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Produkthaftung und Strafrecht

Produkthaftung und Strafrecht. Rechtsanwalt Sami Negm Rechtsanwälte Dr. Pribilla Kaldenhoff Negm Goebenstr. 3 50672 Köln s.negm@prikalneg.de www.prikalneg.de. rechtliche Produktrisiken. Grundlagen.

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Produkthaftung und Strafrecht

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Presentation Transcript


  1. Produkthaftung und Strafrecht Rechtsanwalt Sami Negm Rechtsanwälte Dr. Pribilla Kaldenhoff Negm Goebenstr. 3 50672 Köln s.negm@prikalneg.de www.prikalneg.de

  2. rechtliche Produktrisiken RA S. Negm

  3. Grundlagen • Es existiert kein allgemeiner Gefährdungstatbestand, der etwa denjenigen unter Strafe stellt, der es „zu verantworten hat, dass ein Gegenstand in Verkehr gelangt oder bleibt oder zum Inverkehrbringen bereitgehalten wird, obwohl dieser geeignet oder dringend verdächtig ist, andere widerrechtlich an Leib oder Leben zu schädigen. • Strafrechtliche Produkthaftung beruht auf abstrakten Gefährdungstatbeständen des Nebenstrafrechts, insbesondere des Lebensmittel- und des Arzneimittelstrafrechts. • Der Schwerpunkt liegt allerdings bei den Tatbeständen der allgemeinen Erfolgsdelikte des Strafgesetzbuchs, im Allgemeinen bei den Tatbeständen der vorsätzlichen oder fahrlässigen Körperverletzung oder der fahrlässigen Tötung. RA S. Negm

  4. Lederspray Entscheidung Die E GmbH befasst sich unter anderem mit der Herstellung Ledersprays, die u.a. der Pflegevon Schuhen dienen. Vertrieben werden diese Produkte unter anderem durch Tochterfirmen. Ab dem Herbst 1980 gingen bei der Schadensmeldungen ein, nach denen Personen nach dem Gebrauch der Sprays gesundheitliche Beeinträchtigungen (Atembeschwerden, Husten, Übelkeit, Schüttelfrost und Fieber bis hin zu intensivmedizinischer Behandlung wegen lebensbedrohlicher Zustände) erlitten hatten. Bei den meisten Betroffenen stellte sich alsbald eine durchgreifende Besserung ein, die zur völligen Genesung führte. Die ersten Schadensmeldungen lösten firmeninterne Untersuchungen von zurückgegebenen Spraydosen aus. Fabrikationsfehler ergaben sich dabei nicht. Festgestellt wurde nur, dass bei einem Spray 1980 der Wirkstoffanteil des Silikonöls erhöht worden war. Diese Rezepturänderung wurde Anfang 1981 rückgängig gemacht. Gleichwohl folgten weitere Schadensmeldungen. Fachgespräche mit Toxikologen zweier Chemieunternehmen und einem beratenden Arzt brachten keine Klärung. Der Silikonöl-Wirkstoff wurde aus den Produkten genommen. Als sich herausstellte, dass 1980 der Lieferant, der Fluorkarbonharze gewechselt hatte, wurden diese Stoffe ab März 1981 wieder vom vormaligen Lieferanten bezogen. Die Schadensmeldungen setzten sich jedoch fort. Mitte April 1981 kam es deshalb zu einem kurzfristigen Produktions- und Vertriebsstopp für bestimmte Sprays; dieser wurde jedoch, nachdem Untersuchungen in der firmeneigenen Chemieabteilung ohne Ergebnis geblieben waren, nach wenigen Tagen wieder aufgehoben. RA S. Negm

  5. Lederspray Entscheidung Am 12. Mai 1981 fand eine Sondersitzung der Geschäftsführung statt. Den einzigen Tagesordnungspunkt bildeten die Schadensfälle. Teilnehmer waren unter anderem sämtliche Geschäftsführer, die späteren Angeklagten. Der Angeklagte Dr. B., der in der Firmengruppe Leiter des Zentrallabors war, wurde als "Chefchemiker" hinzugezogen. Er trug den Sachstand vor. Dabei verwies er insbesondere darauf, dass nach den bisherigen Untersuchungen kein Anhalt für toxische Eigenschaften und damit eine Gefährlichkeit der Sprays gegeben sei, weshalb keine Veranlassung zu einem Rückruf dieser Produkte bestehe. Er schlug vor, eine externe Institution mit weiteren Untersuchungen zu beauftragen, außerdem Warnhinweise auf allen Spraydosen anzubringen und bereits vorhandene Hinweise gegebenenfalls zu verbessern. Diesem Vorschlag schloss sich die Geschäftsführung an. Einigkeit bestand darüber, dass die Anordnung eines Vertriebsstopps, einer Rückruf- oder auch Warnaktion nur dann in Betracht zu ziehen sei, falls die noch ausstehenden Untersuchungen einen "echten Produktfehler" oder ein "nachweisbares Verbraucherrisiko" ergeben sollten. Im Anschluss an diese Sitzung wurden die Angeklagten W. und D. umfassend informiert. Beide machten sich die in der Sitzung getroffene Entscheidung jeweils für ihren Verantwortungsbereich zu eigen. In der Folgezeit kam es zu weiteren Gesundheitsschäden nach der Verwendung von Ledersprays der bezeichneten Marken. Auch bei den neuerlichen Untersuchungen gelang es nicht, eine bestimmte Substanz als schadensauslösend zu identifizieren. Im Laufe der Zeit wurden die auf den Spraydosen angebrachten Warnhinweise ergänzt und verbessert. Am 20. September 1983 begann die Firma W. u. M. GmbH nach Interventionen des Bundesgesundheitsamts und des Bundesgesundheitsministeriums mit der Durchführung eines Verkaufsstopps sowie einer Rückrufaktion, ohne allerdings völlig auf die Weiterverwendung der in den zurückgerufenen Produkten enthaltenen Rezepturen zu verzichten. RA S. Negm

  6. Lederspray Entscheidung • Das Landgericht hat die Angeklagten wie folgt verurteilt: • Die Geschäftsführer S. und Dr. Sch. jeweils wegen fahrlässiger Körperverletzung in vier Fällen zu Gesamtgeldstrafen und wegen gefährlicher Körperverletzung zu Freiheitsstrafen von einem Jahr und sechs Monaten,Den Geschäftsführer W. wegen fahrlässiger Körperverletzung in drei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe und wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr,Geschäftsführer D. wegen fahrlässiger Körperverletzung und wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtgeldstrafe, undChefchemiker Dr. B. wegen Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung zu einer Geldstrafe. • Soweit auf Freiheitsstrafen erkannt worden ist, hat das Gericht deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. RA S. Negm

  7. Straftatbestände des StGBKörperverletungsdelikte RA S. Negm

  8. Straftatbestände des StGBTötungsdelikte RA S. Negm

  9. andere relevante Straftatbestände • § 20 GPSG: • Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine in § 19 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a, Nr. 5 oder 6 Buchstabe a bezeichnete vorsätzliche Handlung beharrlich wiederholt oder durch eine solche vorsätzliche Handlung Leben oder Gesundheit eines anderen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet. • entgegen § 7 Abs. 3 Satz 3 oder Abs. 4 ein dort genanntes Zeichen verwendet oder mit ihm wirbt oder • Buchstabe Nr. 6 a (einer vollziehbaren Anordnung nach • § 8 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 oder 5 bis 8 zuwiderhandelt) • § 51 LMBG (Geldstrafe, Freiheitsstrafe bis 3 Jahre) und • § 52 LMBG (Geldstrafe, Freiheitsstrafe bis 1 Jahr) • § 95 AMG (Geldstrafe, Freiheitsstrafe bis 3 Jahre) • § 96 AMG (Geldstrafe, Freiheitsstrafe bis 1 Jahr)

  10. Körperverletzungsdeliktevorsätzliche Körperverletzung, § 223 StGB Nach § 223 StGB ist strafbar, wer einen anderen • körperlich misshandelt oder • an der Gesundheit beschädigt. RA S. Negm

  11. Körperliche Misshandlung • Körperliche Misshandlung ist eine üble, unangemessene Behandlung, die entweder das körperliche Wohlbefinden nicht nur unerheblich beeinträchtigt oder die körperliche Unversehrtheit nicht nur unerheblich beeinträchtigt • Beispiele: Abschneiden des Bartes, Abschneiden der Haare, Ohrfeige RA S. Negm

  12. Gesundheitsbeschädigung • Gesundheitsbeschädigung besteht im Hervorrufen oder Steigern eines, wenn auch vor­übergehenden pathologischen Zustandes körperlicher oder/und seelischer Art (letzter setzt aber psychosomatische Reaktionen voraus). Die Gesundheitsbeschädigung setzt keine körperliche Misshandlung voraus. • Beispiele: vor allem Eingriffe in die körperliche Substanz; Verlust eines Zahns, Zehs, Fingers, einem Ohrmuschel, der Funktionsausfall von Organen (Gehör, Geruchs- oder Geschmacksinn, Nieren, Leber, Gallenblase), die dauernde oder vorübergehende Verminderung körperlicher Funktionen (Gehbehinderungen, Sehstörungen, ferner die Zufügung von Schwellungen, Blutergüssen, Schnitten, Rissen und dergleichen, Kontusionen, Narben, Wucherungen und sonstige körperliche Verunstaltungen, Schmerzen oder Reizungen des zentralen Nervensystems, Knochenbrüche, Sehnenrisse, Wunden, Infektionen, Vergiftungen, Hämatome, körperlich bedingte geistige Störungen und allgemein jede Herbeiführung oder Verschlimmerung eines bestehenden Krankheitszustandes. RA S. Negm

  13. Schädigung des Embryos als Körperverletzung? • (i) Das LG Aachen (Contergan-Fall) hielt die Anwendung des § 230 für möglich. • (ii) Anders die h.M. Rechtsgut der §§ 223 ff. sei die körperliche Integrität eines Menschen. • Dem Embryo fehlt aber (im Handlungszeitpunkt) die „Menschqualität". Ein Embryo sei nur gegen die Handlungen geschützt, die unter § 218 fallen. Dass der Erfolg sich postnatal, also an einem Menschen, auswirke, spiele keine Rolle; entscheidend sei der Handlungszeitpunkt. • Die Frage, ob dass Absterben der Leibesfrucht infolge eines ärztlichen Behandlungsfehlers oder eines unterlassenen, medizinisch aber gebotenen Eingriffs zugleich eine Gesundheitsverletzung der Mutter darstellt, ist in der Rechtsprechung umstritten. RA S. Negm

  14. Die fahrlässige Tötung, § 222 • Nach § 222 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer durch Fahrlässigkeit den Tod eines Menschen verursacht. • Geschütztes Rechtsgut ist das Leben eines anderen, Angriffsobjekt der Mensch mit dem Beginn der Geburt. Nach der Gesetzessystematik wird die Tötung nach Beginn der Geburt nicht mehr als Tötung der Leibesfrucht, sondern als Tötung eines Menschen qualifiziert. RA S. Negm

  15. Wer ist strafrechtlich verantwortlich? • Unternehmen selbst kann nicht bestraft werden. • In Betracht kommen die Mitarbeiter • Originäre Verantwortlichkeit der Entscheidungsträger steht im Vordergrund (top down Betrachtungsweise) • In Krisen- und Ausnahmesituationen ist eine Berufung auf horizontale bzw. vertikale Arbeitsteilung strafrechtlich nicht von Belang RA S. Negm

  16. Grundlage Strafrechtlicher Haftung • Diese Pflichten lassen sich in • Konstruktions-, • Produktions-, • Instruktions- und • Produktbeobachtungspflichten • unterteilen. RA S. Negm

  17. Kontrollpflicht • Der Produzent hat durch Planung, Organisation und Kontrolle - einschließlich der Zulieferer - dafür Sorge zu tragen, dass bei der Fertigung, bei der Lagerung und heim Vertrieb Fehler - von nicht ausnahmslos zu unterbindenden Ausreißern abgesehen - vermieden werden. • Schutzmaßnahmen sind nicht erst zu treffen, wenn schädliche Wirkungen nachgewiesen sind oder der Verdacht schädlicher Wirkungen wissenschaftlich begründet ist. Der Hersteller muss vielmehr bereits bei Vorliegen eines ernst zu nehmenden Verdachts tätig werden. RA S. Negm

  18. Normeneinhaltung • Das Vertrauen auf offizielle oder allgemein anerkannte Vorgaben schützt nicht vor strafrechtlicher Verfolgung, wenn der Hersteller für sich überlegene Erkenntnisse oder Forschungsmöglichkeiten nutzbar machen kann. RA S. Negm

  19. gebotene Maßnahmen • Welche Maßnahmen der zur Gefahrenabwendung verpflichtete Hersteller zu ergreifen hat, ob ihn Nachuntersuchungs-, Instruktions-, Warn- oder Rückrufpflichten treffen, ist unter Berücksichtigung der Schwere und der Häufigkeit drohender Schäden zu entscheiden. In der Lederspray-Entscheidung hat der BGH in Anbetracht der massenhaften Herstellung und Verbreitung und des Ausmaßes drohender Schäden auch unter Berücksichtigung der dadurch entstehenden Kosten und des zu erwartenden Imageschadens zu Recht nicht nur eine Warnpflicht, sondern eine Rückrufpflicht angenommen. RA S. Negm

  20. Ursächlichkeit (Kausalität) • Kausal ist jede Handlung, die nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der konkrete Erfolg entfiele. ("conditio sine qua non“) • Ein Hinzudenken von Reserveursachen oder hypothetischen Erfolgsursachen ist unzulässig. • Ausreichend zur Bejahung des ursächlichen Zusammenhangs ist eine mitursächliche Bedingung für den Erfolg oder eine Beschleunigung des Eintritts. • Ohne Bedeutung sind atypische Geschehensabläufe oder eine anormale Konstitution des Opfers. Ein mitwirkendes Verschulden des Opfers oder das Eingreifen eines Dritten steht einer Bejahung der Kausalität dann nicht entgegen, wenn die gesetzte Bedingung bis zum Eintritt des Erfolges fortwirkt. Bei einer eigenverantwortlichen Selbstgefährdung des Opfers erfolgt keine Zurechnung mehr. • Von mehreren Bedingungen, die zwar alternativ, aber nicht kumulativ hinweg gedacht werden können, ohne dass der Erfolg entfiele, ist jede kausal. (sog. Alternative Kausalität). Bei einer Mehrheit von ineinandergreifenden Ursachen ist jeder Beteiligte Urheber des gesamten Erfolges, auch wenn sein Tatbeitrag alleine für den Erfolg nicht ausgereicht hätte (sog. Kumulative Kausalität). • Ein Ursachenzusammenhang ist nicht mehr gegeben, wenn ein späteres Ereignis eine neue Ursachenkette eröffnet und die alte nicht fortwirkt. RA S. Negm

  21. Ursachenzusammenhang • Die Ursächlichkeit wird meist durch Sachverständigengutachten unter Beweis gestellt. • BGHSt 37,106 (Lederspray): Der Ursachenzusammenhang zwischen der Beschaffenheit eines Produkts und Gesundheitsbeeinträchtigungen seiner Verbraucher ist auch dann rechtsfehlerfrei festgestellt, wenn offenbleibt, welche Substanz den Schaden ausgelöst hat, aber andere in Betracht kommende Schadensursachen auszuschließen sind. RA S. Negm

  22. Fahrlässigkeitsformen • bewusste Fahrlässigkeit (luxuria) Der Täter erkennt, dass er den Tatbestand verwirklichen könnte, vertraut aber pflichtwidrig darauf, dass der Erfolg nicht eintritt. (Die Abgrenzung zum bedingten Vorsatz ist oft schwierig) • unbewusste Fahrlässigkeit Der Täter sieht nicht voraus, dass er den Tatbestand verwirklicht, hätte dies aber nach den Umständen und nach seinem persönlichen Fähigkeiten und Kenntnissen erkennen müssen. RA S. Negm

  23. Das Ermittlungsverfahren

  24. Verhalten bei Durchsuchungen • der Durchsuchung widersprechen! • nach Durchsuchungsbeschluss fragen (widersprechen, wenn älter als 6 Monate (BVerfGE 96, 44)  • Durchsuchungsbeschluss nicht erforderlich, wenn Gefahr im Verzug. Nach Begründung fragen • Obwohl § 104 Strafprozessordnung (StPO) generell vorsieht, dass eine Durchsuchung zur Nachtzeit - also im Zeitraum vom 1. April bis 30. September von 21 Uhr bis 4 Uhr morgens und im Zeitraum vom 01.10. bis 31.03. von 21 Uhr bis 6 Uhr morgens - nicht stattfinden darf, ist bei „Gefahr im Verzug“ die Durchsuchung zu jeder Tag- und Nachtzeit möglich und zulässig (auch bei Verfolgung auf frischer Tat). • Strafverteidiger hinzuziehen. Verteidiger hat zwar keinen Rechtsanspruch auf Anwesenheit. Wenn aber der Inhaber der Räume (also der betroffene Mieter oder Eigentümer) die Anwesenheit des Verteidigers gestattet, darf dem Verteidiger die Anwesenheit nur verboten werden, wenn er die Amtshandlung stört, wovon ohne weitere Anhaltspunkte nicht auszugehen ist. • Keine Versuche, „Beweismaterial beiseite zu bringen“! Haftbefehl wg. Verdunklungsgefahr droht!  • unbedingt Verzeichnis der in Verwahrung genommenen Gegenstände geben lassen RA S. Negm

  25. Festnahme Die Festnahme einer Person kann • auf einem Haftbefehl beruhen oder • eine sogenannte vorläufige Festnahme sein. RA S. Negm

  26. Festnahme aufgrund eines Haftbefehls • Die Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Haftbefehl gegen den Beschuldigten sind der dringende Tatverdacht und das Vorliegen eines Haftgrundes: Ein dringender Tatverdacht besteht, wenn die hohe Wahrscheinlichkeit besteht, das der Beschuldigte wirklich der Täter ist. • Haftgründe sind vor allem die Flucht- und die Verdunklungsgefahr, wenn also zu befürchten ist, dass der Beschuldigte flüchtet oder in unzulässiger Art und Weise auf Beweismittel, Zeugen oder Sachverständige einwirkt. RA S. Negm

  27. vorläufige Festnahme • Diese ist zum einen Polizei und Staatsanwaltschaft erlaubt, wenn die Voraussetzungen eines Haft- oder Unterbringungsbefehls vorliegen (s.o.), dieser aber noch nicht erlassen ist. • Zum zweiten hat jeder (also auch die Polizei) das Recht zur vorläufigen Festnahme, wenn der Beschuldigte auf frischer Tat angetroffen oder verfolgt worden ist  u n d  dieser entweder fluchtverdächtig ist oder wenn seine Identität nicht sofort festgestellt werden kann, weil der mutmaßliche Täter sich nicht ausweisen kann. • Von einer "frischen" Tat spricht man, wenn der Beschuldigte bei Begehung einer rechtswidrigen Tat oder auch unmittelbar danach am Tatort oder in dessen unmittelbarer Nähe gestellt wird. • Für Fluchtverdacht genügt es, wenn nach den objektiv erkennbaren Umständen die Annahme gerechtfertigt bist, der Betroffene werde fliehen. • Eine Festnahme zur Identitätsfeststellung darf dann erfolgen, wenn der Betroffene nicht ohne Vernehmung oder Nachforschung identifiziert werden kann. • Wer als Privatperson eine vorläufige Festnahme durchführt, muss den Festgenommenen unverzüglich der Polizei übergeben. • Der Festnehmende darf bei der Festnahme in gewissem Umfang Gewalt anwenden, um den Verdächtigen festzuhalten. Dies ist aber nur insoweit rechtmäßig, als der Gewalteinsatz erforderlich ist, um den Verdächtigen am Weggehen zu hindern.   • Die vorläufige Festnahme darf nur bis zum Ende des der Festnahme folgenden Tages, maximal also knapp 48 Stunden, dauern. Spätestens danach ist der vorläufig Festgenommene dem Ermittlungsrichter zur Entscheidung über die Anordnung der Untersuchungshaft vorzuführen oder zu entlassen. RA S. Negm

  28. polizeiliche Vernehmungen Polizeiliche Vernehmungen sind aus zwei Gründen problematisch. Zum einen kennt der Beschuldigte häufig zum Zeitpunkt der Vernehmung den Vorwurf nicht genau. Zum zweiten verfügen die Beamten über Vernehmungstechniken, denen der Beschuldigte häufig nicht gewachsen ist. Viele Beschuldigte wundern sich später, was so alles im Protokoll der Vernehmung steht... 1. Wenn Sie als Beschuldigter zu einer polizeilichen Vernehmung geladen werden, suchen Sie vorher (!!!) einen Rechtsanwalt auf. Der Beschuldigte ist nicht verpflichtet, einer Ladung zu einer polizeilichen Vernehmung Folge zu leisten. 2. Wenn Sie als Zeuge zu einer polizeilichen Vernehmung geladen werden, müssen Sie der Vorladung gleichfalls nicht Folge leisten (Kleinknecht/Meyer-Goßner, Strafprozeßordnung, § 163 Rz. 37). Haben Sie Zweifel daran, ob die Vorwürfe sich in Wahrheit doch gegen Sie richten, sollten Sie sofort einen Strafverteidiger aufsuchen. 3. Wenn Sie 'von der Polizei mitgenommen' worden sind: Erklären Sie ausdrücklich, dass Sie einen Rechtsanwalt sprechen möchten. Die Vernehmung muss dann unterbrochen werden. Ihnen muss Gelegenheit zu einem Telefonat gegeben werden. 4. Fragen Sie, was Ihnen zur Last gelegt wird. Die Polizei ist gem. § 163a Absatz 4, Satz 1 Strafprozessordnung verpflichtet, Ihnen dies mitzuteilen. 5. Machen Sie auf keinen Fall irgendwelche Angaben zu den Vorwürfen, bevor Ihr Verteidiger eintrifft. Sie sind als Beschuldigter nicht verpflichtet, irgendwelche Angaben zu den Vorwürfen zu machen. Oft wird Ihnen erklärt, dass die Polizei nicht verpflichtet ist, dem Verteidiger die Anwesenheit bei der Vernehmung zu gestatten (was richtig ist). Weisen Sie in diesem Fall darauf hin, dass Sie ohne Verteidiger ganz sicher nichts zur Sache sagen werden. RA S. Negm

  29. Wahlgegenüberstellung, 163 a StPO • Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich zweifelsfrei, dass § 163a Abs. 3 StPO auch den Zweck hat, einen Beschuldigten, der Angaben zur Sache verweigert, zur Teilnahme an einer Wahlgegenüberstellung mit Zeugen zwingen zu können. • Da es sich hierbei um eine Freiheitsbeschränkung des Beschuldigten handelt, hat die Staatsanwaltschaft vor einer solchen Anordnung dessen Interesse, nicht Objekt belastender Ermittlungsmaßnahmen zu sein, gegen ihre Verpflichtung, gerade schwerste Straftaten unter Ausschöpfung aller gesetzlich zulässigen Beweismittel aufzuklären, einzelfallbezogen gegeneinander abzuwägen. Hierbei muss sie sowohl bei der Anordnung der Teilnahme des Beschuldigten an Wahlgegenüberstellungen als auch bei der Art und Weise der Durchführung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten. RA S. Negm

  30. Das Ermittlungsverfahren

  31. Einstellung nach 170 II StPO • Der genügende Anlass zur Anklageerhebung nach §  170 I setzt voraus, dass ein Verfahrenshindernis nicht besteht, und ein hinreichender Tatverdacht besteht, also bei vorläufiger Tatbeurteilung nach Lage der Akten in der Hauptverhandlung voraussichtlich eine Verurteilung erfolgen wird. • Ist das nicht der Fall, besteht kein hinreichender Tatverdacht, so wird das Verfahren eingestellt. RA S. Negm

  32. Verfahrenseinstellung wegen Geringfügigkeit - § 153 Abs. 1 StPO Voraussetzungen für eine solche Verfahrenseinstellung sind, dass • die Schuld des Täters gering ist und • kein öffentliches Interesse an einer Verfolgung besteht. • Die Staatsanwaltschaft kann in diesen Fällen im Rahmen des Opportunitätsprinzip das Verfahren einstellen. • Die Einstellung darf in der Regel erst nach Zustimmung des zuständigen Gerichtes erfolgen. Ausnahmen von dieser Zustimmungspflicht bestehen bei einfachen Vermögensdelikten und "geringen" Folgen der Tat. RA S. Negm

  33. Verfahrenseinstellung bei Erfüllung von Auflagen und Weisungen - § 153a StPO • Diese Verfahrenseinstellung setzt voraus • dass die Schwere der Schuld nicht entgegensteht und • ist nur bei einem Vergehen möglich. • Die Staatsanwaltschaft kann in diesen Fällen im Rahmen des Opportunitätsprinzip das Verfahren mit Zustimmung des zuständigen Gerichtes und des Beschuldigten einstellen. • Bei einfachen Vermögensdelikten mit geringem Schaden und "geringen" Folgen der Tat auch ohne Zustimmung des Gerichtes. • Im Gegensatz zur Einstellung nach § 153 StPO liegt hier ein öffentliches Interesse an einer Verfolgung vor. • Das Verfahren wird vorläufig unter Auflagen und Weisungen (§ 153a Abs. 1 Nr. 1-6 StPO) eingestellt. Diese müssen geeignet sein, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen. Erfüllt der Beschuldigte die Auflagen und Weisungen innerhalb des vorgesehen Zeitraumes ist das Verfahren endgültig einzustellen. RA S. Negm

  34. § 153 b i. V. m. § 46a StGB Täter Opfer Ausgleich • Beim sogenannten Täter Opfer Ausgleich bemüht sich der Sozialdienst der Justiz entsprechend einem ministeriellen Erlass einen Ausgleich (z. B. durch Zahlung von Schmerzensgeld an den Verletzten) zwischen dem geständigen Tatverdächtigen und dem Opfer herbeizuführen. Bei Erfolg wird das Verfahren eingestellt. Durch Konfrontation mit dem Opfer seiner Tat soll der Täter gebessert werden und lernen Verantwortung zu übernehmen. • Eine Einstellung des Verfahrens bietet sich auch an, wenn die Folgen der Tat den Beschuldigten bereits schwer getroffen haben (Beispiele: Bäckermeister erschießt beim unvorsichtigen Hantieren mit einer Schwarzpulverpistole an Silvester seinen einzigen Sohn; Eltern schnallen sich beim Skifahren ihren zweijährigen Nachwuchs auf den Rücken; abends müssen dem Kind beide Füße wegen Erfrierungen amputiert werden. Eine entnervte Mutter stürzt aus dem Badezimmer, um nach dem zweiten Kind zu schauen. Als sie zurückkommt, ist ihr Säugling in der Badewanne ertrunken). RA S. Negm

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