ausgedrückt wird • geographisch und politisch haben wir es mit einer Nahtstelle und Insel zu tun, die damals gerade in der Weltöffentlichkeit großes Aufsehen erregte • Flugzeuge (Abschnitt 3, 206) – die Nabelschnur zur Demokratie • der amerikanische Soldat im 18. Abschnitt (219)

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