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Finanzmarktkrise und Betriebs- bzw. Personalratsarbeit Banken-Forum-Nord Hamburg, 26.1.2009

Leistungsvergütung in der Finanzdienstleistung – Risiken und Nebenwirkungen. Finanzmarktkrise und Betriebs- bzw. Personalratsarbeit Banken-Forum-Nord Hamburg, 26.1.2009 Prof. Dr. Thomas Breisig, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Institut für Betriebswirtschaftslehre.

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Finanzmarktkrise und Betriebs- bzw. Personalratsarbeit Banken-Forum-Nord Hamburg, 26.1.2009

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Presentation Transcript


  1. Leistungsvergütung in der Finanzdienstleistung – Risiken und Nebenwirkungen Finanzmarktkrise und Betriebs- bzw. Personalratsarbeit Banken-Forum-Nord Hamburg, 26.1.2009 Prof. Dr. Thomas Breisig, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Institut für Betriebswirtschaftslehre

  2. Inhaltsübersicht • Leistungsvergütung – seit Jahren im Trend! • Exkurs: Vertriebssteuerung in Banken; aktuelle wissenschaftliche Untersuchung • Rolle der (variablen) Vergütungssysteme in der Vertriebssteuerung • Methoden der variablen Vergütung (kurz) • Chancen, Risiken, Nebenwirkungen • Diskussion: Anregungen für die Arbeit der BR/PR

  3. 1. Leistungsvergütung – seit Jahren im Trend • Seit über 10 Jahren: allgemeiner Trend zu leistungs- und/oder erfolgsbezogener Vergütung • inzwischen weit verbreitet, auch im Tarifbereich • „ultimativer Indikator“: sogar im öff. Dienst • massiver Druck, auch auf Manager/innen

  4. 2. Exkurs: Projekt „Vertriebssteuerung in Banken“ • Theoretischer Hintergrund: Differenzierung von Steuerungskonzepten im Vertrieb • (Ideal-) Typ I: Plandeterminierte, klassische Steuerung • ausgehend von der Annahme, eine Organisation ließe sich hierarchiegeleitet„top down“ lenken • „Steuerungshoheit“ beim Management • den Mitarbeiter/innen werden Ziele, Pläne sowie die Details ihrer Arbeit durch genaue Vorgaben zugewiesen („Taylorismus“)

  5. (Ideal-) Typ II: Kontextsteuerung • die Organisation beschränkt sich auf die Setzung von Rahmenparametern, insbesondere Ziele, Rahmenpläne usw. • diese werden - möglichst unter deren Beteiligung - auf die Bereiche und Einheiten herunter gebrochen und mit Kennzahlen erfasst • ansonsten setzt man auf die Kräfte der Selbst-organisation der dezentralen Einheiten und Akteure

  6. Auf den Bankenvertrieb zugespitzt lautet die Gretchenfrage • Subjektivierung der Arbeit durch Zielorientierung und Handlungs- und Gestaltungsspielräume im Umgang mit Kundschaft … • … oder feiert der Taylorismus fröhliche Urständ? • O-Ton der aktuellen bankspez. Literatur: „Bei vielen Finanzdienstleistern bestimmen Berater weitgehend selbst, wie und in welcher Zeit sie Verkaufsabschlüsse bei Neu- und Bestandskunden herbeiführen. … Der hohe Grad an persönlicher Entscheidungsfreiheit führt letztlich dazu, dass die vorhandenen Vertriebspotenziale nicht konsequent genug ausgeschöpft werden“ (aus: geldinstitute, Nr. 4/5 – 2002)

  7. Empirisches Vorgehen • Breitenerhebung mittels Fragebogen • Vertiefende Interviews mit Betriebs- und Personalräten • Vier Fallstudien • 2 private Großbanken • 1 größere Volksbank • 1 kleine Volksbank

  8. Struktur der auswertbaren Fragebögen nach Bankentyp (n = 127)

  9. Beschäftigte nach Größenklassen n = 140

  10. Ausmaß von Strategieumsetzung, Controlling-intensität und Kennziffernnutzung

  11. Nutzung von Kennziffern zur Vertriebs-steuerung (Mehrfachnennungen möglich)

  12. Ebenen des Controlling (Angaben in %) (Mehrfachantworten möglich)

  13. Häufigkeit des Controllings auf unterschiedlichen Ebenen (Angaben in %, Mehrfachnennung möglich)

  14. Einsatz von speziellen Instrumenten zur Vertriebs-steuerung (Auszüge aus den Befunden) • Zielvereinbarungen: 91,9% • Ergebnisvergleich der Filialen im Sinne eines Benchmarking: 83,6% • Spezielle Arbeitsgruppen (z.B. Qualitätszirkel, Projektgruppen): 82,9% • Steuerung der Vertriebs-Mitarbeiter/innen durch Leistungs-Anreizsysteme: 76,4% • Analysen der Kundenzufriedenheit: 56,1% • Vertrauens-Arbeitszeit: 32,8%

  15. Aussagen zu Details der betrieblichen Steuerungs-philosophien (Angaben auf einem Kontinuum zwischen gegensätzlichen Items)

  16. Erste Interpretation der Ergebnisse • Evidenz für die These der „Vermarktlichung“ der Arbeitsbe-ziehungen • mit hohem Aufwand werden ausgefeilte Planungs-, Ziel- und Controllingsysteme praktiziert • Einsatz ausdifferenzierter Kennzahlensysteme • fast überall (in ca. 95% der Institute) werden die als relevant er-achteten Kennzahlen bis auf die Teamebene herunter gebrochen • in über 85% der Fälle geht dieser Prozess sogar noch weiter bis auf die Ebene der einzelnen Mitarbeiter/innen im Vertrieb • es wird fast durchgängig mit Zielvereinbarungen (?) und filialbe-zogenen Benchmarkings gearbeitet • die Mehrheit der Befragten sehen Konkurrenzverhältnisse zwischen den einzelnen Mitarbeiter/innen als gegeben und gewollt an (z.B. durch Betonung der Einzelleistung)

  17. Aber geht die Vermarktlichung einher mit einer Zurück-drängung des plandeterminierten Steuerungsansatzes? • Ziele, Pläne und Kennzahlensysteme sind tendenziell detailliert, gehen bis weit in Strukturvorgaben hinein (kaum eine Beschränkung auf „Rahmen-setzung“ erkennbar; krasses Bsp. „Aktivitätenmanagement“) • sie sind klar fremdbestimmt; dezentrale Einflüsse, „Empowerment“ o.ä.ist kaum zu erkennen • hinter dem Etikett der Ziel“vereinbarung“ verbergen sich zumindest im Vertrieb weit überwiegend strikte Zielvorgaben • Abläufe werden in bester tayloristischer Manier stark strukturiert und den Mitarbeiter/innen, Teams und Filialen vorgegeben • Entscheidungsprozesse werden von der klaren Mehrheit der Befragten als „zentralisiert“ charakterisiert • der Technikeinsatz wird als strikt reglementierend und wenig Freiheitsgrade zulassend wahrgenommen • die Beratertätigkeit wird als eher spezialisiert denn „generalisiert“ beschrieben • eine frühzeitige Information der Vertriebsmitarbeiter/innen über Veränderungen in ihrem Bereich wird eher verneint

  18. Kontextsteuerung mit Elementen wie Selbstorganisation, Mitarbeiterorientierung ist höchstens (oder immerhin) in Spuren erkennbar: • Leichte Tendenz in der Wahrnehmung, dass den Mitarbeiter/innen der Weg der Zielerreichung freigestellt sei (im Gegensatz zu einem genauen Vorschreiben auch des „Wie“ der Zielerreichung) • ebenfalls leichte Tendenz in der Wahrnehmung, dass die Personalführung in den Filialen eher kooperativ denn autokratisch ist • in gleicher (also nicht sehr starker) Größenordnung wird zum Ausdruck gebracht, dass die Mitarbeiter/innen aktiviert werden, über Verbesserungen nachzudenken • in starkem Maße (über 80% der Angaben) werden spezielle Arbeitsgruppen wohl für kreative Problemlösungen als Instrument eingesetzt

  19. Ein erstes Resümee • keine klaren Konturen erkennbar, die in Richtung auf ein einheitliches Steuerungsmodell, plandeterminiert oder kontextorientiert, weisen • marktorientierte Elemente sind im Arsenal der Lenkungsmechanismen im Filialvertrieb der Banken fest verankert; dies führt aber nicht zu einer Zurückdrängung der klassischen plandeterminierten Steuerung anhand von straffen, auch bis ins Detail gehenden Plänen, Vorgaben; Hierarchie bleibt (wird wieder) präsent • Ggf. kann man von einem Ansatz der Über-Steuerung sprechen: • die Mitarbeiter/innen werden sozusagen von allen Seiten und über verschiedene Mechanismen gelenkt - wahrscheinlich gerade wegen dieser Dichte und Vielschichtigkeit mit der Konsequenz, dass ein doppeltes Druckpotenzial auf sie entsteht

  20. 3. Rolle der (variablen) Vergütungssysteme in der Vertriebssteuerung • sie sind sehr weit, aber noch nicht ganz überall verbreitet • „gewollt“ (geplant) sind sie vom Management generell (bisweilen gibt es noch betriebl. Hinderungsgründe) • die weitaus meisten docken direkt an das ausgefeilte, quantifizierende Ziel- und Controllingsystem an; „Anreizfunktion“ • sie verfolgen die Handlungslogik der „Marktsteuerung“; „quasi-unternehmerische“ Vergütung • Etikett der Ziel-“Vereinbarung“ verbreitet, de facto aber Farce

  21. 4. Methoden der variablen Vergütung (kurz) • Zielorientierte Systeme I: auf Vorgaben beruhend; Kennzahlenvergleiche • Zielorientierte Systeme II: „Echte“ Zielvereinbarungen mit Verhandlungsspielraum • Leistungsbeurteilungen (mit skalierten Kriterien) • Kombinationen der Methoden

  22. Unter-nehmens-ziele z.B. Erhöhungder Rentabilität • Bereichsziele • z.B. Senkung der Produktionskosten um X Prozentz.B. Senkung der Durchlaufzeit von Komplettaufträgen • Abteilungsziele • z.B. Senkung der Kosten für Ausschuss und Nacharbeit um X Prozentz.B. Senkung der Durchlaufzeiten von Fertigungsaufträgenz.B. Senkung der Materialkosten • Gruppenziele bzw. individuelle Leistungsziele • z.B. Erhöhung des Gutstückausstoßes um X Prozent z.B. Senkung der Maschinenrüstzeiten z.B. Senkung des Umlaufbestandes um Y Prozent z.B. Erhöhung der Werkzeugnutzung • z.B. Verbesserung der Arbeitsabläufe (KVP) z.B. Verkürzung von Transportwegen Zielpyramide

  23. Soll/Ist-Vergleich nach 1 Jahr „Goal-Setting“-Phase (z.B. Januar) • Vereinbarung von Zielen und Leistungsniveaus • Ggf. Erstellung von Durchführungsplänen „Performance Review“-Phase (z.B. Dezember) • Ergebnisfeststellung (Ist) und Ermittlung des Grades der Zielerreichung (Soll/Ist-Vergleich) • Abweichungsanalyse • Folgemaßnahmen

  24. Name des Mitarbeiters: …Verkauf Personal-Nr.: 2345678 Name des Mitarbeiters: … Verkauf Personal-Nr.: 2345678 ZIELVEREINBARUNG ZIELERREICHUNG

  25. Tarifliches Beurteilungsschema für Angestellte in der Metallindustrie Bayern (aus Ehlscheid u.a. 1997a, S. 247)

  26. Verfahren zur Erfassung der Leistung: • Direkte Messung etwa durch Zählen oder Messen • Indirekte Erfassung durch Indikatoren (Kennzahlen) z.B. Reklamationsquoten, Wartezeiten, Befragungsergebnisse • Subjektive Bewertung über Beurteilungsvorgänge (insbesondere durch Vorgesetzte) • Erreichung eines Zieles/eines Vorhabens z.B. bei konkreten Aufträgen, Projekten

  27. 5. Zielorientierte, variable Vergütungssysteme: Chancen, Risiken, NebenwirkungenChancen aus Sicht der Arbeitnehmer/innen • Realere, bessere Beurteilung (Feedback) • Reduktion von Spielraum für willkürliche Beurteilung • Transparenz der Erwartungen • Einfluss auf Festlegung der „eigenen“ Steuerungsgrößen (Partizipation) – bei Z.vereinbarung • Spielraum und Selbstbestimmung bei Wegen der Zielerreichung – bei Z.vereinbarung

  28. „Systemimmanente“ Risiken und Umsetzungsprobleme • Große Schwierigkeit, operationale Ziele zu finden („Quantomanie“) • Art der Ziele: Verengung auf quantitativ-ökonomische Leistungsziele • Problematische Beeinflussbarkeit • Folgenschwere Fehlsteuerungen • Zieldiktat; Vereinbarung als Farce • Intensivierungspflicht = Leistungsverdichtung • Zielvereinbarung ja, Autonomie nein • Schwierige Rollenerwartung für Führungskräfte • Unterschiedliche Durchsetzungsmöglichkeiten der Mitarbeiter/innen (je nach argumentativem Geschick und eigener Macht gegenüber der/dem Vorgesetzten)

  29. Und nun zu den möglichen „Nebenwirkungen“ … • Massiver Zielerreichungsdruck durch (exorbitant) hohe Zielvorgaben und ebenso drastische jährliche Steigerungsraten … • … und durch intensives, kurz getaktetes Reglementieren, Kontrollieren und Nachhalten • Gefährdung der Kundenbindung (Befunde aus Interviews und Fallstudien zur Frage, welche Schwerpunktsetzung im Konflikt zw. Verkaufsorientierung und Kundenbindung von der Bank erwünscht sei) • Gefährdung des (noch weitgehend intakten, aber zunehmend strapazierten) Betriebsklimas in den Filialen • Mehr gegen- als miteinander arbeiten

  30. Interviewbefunde: Wahrnehmung über organisationsseitig erwünschtes Verhalten der Beschäftigten in einem Konflikt zwischen Kunden- und Verkaufsorientierung (Quelle: Eigene Erhebung; n = 35)

  31. ABER …(Thesen zur Diskussion von mir) • Die (z. T. fatalen) „Nebenwirkungen“ sind primär ein Problem der Vertriebssteuerungssysteme als Ganzes … • … sie sind weniger ein Problem variabler Vergütungskonzepte per se • „Leistung“ ist kein feststehendes Konstrukt; es bedarf jeweils der Definition durch die relevanten Akteure • Ziele sind nicht naturgegeben, fallen auch nicht vom Himmel. Sie sind von Menschen gesetzt; können „nur als Werturteil angenommen oder abgelehnt werden“ (Betge: Bankbetriebslehre, S. 459)

  32. Ansätze für Handlungsmöglichkeiten (Diskussion in 6 Punkten) • Erster Punkt: Vertriebssteuerung insgesamt: Teil-Revision der „Industrialisierung“; Rücknahme von Spezialisierung und Dequalifizierung; wieder mehr „ganzheitliche“ Kundenberatung; Relativierung des Einflusses der Controlling- und Technikspezialisten auf die Managementpolitik (Stichwort: CRM) • Zweiter Punkt: Relativierung von „wettbewerbsverherrlichenden“ Elementen: kurz getaktete Leistungs- und Verhaltenskontrollen, Rankings, Benchmarking zwischen Teams, Filialen, Regionen, Teilbanken, usw. • Dritter Punkt: Grundlegende Revision der Zielsysteme: Verzicht auf „Setzung“ exorbitanter kurzfrist. Steigerungsraten in den wirtschaftl. Zielen; mehr Langfristperspektive, mehr „nachhaltige“ Ziele

  33. Vierter Punkt: Trotz Direktionsrecht: „Öffnung“ der Zielbildungsprozesse durch Information, Diskussion und Gegenstrom-Prinzip; BR/PR schalten sich stärker und frühzeitig ein • Fünfter Punkt: In der (betriebl.) Leistungsvergütung: Zielorientierung – ja, aber unter der Bedingung „echter“ Ziel-Vereinbarung, vorzugsweise im Team; auch qualitative Ziele (z.B. Personalentwicklung, Kundenorientierung als Bestandteil von „Leistung“); im Bereich der Vergütung hat man sogar über die Mitbestimmung einen Hebel • Sechster Punkt: Kennzahlen ja – aber nicht zur Gängelung sondern zur Selbststeuerung; Schulungen für „autonomen“ Umgang mit Kennzahlen; ggf. Betriebsvereinbarung („best practice“-Beispiele gibt es!)

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