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Europäisches Steuerrecht

Europäisches Steuerrecht. Prof. Dr. Roman Seer Lehrstuhl für Steuerrecht Sommersemester 2014. Kompetenzen der EU. Überblick über die Kompetenzen der EU im Hinblick auf direkte und indirekte Steuern. Kompetenzen der EU auf dem Gebiet der direkten Steuern?.

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Europäisches Steuerrecht

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Presentation Transcript


  1. Europäisches Steuerrecht Prof. Dr. Roman Seer Lehrstuhl für Steuerrecht Sommersemester 2014

  2. Kompetenzen der EU Überblick über die Kompetenzen der EU im Hinblick auf direkte und indirekte Steuern

  3. Kompetenzen der EU auf dem Gebiet der direkten Steuern? • Kompetenzen für jede Art von Rechtsakt • Nicht für direkte Steuern: • Harmonisierung der indirekten Steuern (Art. 113 AEUV) • Rechtsangleichung im Binnenmarkt (Art. 114 Abs. 1 AEUV) – gilt ausdrücklich nicht für Steuern (Art. 114 Abs. 2 AEUV) • Auffang-Kompetenz für Ausnahmefälle (Art. 352 AEUV) – kommt bislang praktisch kaum zur Anwendung • Richtlinienkompetenz • Nicht für direkte Steuern gedacht, aber ggf. auch hierfür einsetzbar: • Angleichung von Rechtsvorschriften zur Errichtung oder Erhaltung der Funktionsfähigkeit des gemeinsamen Marktes (Art. 115 AEUV)

  4. Kompetenzen der EU auf dem Gebiet der direkten Steuern? • Keine Unionskompetenz für multilaterale Doppelbesteuerungsabkommen • Es bleibt letztlich die allgemeine Kompetenz des Art. 115 AEUV zur Rechtsangleichung (Einstimmigkeitsprinzip) • gleichzeitig gilt aber das Beihilfenverbot der Art. 107 ff. AEUV für direkte Steuern

  5. Primärrecht mit steuerlichem Bezug Unions-GrundrechteArt. 6 Abs. 1 EUV i.V.m. EU-GRCh Beihilferecht Art. 107 -109 AEUV Grundfreiheiten Art. 28, 45 ff., 49, 56, 63 AEUV Harmonisierungsauftrag und Rechtssetzungskompetenz für die indirekten Steuern, Art. 113 AEUV

  6. Akte bzgl. direkter Steuern aufBasis von Art. 115 AEUV Fusions-RL Zins- u. Lizenz-RL Zins-RL(private Zinsein-künfte) Zusam-men-arbeits-RL --------- Beitrei-bungs-RL Mutter-Tochter-RL

  7. Verstärkte Zusammenarbeit in Steuersachen • Art. 20 EUV i.V. mit Art. 326-334 AEUV: mindestens 9 Mitgliedstaaten im Rat auf Vorschlag der EU-Kommission mit Zustimmung des EU-Parlaments • Voraussetzungen: Keine Wettbewerbsverzerrungen und keine Hindernisse für einen funktionierenden Binnenmarkt • Antrag an die Kommission von derzeit 10 Mitgliedstaaten (darunter DL), eine Finanztransaktionssteuer zum 1.1.2016einzuführen

  8. Grundfreiheiten Überblick

  9. Grundfreiheiten und allg. Diskriminierungsverbot Freier Warenverkehr (Art. 34 ff. AEUV) Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 AEUV) Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) Freier Dienstleistungsverkehr (Art. 56 AEUV) Problem: Abgrenzung Freier Kapitalverkehr (Art. 63 AEUV) Allgemeines Diskriminierungsverbot (Art. 18 AEUV)

  10. Der Binnenmarkt, Art. 2 EUV Mögliche Handelshemmnisse durch: • Physische Hindernisse: Passkontrollen an den inneren Grenzen der Gemeinschaft • Technische Hindernisse: Bsp.: unterschiedliche Standards in elektronischem Zubehör • Fiskalische Hindernisse: Bsp.: die nationalen Systeme zur Erhebung indirekter Steuern

  11. Anwendungsbereich des Unionsrechts • Nationale Voraussetzungen • Nationalität eines MS • Unternehmen mit Sitz in einem MS • Grenzüberschreitender Sachverhalt • Ausschließlich inländische Sachverhalte nicht erfasst • Grundsätzlich Sachverhalte mit Bezug zu Drittstaaten nicht erfasst (Ausnahme: Kapitalverkehrsfreiheit)

  12. Grundfreiheiten des AEUV Freier Waren-verkehr(Art. 30, 34-37 AEUV) Freier Personen-verkehr Freier Kapital-verkehr(Art. 63-65 AEUV) Freier Dienst-leistungs-verkehr(Art. 56-62 AEUV) Arbeitnehmer- Freizügigkeit (Art. 45 AEUV) Niederlas-sungsfreiheit (Art. 49 AEUV)

  13. Beschränkungen der Grundfreiheiten I Diskriminierungsverbot Verbot nicht-diskriminierender Beschränkungen Offene Diskrimi-nierung Versteckte Diskrimi-nierung Keine Beschränkung des Zugangs zu einem MS (Adressat: Aufnahmestaat) Keine Beschränkung des Wegzugs aus einem MS (Adressat: Wohnsitzstaat)

  14. Beschränkungen der Grundfreiheiten II Diskriminierung Differenzierung zwischen grenzüberschreitenden und innerstaatlichen Sachverhalten Betrachtungsobjekt: (Ausschnitt der) steuerliche(n) Situation des Vergleichspaars Beschränkung auf einzelne Regelungen (kompensierende Effekte nur teilweise zu berücksichtigen) Offene Diskriminierung: nach Staatsangehörigkeit oder Sitz Versteckte Diskriminierung: nach Wohnsitz, gewöhnlichem Aufenthalt, Ort der Tätigkeit oder Zahlungsort 15

  15. Beschränkungen der Grundfreiheiten III • Beschränkungen • Unterschiedliche Rechtssysteme können Marktbarrieren errichten • Wortlaut der Art. 45 und 49 AEUV geht über ein bloßes Diskriminierungsverbots hinaus; extensive Auslegung durch EuGH • Beschränkungen sind • Beschränkungen des Zugangs oder Weggangs zu einem MS durch einen Mitgliedstaat (grenzüberschreitender Sachverhalt) • durch nationale beschränkende Regelungen • ohne, dass die Beschränkung durch ein überwiegendes öffentliches Interesse gerechtfertigt wäre.

  16. Rechtfertigung von Beschränkungen der Grundfreiheiten • Rechtfertigungsprüfung • Legitimes Ziel • “ordre public” • Öffentliche Ordnung • Öffentliche Sicherheit oder • Gesundheit • andere zwingende Gründe des Allgemeinwohls • Kohärenz des Steuersystems • Territorialitätsprinzip, Steuerüberwachung • durch den Vertrag zugelassene Beschränkungen, • Verhältnismäßigkeit i. w. S. • Geeignetheit der Beschränkung zur Erreichung des Ziels. • Erforderlichkeit der Beschränkung zur Erreichung des Ziels. • Angemessenheit der Beschränkungen im Verhältnis zur Zielerreichung.

  17. Rechtfertigungsgründe in der EuGH-Rechtsprechung • Beispiele für vom EuGH nicht zugelassene Rechtfertigungsgründe • Auswirkungen auf den Haushalt • Fehlender Grad der Harmonisierung der Steuersysteme • Verweis auf in Zusammenhang stehende anderweitige Vorteile, die kompensierend wirken • Beispiel für (restriktiv) angewendete Rechtfertigungsgründe • Eingeschränkte Informations- und Kontrollmöglich-keiten der Finanzverwaltung (Steueraufsicht) • Kohärenz des Steuersystems, Territorialitätsprinzip • Missbrauchsvermeidung (nur, wenn Gegenbeweis im Einzelfall hinreichend einfach zu erbringen)

  18. Anwendung der Grundfreiheiten auf die direkten Steuern Grundlegende EuGH-Rechtsprechung auf dem Gebiet der Einkommensteuer

  19. Geltung der Grundfreiheiten für direkte Steuern? • Grundsatz: EU hat keine Kompetenz auf dem Gebiet der direkten Steuern • Kompetenz verbleibt ausschließlich bei den Mitgliedstaaten • EuGH: • Auch auf Gebieten, auf denen die EU keine Kompetenzen hat, sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, ihr Recht unionsrechtskonform auszugestalten. • Daher gelten die Grundfreiheiten als grundlegende Vorschriften des Unionsrechts auch für Rechtsgebiete ohne Kompetenzzuweisung an die EU. • Historisch wohl nicht so gewollt, aber heute geltendes Richterrecht

  20. Der Fall „Schumacker“ EuGH Urteil v. 14.02.1995, C-279/93 – Schumacker, Slg. 1995, I-225 = DB 1995, 407 Belgien Deutschland Grenzpendler Unbeschränkte Steuerpflicht: Einkünfte aus unselbständiger Arbeit in Deutschland besteuert (Art. 15 DBA-Belgien) Beschränkte Steuerpflicht: Steuerliche Berücksichtigung der persönlichen Situation oblag dem Wohnsitzstaat und wurde beschränkt Steuerpflichtigen nicht gewährt

  21. Arbeitnehmerfreizügigkeit Art. 45 ff. AEUV • Subjektiver Anwendungsbereich: Unionsbürger (Art. 20 AEUV) • Arbeitnehmer sind frei • innerhalb des Territoriums eines Mitgliedstaats • jegliches Arbeitsverhältnis einzugehen und sich • In jedem Mitgliedstaat niederzulassen • Verstöße • Offene Diskriminierung • Versteckte Diskriminierung • Nicht gerechtfertigte Beschränkungen 22

  22. Arbeitnehmerfreizügigkeit Art. 45 ff. AEUV • Rechtfertigungen • Ausdrückliche Schranken des Art. 45 Abs. 3 AEUV • Öffentliche Sittlichkeit • Ordnung und Sicherheit • Verhältnismäßigkeit der Beschränkung zum legitimen Ziel • im steuerlichen Kontext: • Kohärenz des Steuersystems, Territorialitätsprinzip • Steueraufsicht, -überwachung 23

  23. Schumacker-Doktrin • Auf dem Gebiet der direkten Steuern sind die Situationen von unbeschränkt und beschränkt Steuerpflichtigen grundsätzlich nicht vergleichbar. • Steuerliche Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse obliegt grundsätzlich dem Ansässigkeitsstaat. • Bezieht der Steuerpflichtige jedoch kein oder nur einen geringen Anteil seines Einkommens aus seinem Ansässigkeitsstaatund bezieht den ganz überwiegenden Teil seines Einkommens aus einem anderen Mitgliedstaat (Quellenstaat), obliegt dem Quellenstaat ausnahmsweise die steuerliche Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen. • Unterlässt der Quellenstaat dies, handelt er diskriminierend, da die persönlichen Verhältnisse dann in keinem Staat berücksichtigt werden. 24

  24. Der Fall „Gschwind” EuGH-Urteil v. 14.09.1999 C-391/97 – Gschwind, Slg. 1999, I-5453 = DStR 1999, 1610 Niederlande Deutschland Ehemann = Grenzpendler Einkommen der Ehefrau: 42% = 27 T€ Einkommen des Ehemanns: 58% = 37 T€ Unbeschränkte Steuerpflicht: Freistellung mit Progressionsvorbehalt auf Deutsche Einkünfte Beschränkte Steuerpflicht: Keine steuerliche Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse in Deutschland Kein Splittingtarif

  25. Gschwind-Entscheidung bestätigt die Schumacker-Doktrin • Auf dem Gebiet der direkten Steuern sind die Situationen von unbeschränkt und beschränkt Steuerpflichtigen grundsätzlich nicht vergleichbar. • Wenn genügend Einkünfte im Ansässigkeits-staat vorhanden sind, hat der Ansässigkeitsstaat die persönlichen Verhältnisse bei der Besteuerung zu berücksichtigen. • Deshalb sind die absoluten und relativen Einkommensgrenzen in § 1a Abs. 1 EStG gemeinschaftsrechtskonform.

  26. Beispiel: Mehrstaatenkonstellation E hat Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt in Belgien. Er ist als Geschäftsführer für drei Kapitalgesellschaften tätig, die jeweils in Belgien, Deutschland und den Niederlanden liegen. Jede Gesellschaft zahlt ihm ein Gehalt iHv 50.000 €. DBAs vermeiden eine Doppelbesteuerung (Freistellung). E 1) Wer muss die persönlichen Verhältnisse berücksichtigen? 2) Ist es relevant, wenn ein Staat die persönlichen Verhältnisse anteilig berücksichtigt, obwohl er es nicht muss?

  27. Der Fall „Danner“ EuGH-Urteil v. 03.10.2002, C-136/00 – Danner, Slg. 2002, I-8147 = DStRE 2002, 1449 Deutschland Finnland Gesetzliche Rentenversicherung Beitragsleistung Beitragsleistung BerufsständischeRentenversicherung Finnisch/Deutscher Doppel-Staatsangehöriger – zog von Deutschland nach Finnland – Beitragsleistungen in Finnland nicht abziehbar

  28. DienstleistungsfreiheitArt. 56-62 AEUV • Gewährleistungsinhalt • Aktive Dienstleistungsfreiheit: • Leistender erbringt Dienstleistungen in einem MS, in dem er keinen Betrieb unterhält, oder • Passive Dienstleistungsfreiheit: • Leistungsempfänger reist in einen anderen MS als seinen Wohnsitzstaat, um dort Dienstleistungen zu erhalten • Grenzüberschreitende Dienstleistung, ohne dass tatsächlich ein grenzüberschreitender Reisevorgang vorliegt 29

  29. DienstleistungsfreiheitArt. 56-62 AEUV • Anwendungsbereich • Sachlicher Anwendungsbereich: • Dienstleistung: Legaldefinition in Art. 57 AEUV • Grenzüberschreitender Sachverhalt (Art. 56 Abs. 1 AEUV) • Entgeltlichkeit • Persönlicher Anwendungsbereich • Natürliche Personen: Unionsbürger (Art. 20 AEUV) • Juristische Personen: Zuordnung zur Rechtsordnung eines Mitgliedstaats (Sitztheorie/Gründungstheorie) • Verstöße • Offene Diskriminierung • Versteckte Diskriminierung • Beschränkungen 30

  30. DienstleistungsfreiheitArt. 56-62 AEUV • Rechtfertigungen • Geschriebene Rechtfertigungen (Art. 62 AEUV verweist auf Art. 51-54 AEUV): • Öffentliche Sittlichkeit • Ordnung und Sicherheit • Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen • Ungeschriebene Rechtfertigungen: „Zwingende Gründe des Allgemeinwohls“ (Cassis de Dijon-Formel) in ständiger EuGH-Rechtsprechung sowohl für Diskriminierungen als auch für Beschränkungen • Verhältnismäßigkeit der Beschränkung zum legitimen Ziel 31

  31. Schlussfolgerungen aus dem Fall „Danner“ • Art. 56 AEUV steht einer Regelung eines MS entgegen, nach der Beitragsleistungen zu freiwilligen Rentenversicherungen, die an Anbieter anderer MS gezahlt werden, steuerlich nicht berücksichtigt werden, obwohl solche Zahlungen an ansässige Anbieter berücksichtigt würden. • Dienstleistungsfreiheit wird verletzt, indem Steuerpflichtige davon abgehalten werden, Versicherungsleistungen ausländischer Anbieter zu beziehen. • Kohärenz der Steuersysteme kann diese Beschränkung nicht rechtfertigen, weil keine unmittelbare Verbindung zwischen der Abzugsfähigkeit der Beitragsleistungen und der Besteuerung der (ausländischen) Rentenbezüge existiere. • Kritik?

  32. Der Fall „Turpeinen“ EuGH-Urteil v. 09.11.2006, C-520/04 – Turpeinen, Slg. 2006 I-10685 = DStRE 2007, 862 Spanien Finnland Wegzug Ruhegehalt Finnische Staatsangehörige zog von Finnland nach Spanien DBA Finnland-Spanien: Kassenstaatsprinzip Finnland: pauschaler Quellensteuersatz 35% statt 28,5% Staatliche Pensionskasse 33

  33. Freizügigkeit - Fall „Turpeinen“ Art. 21 AEUV tritt als Auffang-Freizügigkeitsrecht an die Stelle von Art. 45 AEUV (Unionsbürgerstatuts) Schumacker-Doktrin ist auch im Rahmen des Art. 21 AEUV anwendbar Persönliche Freizügigkeit wird verletzt, indem der Gebietsfremde steuerlich diskriminiert wird. Wirksamkeit der Steuererhebung/Steueraufsicht kann diese Beschränkung nicht rechtfertigen, weil Amtshilfe-RL und der Beitreibungs-RL hinreichende Möglichkeiten zur Sachaufklärung und Durchsetzung des Steueranspruchs böten 34

  34. Der Fall „Schempp“ EuGH-Urteil v. 12.07.2005, C-403/03 – Schempp, Slg. 2005, I-6421 = DStR 2005, 1265 Korrespondenzprinzip: Abzugsfähigkeit setzt Versteuerung beim Empfänger voraus Hr. Schempp Abzug der Unterhaltszahlung in Deutschland? Deutschland Unterhalt Österreich Geschiedene Fr. Schempp kein Abzug für Unterhaltszahlungen und daher auch keine Versteuerung von bezogenem Unterhalt

  35. Schlussfolgerungen aus dem Fall „Schempp“ • Schutzbereich der Grundfreiheiten kann ggf. auch eröffnet sein, wenn die geschützte Person nicht selbst von ihren Grundfreiheiten Gebrauch macht. • Deutschland gewährt Abzug nur, wenn im anderen Mitgliedstaat die Einkünfte besteuert werden – derartige Bezugnahme auf fremdes Steuersystem beinhaltet nach dem EuGH keine Diskriminierung • Unerheblich, ob im Inlandssachverhalt die gleiche Voraussetzung greift. • Grenzüberschreitende Sachverhalte können mangels Harmonisierung weiterhin hinzunehmende Nachteile auslösen.

  36. Der Fall „Gerritse“ EuGH-Urteil v. 12.06.2003, C-234/01 – Gerritse Slg. 2003, I-5933 = DStR 2003, 1112 Deutschland Niederlande 3.000 € Deutsche Abzugsteuer: - § 50a EStG - 25% der Bruttoeinkünfte - Kein Betriebsausgabenabzug Bruttoeinkünfte 28.000 € Unbeschränkte Steuerpflicht: Freistellung mit Progressionsvorbehalt auf Deutsche Einkünfte (Art. 20 III DBA-NL) Beschränkte Steuerpflicht: Keine steuerliche Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse Keine anteiliger Grundfreibetrag

  37. Schlussfolgerungen aus „Gerritse“ • Eine Regelung, die (unter bestimmten Umständen) nur die Einkünfte und keine Betriebsausgaben berücksichtigt, stellt eine Diskriminierung dar, wenn ansässige Steuerpflichtige in einer vergleichbaren Situation zum Betriebsausgabenabzug berechtigt sind. • Die steuerliche Berücksichtigung des Existenzminimums obliegt dem Staat, in dem der Steuerpflichtige des ganz überwiegenden Teil seiner Einkünfte bezieht. • Hinsichtlich des Steuersatzes befinden sich Ansässige und Nicht-Ansässige in einer vergleichbaren Situation. Deshalb ist ein fester Steuersatz für beschränkt Steuerpflichtige grds. diskriminierend, wenn sich unter dem progressiven Tarif des Mitgliedstaats für Ansässige ein niedrigerer Steuersatz ergeben hätte. • Reaktion des JStG 2009 v. 19.12.2008: Abschaffung der Mindestbesteuerung des § 50 III EStG, Möglichkeit einer Nettobesteuerung in § 50a III EStG 2009 statt abgeltende Bruttobesteuerung i.H.v. 15%

  38. EuGH v. 31.3.2011 – Rs. C-450/09, IStR 2011, 301 Der Fall „Schröder “ V überträgt seine 100%-tige GmbH-Beteiligung zu gleichen Anteilen auf seine Kinder T und S (je 50 %). Diese verpflichten sich zur Erbringung lebenslanger Versorgungsleistungen. Sowohl T als auch S werden bei der GmbH Geschäftsführer. S hat Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt in den Niederlanden. S T 100 %-tige Beteiligung an einerdeutschen Kapitalgesellschaft V

  39. Kapitalverkehrsfreiheit Art. 63-65 AEUV • Anwendungsbereich • Beschränkung von Kapitalbewegungen zwischen den Mitgliedstaaten • auch Beschränkungen zwischen Mitgliedstaaten und Drittstaaten • Keine Definition von “Kapitalverkehr” im AEUV • Definition abgeleitet aus der Kapitalverkehrsrichtlinie • Verletzungen • Diskriminierung des grenzüberschreitenden Kapitalverkehrs aufgrund von • Nationalität • Aufenthaltsort • Ort der Investition • Beschränkungen

  40. Kapitalverkehrsfreiheit Art. 63-65 AEUV • Rechtfertigung • Art. 64 AEUV: sog. „standstill-clause“ • Steuervorbehalt des Art. 65 Abs. 1 a) AEUV: ausdrückliche Rechtfertigung, wenn keine willkürliche Diskriminierung oder “verschleierte Beschränkung” vorliegt • Art. 65 Abs. 1 b) AEUV:öffentliche Ordnung und Sicherheit:effektive Steueraufsicht • Art. 65 Abs. 3 AEUV: Verbot einer verschleierten Diskriminierung/Beschränkung • EuGH: innerhalb der EU regelmäßig Verweis auf die Amtshilferichtlinie • Im Verhältnis zu Drittstaaten wohl deutlich kritischer

  41. Problem im Fall Schröder • Steuerliche Würdigung in Ansehung von S • Beschränkte Steuerpflicht mit seinen Einkünften als Geschäftsführer der GmbH bzw. mit etwaigen Ausschüttungen aus der GmbH • Problem: Gemäß § 50 I 3 EStG ist § 10 I Nr. 1a EStG im Falle der beschränkten Steuerpflicht nicht anwendbar. Im Gegensatz zu T würde S mithin den Sonderausgabenabzug nicht bekommen • Vereinbarkeit mit den Grundfreiheiten?

  42. Vereinbarkeit der §§ 50 I 3; 10 I Nr. 1a EStG mit den Grundfreiheiten? • Schutzbereich •  EuGH: Kapitalverkehrsfreiheit betroffen, da Schenkung = vorweggenommene Erbfolge (Problem: Teilentgelt-lichkeit) • 2. Eingriff • Mittelbare Diskriminierung aus Sicht des Empfängers des Vermögens? Entscheidende Frage: Befinden sich Gebietsansässige (hier T) und Gebietsfremde (hier S) in einer objektiv vergleichbaren Situation?

  43. EuGH im Fall Schröder • EuGH: Ja, weil es beim Abzug als Sonderausgaben nach § 10 I Nr. 1a EStG um Aufwendungen gehe, die mit Einkünften in einem inneren Zusammenhang stehen. Die Tatsache, dass der dt. Gesetzgeber die Versorgungsleistungen dem subjektiven Nettoprinzip zugeordnet habe, sei irrelevant; es gehe nicht um persönliche Aufwendungen, die von dem Staat zu berücksichtigen seien, der als Ansässigkeitsstaat das Welteinkommen besteuert. • Ungeachtet dessen: • Beschränkung aus Sicht des Schenkers (Übertragung des Vermögens an einen im EU-Ausland ansässigen Angehörigen wird unattraktiv)?

  44. Grundfreiheiten und Gemeinnützigkeitsrecht

  45. „Centro di Musicologoia Walter Stauffer“) - EuGH v. 14.09.2006 - C-386/04, Slg. 2006 I-8203 = DStR 2006, 1736 Italien Deutschland Centro di Musicologia Walter Stauffer (Stiftung italienischen rechts) Vermietungseinkünfte Steuerbefreiung des § 5 Abs.2 Nr.3 KStG?

  46. Folgerungen aus BFH vom 20.12.2006, I R 94/02, BStBl. II 2010, 331 • Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit ( Art. 63 AEUV) bei Auslegung nach BMF v. 20.09.2005 • Auslegung des § 5 Abs.2 Nr.3 KStG im Sinne der Kapitalverkehrsfreiheit erforderlich • Einschränkung auf lediglich nationale Zwecke muss gesetzlich geregelt sein • Stiftungszwecke ausschließlich im Ausland schaden nicht der Förderung der Allgemeinheit i. S. des § 52 AO

  47. Folgerungen aus BFH I R 94/02 • Die ausländische Stiftung muss jedoch den Anforderungen an eine deutsche Stiftung entsprechen • Die Anforderungen sind zu Überprüfen durch die deutsche Steuerverwaltung • Durch Amtshilfe der anderen Mitgliedstaaten • Durch Mitwirkungspflichten der Stiftung, die die Steuerbefreiung begehrt nach § 90 AO.

  48. - „Persche“ EuGH v. 27.01.2009 - C-318/07, Slg. 2009 I-359 = DStR 2009, 207 Deutschland Portugal Hein Persche (Spender) Sachspende Centro Popular di Lagoa Spendenabzug nach § 10b EStG?

  49. - „Persche“ EuGH v. 27.01.2009 - C-318/07, Slg. 2009 I-359 = DStR 2009, 207 • Grenzüberschreitende (Sach-)Spenden an in der EU ansässige Körperschaften werden durch die Kapitalverkehrsfreiheit ( Art. 63 AEUV) geschützt • Beschränkung auf im Inland ansässige Spendenempfänger verletzen Art. 63 AEUV • Erfordernisse der Steueraufsicht können den generellen Ausschluss des Spendenabzugs nicht rechtfertigen • Nationales Steuergesetz kann aber Anforderungen an den Nachweis der Gemeinnützigkeit des ausländischen Spendenempfängers stellen, muss nicht die Mittel des grenzüberschreitenden Informationsaustausches (EU- Amtshilfe, s. Kooperations-RL 2011/16/EU) nutzen!

  50. Abzugsmöglichkeit von Auslandsspenden Mitgliedstaat ist berechtigt, allgemein den Nachweis über die Gemeinnützigkeit des Spendenempfängers zu verlangen, den er für die Überprüfung notwendig und angemessen hält Stpfl. trägt die objektive Beweislast Bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen: Die Unterlagen für den Nachweis befinden sich nicht in der Sphäre des Stpfl., sondern in der eines ausländ. Dritten!

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