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Die Institution als Ort des Missbrauchs und des Verschweigens

Die Institution als Ort des Missbrauchs und des Verschweigens. Universität Erfurt Stufu –Seminar WS 12/13 „Sexueller Missbrauch von Minderjährigen im Kontext von Institutionen: Rechtslage- Hintergründe -Präventionsmaßnahmen“ Prof. Dr. Myriam Wijlens & Dr. Julia Dietrich

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Die Institution als Ort des Missbrauchs und des Verschweigens

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Presentation Transcript


  1. Die Institution als Ort des Missbrauchs und des Verschweigens Universität Erfurt Stufu –Seminar WS 12/13 „Sexueller Missbrauch von Minderjährigen im Kontext von Institutionen: Rechtslage- Hintergründe -Präventionsmaßnahmen“ Prof. Dr. Myriam Wijlens & Dr. Julia Dietrich Referentinnen: Alexandra Böttcher, Lisa Koch, Damaris Schaller, Laureen Schoch 02.11.2012

  2. Gliederung • Einstieg • 1 Reformpädagogik • 1.1 Rahmenbedingungen, die den Missbrauch begünstigen • 1.2 Internat • 1.3 Landerziehungsheime und Eliteschulen • 1.4 Zusammenfassung der Rahmenbedingungen • 2 Institutionelle Merkmale, die sexuellen Missbrauch begünstigen • 3 Reaktion der Institutionen auf sexuellen Missbrauch • 3.1 Reaktion der Kollegen/Kolleginnen • 3.2 Reaktion der Einrichtung • 3.2.1 Institutionelle Schutzmechanismen für Täter • 3.2.2 Verarbeitungsarten der Institutionen gegenüber Opfern und Öffentlichkeit

  3. Gliederung • 4 Kloster Ettal • 4.1 Der gute Ruf des Klosters • 4.2 Die Institution Ettal • 4.3 Das Beispiel Pater Magnus • Kurze Videopräsentation • Gruppenarbeit • Diskussion • Quellen

  4. Einstieg • MindMap: • Tragt zum Thema „Missbrauch“ Aspekte von Institutionen und deren Mitarbeitern zusammen, welche dieses Delikt eurer Meinung nach begünstigen könnten.

  5. 1 Reformpädagogik • Vielzahl internationaler Bewegungen: Ende 19. Jh. bis erstes Drittel 20. Jh. • Gründung von Privatschulen, Landerziehungsheimen und Bildung von Jugendgruppen • Haltung kultur- und gesellschaftskritisch geprägt • Pädagogik „ vom Kinde aus“: Betonung des Gemeinschaftsgedankens und der engen Beziehung zwischen Lehrern und Schülern

  6. 1.1 Rahmenbedingungen, die den Missbrauch begünstigen • Großteil der Missbräuche in Internaten und weltlich/kirchlichen Privatschulen • Gründe: • Abgeschlossenheit gegenüber der Gesellschaft • reformpädagogische Ansätze, die den Missbrauch begünstigen

  7. 1.2 Internat • Lehrer und Schüler lebten in einer „Familie“ • Schüler duzen ihre Lehrer • gemeinsame Unterrichts- und Freizeit • sexualliberale Atmosphäre und Moral: lässt übergroße Nähe zwischen Lehrern und Schülern zu

  8. 1.3 Landerziehungsheime und Eliteschulen • in Alltagsriten Trennung zwischen privat und gemeinschaftlich aufgehoben • Nacktturnen an der frischen Luft, Überwindung des Schamgefühls, freizügige Sexualität • Exklusivität der Institutionen und Abgeschlossenheit gegenüber der Gesellschaft •  Rahmenbedingungen, die sexuellen Missbrauch erleichtern

  9. 1.4 Zusammenfassung der Rahmenbedingungen • Drei Bedingungen, die sexuellen Missbrauch begünstigen: • willkürlicher Distanzabbau zwischen Erwachsenen und Kindern • arrangierte Intimisierung des Schul- und Internatslebens • ideologische Erotisierung des Lehrer-Schüler-Verhältnisses

  10. 2 Institutionelle Merkmale, die sexuellen Missbrauch begünstigen

  11. 2 Institutionelle Merkmale, die sexuellen Missbrauch begünstigen autoritär strukturierte Einrichtungen unklare Leistungsstrukturen und Arbeitsanforderungen unzureichende Trennung der beruflichen und persönlichen Kontakte starke Bindung der Eltern an die Einrichtung

  12. Institutionelle Merkmale, die sexuellen Missbrauch begünstigen Orientierung der Erziehungsziele an Werten der Erwachsenen geringe Förderung der Autonomie der Kinder und Jugendlichen Ausrichtung der pädagogischen Konzeption nach traditionellen Rollenbildern Konzepte, in denen sich Lehrer und Schüler auf einer Ebene befinden

  13. Institutionelle Merkmale, die sexuellen Missbrauch begünstigen Vernachlässigung der Kinder und Jugendlichen durch Mitarbeiter/innen praktizierte rigide Sexualerziehung Ignorieren der Schamgrenzen der Kinder und Jugendlichen Abgrenzung der Institutionen zur Gesellschaft/Außenwelt

  14. 3 Reaktion der Institutionen auf sexuellen Missbrauch

  15. 3.1 Reaktion der Kollegen/Kolleginnen bei der Vermutung eines sexuellen Missbrauchs Institutionen fällt es oft schwer, den Missbrauch zu erkennen und bewusst wahrzunehmen Manipulation der Wahrnehmung des Teams durch den/die Täter/in lange Zeit im Voraus Verdacht des sexuellen Missbrauchs kommt auf  Spaltung innerhalb des Teams feststellbar

  16. Reaktion der Kollegen/Kolleginnen bei der Vermutung eines sexuellen Missbrauchs meist Versuch, entlastende Argumente zu finden Angst um den Ruf der Institution demjenigen, der den Verdacht geäußert hat  Unterstellung von Verleumdung, Mobbing

  17. 3.2 Reaktion der Einrichtung auf erwiesenen sexuellen Missbrauch Institutionen fühlen sich meist mehr dem eigenen Ruf, als dem Wohl des Opfers verpflichtet meist Versuch, die Angelegenheit diskret zu lösen  institutionelle Schutzmechanismen für Täter

  18. 3.2.1 Institutionelle Schutzmechanismen für Täter Versetzung und Wiedereinsetzung Schuldverschiebungen Prominenz, Hierarchie, mächtiges Schutzumfeld Überidentifikation mit der Institution rechtliche Drohungen der Institution gegenüber dem Opfer organisierter „Gedächtnisverlust“ von Institutionen Verneinung der Glaubwürdigkeit des Opfers

  19. 3.2.2 Verarbeitungsarten der Institutionen gegenüber Opfern und Öffentlichkeit Aufklärung  Offenlegung von Informationen Aufarbeitung  öffentliche Dialoge systematische Vertuschung durch institutionelle Vorkehrungen

  20. 4 Kloster Ettal

  21. „Die ständige Wiederholung von Superlativen wie Verzichts- und Demutsformeln im Zusammenhang mit dem Orden, dem Kloster und der zugehörigen Schule nebst Internat zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte Ettals. Das Kloster als Bauwerk ohnehin schon ein Monument, das Ehrfurcht einflößt, erhält dadurch die Aura einer unantastbaren, unfehlbaren und fast übernatürlichen Institution, die sich über Jahrhunderte der Schnelllebigkeit, Oberflächlichkeit, ja im Grunde allen Schwächen von Mensch und Gesellschaft erfolgreich widersetzt hat. Dieses Bild, das von außen auf das Kloster projiziert und von den Mönchen aktiv mitgestaltet wird, birgt jedoch Gefahren: Für Fehler und Versagen bleibt kaum Platz in einer Institution, die sich über Jahrhunderte so vorbildlich verhalten hat. Und wenn das Undenkbare doch eintritt, muss es verheimlicht oder vertuscht werden. Und wenn doch etwas an die Öffentlichkeit gerät, muss es sich um Einzelfälle und Einzeltäter handeln, die das Gesamtbild keinesfalls trüben können.“ (Obermayer & Stadler 2011, S.154)

  22. 4 System Kloster Ettal • Benediktinerabtei • Kinder und Jugendliche wurden „brutal misshandelt und auch sexuell missbraucht “ • Vorfälle über Jahrzehnte hinweg • Zahl der Opfer: weit über 100 • Misshandlungsvorwürfe gegen 15 Patres

  23. 4 Der gute Ruf des Klosters • Nach Gründung 1330: Kloster gewinnt an weltlicher Macht und Besitztümern  Große Ehrfurcht vor dem Kloster • 100 Jahre nach der Enteignung durch die Säkularisierung hat Freiherr von Cramer-Klett Kloster erworben und Benediktinern gestiftet „Die Mönche des Klosters Ettal dürfen sich demnach als Elite unter den Geistlichen verstehen.“(Obermayer & Stadler 2011, S.149)

  24. Der gute Ruf des Klosters • Gesinnung der jungen Menschen in Ettal: „die Tüchtigsten zu sein, weil wir Ettaler sind, die Besten, die Ritterlichsten, die Vornehmsten zu werden, weil uns Ettal dazu berufen hat. Und dennoch wollen wir auch die Demütigsten, die Gehorsamsten, die Einfachsten bleiben, denn was wir sind, sind wir nicht aus uns, sondern aus diesem Ettal.“ (Obermayer & Stadler 2011, S.149)

  25. Der gute Ruf des Klosters • Aufnahmekriterien v.a.: katholisch, aus gutem Hause  Wunschklientel des Klosters = „katholische Elite des Landes“(Obermayer & Stadler 2011, S.34) • Münchner Kardinal: „Ihr Ettaler habt das große Glück, eure Erziehung bei den ehrwürdigen Benediktinern zu genießen, welche die jahrhundertealte Erziehungsweisheit zeitgemäß in unsere Zeit hineintragen. Ich bekomme viele Briefe, in denen ich gebeten werde, die Aufnahme in Ettal zu vermitteln. Aber es stehen zu wenige Plätze zur Verfügung. Umso mehr müsst ihr es schätzen, dass ihr eure Jugend hier verbringen könnt.“(Obermayer & Stadler 2011, S.150)

  26. 5 Die Institution Ettal • Rangordnung im Kloster • Abt = Leiter des Klosters, Oberhaupt der Mönche • Mönche = Patres (geweihte Priester), Brüder (keine Priesterweihe) • Internatsleiter, Schuldirektor: gleichgestellt • Schule: bald aus Personalnot weltliche Lehrer • Internat: bis Mitte der 70er nur Mönche als Erzieher = Präfekten  wichtigste Ansprechpartner für Kinder • Hierarchie: Erzieher  ältere Schüler  Fünftklässler

  27. 6 Die Institution Ettal • Erzieher im Internat: weitgehend freie Hand • junge Mönche treten Aufgabe des Erziehers ohne Vorbereitung an • Wenig Betreuung: 60 neue Schüler von einem Erzieher betreut  Gehorsam sehr wichtig • Prügel und andere Strafen haben Effekt, die Macht der Erzieher zu unterstreichen • Schüler werden mit Nachnamen angeredet • Elementare Bedürfnisse können untersagt werden • Gibt keinen Rückzugsort, da in den Schlafsälen tagsüber kein Aufenthalt, nur auf Toilette kurz für sich

  28. Die Institution Ettal • Schüler sind in den ersten sechs Wochen von Außenwelt abgeschnitten • Danach Kontakt zur Außenwelt von Mönchen überwacht  Briefe teilweise geöffnet, Telefonieren nur kurz möglich • Zu viel Zuwendung von zu Hause soll unterbunden werden: Pakete werden streng kontrolliert • Festgelegt, was Schüler nicht mitbringen dürfen • Kindern fehlen Anregungen von außen

  29. 7 Das Beispiel Pater Magnus • Meisten Patres zeigen kaum Gefühle • Pater Magnus tröstet Kinder, seine Tür steht immer offen  für viele Vaterersatz: viele sehen ihn „als einen warmherzigen und menschlichen Typen in einer sonst harten und kalten Atmosphäre“(Obermayer & Stadler 2011, S.204) • verteilt Gutenachtküsse, streichelt Kindern über den Kopf, zupft die Bettdecke zurecht und greift immer wieder darunter • Kümmert sich besonders um Kinder, denen der Vater fehlt/die besonders viel Nähe brauchen  zusammen nackt schwimmen

  30. Das Beispiel Pater Magnus • Ende der 60er: Beschwerde von Eltern  1968: Abzug aus dem Internat, aber weiterhin Lehrer und Schwimmtrainer • Ab 1973/74: Wieder Präfekt am Internat • Beschwerden der Eltern häufen sich, zunächst ohne Erfolg • 1984: Pater sieht selbst ein, „dass er zum Problem geworden ist“(Obermayer & Stadler 2011, S.130) Wechsel an österreichisches Kloster • Nach einem Jahr: Rückkehr • Ab 1986/87: Informatikunterricht, Klassenleiter, Ansprechpartner für Ehemaligenvereinigung, weiterhin Schwimmroutine

  31. Videopräsentation

  32. Gruppenarbeit • Untersucht die folgenden Zeitungsartikel im Hinblick auf die institutionellen Merkmale und die Reaktion von KollegInnen • Arbeitsmaterial: - Arbeitsblatt • Arbeitszeit: - ca. 20 Minuten

  33. Analyseaspekte

  34. Analyseaspekte

  35. Analyseaspekte

  36. Diskussion • „..Kinder sind heute emanzipierter…. . Zudem gibt es zumindest in Ansätzen so etwas wie eine Kultur der Aufmerksamkeit beim Thema Missbrauch. Ein institutionalisiertes Kartell des Schweigens, das Täter deckt, ist heute nur noch schwer vorstellbar. Auch weil endlich aufgedeckt wurde, was geschehen ist.“ (Quelle: Die Zeit, 22.12.2010 Nr. 52)

  37. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit

  38. Quellen • Enders, E. (2003). Das geplante Verbrechen. Sexuelle Ausbeutung durch Mitarbeitende aus Institutionen. In: Ulonska, H., Rainer, M. J. (Hg.): Sexualisierte Gewalt im Schutz von Kirchenmauern. Anstöße zur differenzierten (Selbst-) Wahrnehmung (S. 31-66). LIT Verlag: Münster. • Heitmeyer, W. (2012). Sozialer Tod. Sexuelle Gewalt in Institutionen: Mechanismen und System. In Andresen, S.; Heitmeyer W. (Hg.): Zerstörerische Vorgänge. Missachtung und sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in Institutionen (S. 22-35). Beltz Juventa: Weinheim. • Obermayer, B. & Stadler, R. (2011). Bruder, was hast Du getan? Kloster Ettal. Die Täter, die Opfer, das System (1.Aufl.). Köln: Kiepenheuer & Witsch. • http://www.bdp-schulpsychologie.de/backstage2/sps/documentpool/2010/100901_fachartikel_missbrauch.pdf (26.10.12) • http://www.domradio.de/news/artikel_63119.html (26.10.12) • Sexueller Missbrauch: Lehrer als Täter und Schüler als Opfer in weltlichen und kirchlichen Institutionen"http://www.bdp-verband.de/bdp/presse/2010/Fachartikel_Missbrauch.pdf • Videos: • http://www.youtube.com/watch?v=9M7hRu2GH8w&feature=related(28.10.2012) • http://www.youtube.com/watch?v=I6wmoqO2HTc (28.10.2012)

  39. Zeitungsartikel: • „Im Schutzraum des Schweigens“ http://www.zeit.de/2010/30/Evangelismus-Missbrauch-Kinder (28.10.2012) • „Im Jahr des Missbrauchs“ http://www.zeit.de/2010/52/P-Meinungsleiter (28.10.2012) • „Hab dich nicht so!“http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-7933457.html(28.10.2012)

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