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1. Texte, Kontexte, Dekontextualisierung Referentinnen: Sina Grimm, Melanie Wilke, Claudia Rokitta
Seminar: Literaritt Literalitt am Schulanfang
Dozent: Prof. Dr. Norbert Kruse
Vortrag am 29.05.2008
2. Gliederung 1. Prsentation eines Kindertextes
2. Informationen zum Autor
3. Charakteristik des Textes
4. Texte, Kontexte, Dekontextualisierung
4.1. Allgemeines und Einfhrung in das Thema
4.2. Ein Stck Sprache
4.3. Geschichten schreiben
4.4. Erste Interpretationssysteme
4.5. Das Prinzip der Konventionalitt
5. Bezug auf den vorgestellten Kindertext
3. 1. Prsentation eines Kindertextes
4. 2. Jens Brockmeier
5. 2. Jens Brockmeier Senior Forschungsmitglied des Center fr erzhlende Forschung der University of East Londons School of Social Science, Medien und Cultural Studies
Gastprofessor in der Abteilung fr Psychologie der Universitt Innsbruck
Akademischer Hintergrund:
Abschluss in Psychologie, Philosophie, Linguistik und Literaturtheorie an der freien Universitt Berlin
Erhielt dort seine Habilitation
Erste Ernennung zum Assistant Professor fr Erkenntnistheorie und Wissenschaftstheorie
6. 2. Jens Brockmeier Forschungsschwerpunkt:
Kulturelles Gefge des Geistes und der Sprache
Reihe der Forschungsprojekte drehen sich um Schreiben und Lesen, Schreiben und seine psychologische, kulturelle und philosophische Implikationen
Untersucht Sprache als eine Form des Lebens
Arbeitet in besonderen sozialen und angewandten Einstellungen
Untersucht in den letzten Jahren psychologische Erzhlungen in sprachlicher und kultureller Form
7. 2. Jens Brockmeier Hauptinteresse:
Funktion der Erzhlung fr das autobiografische Gedchtnis, die persnliche Identitt und das Verstndnis der Zeit
8. 3. Charakteristik des Textes zu viele Verweise auf andere Wissenschaftler, dies macht den Text relativ komplex und erschwert das Verstndnis, weil das Hintergrundwissen schwer zugnglich ist
Position des Autors ist aufgrund der vielen verschiedenen Positionen und Verweise schwer herauszufiltern
Text wirkt auch aufgrund der vielen Verweise unstrukuriert
9. 4.1. Allgemeines und Einfhrung in das Thema Neben Phonem-Graphem-Beziehung weitere sprachliche Einheiten untersucht:
Worte und Stze
Texte und Kontexte ? Diskurse
Allgemeines Ergebnis:
In welcher Form auch immer Kinder sich mit Geschriebenem beschftigen, strker als beim Sprechen von der Sprache als solche angezogen
Sprache als solche: dekontextualisierte Sprache
10. 4.1. Allgemeines und Einfhrung in das Thema Bezug auf Olsen: dekontextualisierte Sprache zu verstehen und zu gebrauchen ? Folge von Literalittsentwicklung
Olsens Gegenberstellung des sprachlichen Inhalts und des Gebrauchs- und Verweisungskontextes eines Textes nicht unproblematisch jedoch gerechtfertigt auf Grund Ermglichung der Beschreibung eines interessanten Phnomens
11. 4.2. Ein Stck Sprache Den Dekontextualisierungseffekt hat auch Donaldson untersucht
Erste Erfahrungen bringen etwas Wesentliches ans Licht: ein geschriebenes Wort kann aus allen Zusammenhngen herausgelst werden ? fr Kinder neu, da alle frheren Diskurse kontextgebunden (sympraktisch/Bhler)
Sprache soll konventionelle und situations-bergreifende Zeichenfunktion erfllen ? dazu Untersuchungen von verschiedenen Standpunkten aus
12. 4.2. Ein Stck Sprache Standpunkt der psycholinguistischen Standardauffassung: dies erscheint als Folge der Entwicklung sprachlichen und grammatischen Wissens ? zunehmende Erkenntnis abstrakter Strukturprinzipien der Sprache, Gewinn an Kontextunabhngigkeit
1. Problem: Frage gibt sich als Antwort aus: Wie kommt es zur zunehmenden Erkenntnis abstrakter Strukturprinzipien?
2. Problem: grammatische Kompetenz als Konsequenz daraus verstanden ? Brockmeier: grammatische Kompetenz als Entwicklungsfaktor (Schriftspracherwerb)
13. 4.2. Ein Stck Sprache Brockmeier: aus Auseinandersetzung mit Schrift und Schreiben gewinnt Kind Zugnge zur Schriftlichkeit und Sichtbarkeit auf Sprache
Ein Stck Sprache kann aus der Zeitung gerissen, ein Wort herumgetragen werden? ein selbststndiges Etwas
14. 4.2. Ein Stck Sprache Nicht, dass Anna sich sprachlich auf einen Gegenstand bezieht, sondern dass der Gegenstand die Sprache selber ist (Fhigkeit ber Sprache zu sprechen)
Donaldson: erster Schritt sich von der sympraktischen Wahrnehmung zu lsen, sich Sprache als ein selbststndiges Gebilde bewusst zu machen und aus dem Fluss der Ereignisse zu lsen? so entsteht der gelste Text, whrend der Fluss der Ereignisse weiterstrmt
15. 4.2. Ein Stck Sprache Herauszulsen muss nicht immer Dekontextualisierung bedeuten
Zunehmende Kontextunabhngigkeit der Sprache schien das groe Zauberwort der Spracherwerbsforscher der 70er und 80er Jahre
Hier stellt sich die Frage wie sinnvoll Unterscheidung von Text und Kontext ist
Immer mehr Diskursformen werden untersucht und zu erwgen ist nun ob nicht vielmehr jeder Diskurs und jeder Text ihren eigenen Kontext bilden
16. 4.2. Ein Stck Sprache Auersprachlicher Kontext in sprachlichen Text hineingezogen?
Argument dafr, dass es keine Sprache gibt deren Aussagen vollstndig dekontextualisiert werden knnen
Tendenziell knnen Syntax und Lexikon den auersprachlichen physischen und sozialen Zusammenhang ersetzen ? in diesem Fall: Text selbst wird zu seinem Kontext, erlangt im erluterten Sinn Kontextualitt
17. 4.3. Geschichten schreiben Anapher = eines der bedeutenden Hilfsmittel fr die tendenzielle Textualitt
Anapher = sprachliche Einheit, Wiederholung des Anfangswortes als Stilmittel
Die Anapher wird blicherweise der Deixis gegenber gestellt
Deixis = sprachliche Einheit, Hinweisende Funktion, Verweisung
18. 4.3. Geschichten schreiben Bsp.: 1. Moritz hat eine Katze.
2. Er hat sie lieb.
Pronomina im Satz 2 = Anaphern, diese werden erst durch Bezug auf Satz 2 verstndlich
Pronomina, Deixis = Verweisung auf Satz 1, alleinstehend htte Satz 2 wenig Sinn
19. 4.3. Geschichten schreiben Verbund von verschiedenen Sprecher- und Hrerpositionen sowie unterschiedlichen Vor- und Weltwissen
Jeder anaphorische Ausdruck weist eine deiktische Komponente auf
Bei komplexen uerungen hohe Anforderungen an Sprecher und Hrer, ansonsten beides nicht realisierbar
20. 4.3. Geschichten schreiben hnliche Entwicklung anhand eines Projektes: Kinder beginnen im Unterricht Geschichten zu schreiben, die fr Kinder aus anderen Stdten lesbar und verstndlich sein sollen
Verweise auf mglicherweise gemeinsames Vorwissen der Schreiber und ihrer vorgestellten Leserschaft
Kommunikative und diskursive Funktion geschriebener Sprache kann sogar eher einsichtig werden als gesprochene Sprache
? Bsp.: wildes Kind Victor
21. 4.3. Geschichten schreiben Problem: Institutionalisierter Unterricht
Unterricht hufig zu abstrakt, es bestehen kaum Bezge zum realen Leben, Ausblendung der Lebenswirklichkeit ? ber-Dekontextualisierung von Sprache und Sprachunterricht
Langzeitstudie (Gemeinsam eine geschriebene Geschichte verfassen): Verstndnisprinzipien der mndlichen Konversation wurden schrittweise zu solchen einer schriftlichen Komposition umgewandelt
Besondere Wichtigkeit: sozialer bzw. kologischer Kontext
22. 4.3. Geschichten schreiben Institution Schule: Kontextuelle Probleme und/oder Ausnahmesituationen, die Klaus Holzkamp als Sternenstunden des Lernens beschrieben hat
Vivien Paley: the classroom () explodes with possibilities
? d.h. man muss Anlsse bzw. Mglichkeiten schaffen, die die Kinder zu narrativen Entdeckungsreisen verleiten
23. 4.4. Erste Interpretationssysteme Begriffsnderung: statt Prozesse der literalen und narrativen Dekontextualisierung
besser: Prozesse der Kontextverlagerung
Diskursverlagerung von mndlichen in schriftlich-textuellen Verweisungszusammenhang
Noch keine Dekontextualisierung
Diskurs wird mit anderen diskursiven Praktiken ausgefhrt, einschlielich solcher der Dekontextualisierung
Praktiken = bestimmte Formen von Sprachbewusstheit
24. 4.4. Erste Interpretationssysteme Nach Clark: erste und einfachste Form der Sprachbewusstheit: Selbstbeobachtung und kontrolle beim Sprechen
Komplexeste Form: Reflexion ber sprachliche Aussagen
25. 4.4. Erste Interpretationssysteme Annahme heute: Sprachentwicklung beginnt sptestens mit Geburt
Martin Hildebrand-Nilshons Auffassung: Die ersten Lautuerungen des Kindes markieren einen psychischen Prozess, indem sich mit der lautvermittelten Interaktion zugleich ein Interpretationskontext herausbildet
Selbsterfahrung des Kindes als intentional kommunizierendes Subjekt
Affektive Dimension kommt in diesem Zusammenhang hinzu
? Erste Laute des Kindes = affektiv bedeutungsvolle, intentionale uerungen
26. 4.4. Erste Interpretationssysteme Beginn des Kommunikationsspiels in den ersten Lebensmonaten
Nach Andrew Meltzoff: Intentionen erkennen und ihre Zielgerichtetheit interpretieren = typisch menschliche Kognition
Nach Michael Tomasello: wechselseitiges Imitieren (Kind lernt von Bezugsperson)= grundlegende Praktik des kulturellen Lernens
Somit Weitergabe von Wissen und Kenntnissen
27. 4.4. Erste Interpretationssysteme Umsetzung von Handlungsroutinen vor ihrer sprachlichen Bezeichnung
Entstehen eines diskursiven Interpretationskontextes ?Kind erwirbt wichtige Voraussetzungen fr den Umgang mit sprachlichen Bedeutungen
Wesentliches Kennzeichen der Intersubjektivitt: Vermittlung durch Symbole und Zeichen der jeweiligen Kultur
28. 4.5. Das Prinzip der Konventionalitt Frhe Interpretationssysteme
Kind lernt Prinzip der Konventionalitt
Wichtig fr jedes Sprachsystem
Erste personen- und situationsbedingte Konventionaltit
Konventionalitt der Sprache = Funktion der sozialen Koordination
Arbitraritt des sprachlichen Zeichens = Konsequenz der Konventionalitt
29. 4.5. Das Prinzip der Konventionalitt Jede Sprache = diskursiver Zusammenhang
Zweck: Bedeutungen fixieren, interpretieren, verhandeln, verndern
Formate (sympraktische Kommunikationkontexte) = Vorformen der metasprachlichen Praktiken
Sprachbewusstheit = Vielzahl diskursiver Praktiken
Dabei gibt es viele Faktoren die bei der Entwicklung von Sprachbewusstheit eine Rolle spielen
30. 4.5. Das Prinzip der Konventionalitt In der Sprache ausgedrckte Bedeutungen als sprachliche Bedeutungen zu erkennen
Was ist ein schnelles Wort?
Thomas: Vogel ist ein schnelles Wort. Und Batman, der ist auch ganz schnell.
Sarah: Im ist das schnellste Wort. Hm, nein, in ist das schnellste, weil da ist so ein Strichlein, ein Punkt und nur noch ein Hkchen.
31. 4.5. Das Prinzip der Konventionalitt Und was ist ein schweres Wort?
Thomas: Der Tisch ist schwer. Und der Stein auch. Mein Papa ist auch schwer, weil er so gro ist.
Sarah: Schwere Worte? Da gibts viele, wir lernen jetz immer mehr. Krokodil. Autobahn ist ncoh schwerer, das ist so lang.
Literalitt und Metasprachliche Erfahrungen:
Erfahrungen fr das Verhltnis von Kind zu Sprache und fr sein Nachdenken ber Sprache von zentraler Bedeutung
32. 5. Prsentation eines Kindertextes
33. 5. Ann-Katrin ist noch nicht in der Lage dekontextualisierte Texte zu schreiben
Sie malt ein Bild zu ihrem Satz um den Kontext verstndlich zu machen
Ohne das Bild wre der Satz fr einen Auen-stehenden schwer verstndlich
Syntax und Grammatik ist richtig
? Literalitt ist vorhanden, Literaritt in Grundzgen (Bsp. zur Analyse zu kurz)
34. Zitate Ist nicht die Vorstellung weit zutreffender, da im Verlauf jener Entwicklung, die wir hier betrachten, der (auersprachliche) Kontext gleichsam in den (sprachlichen) Text hineingezogen wird? (Brockmeier 1998, S. 257/258)
Man knnte auch sagen, jede Sprache ist ein diskursiver Zusammenhang mit dem Zweck, Bedeutungen fixieren, interpretieren, verhandeln und verndern zu knnen. (Brockmeier 1998, S.264)