1 / 38

Das Gehirn und seine Wirklichkeit

Das Gehirn und seine Wirklichkeit. Kognitive Neurobiologie und ihre (polit-)philosophischen Konsequenzen Entstanden anlässlich des 2. Austrian Social Forum. Linz, Juni 2004 www.socialforum.at. Worum es hier geht….

presta
Télécharger la présentation

Das Gehirn und seine Wirklichkeit

An Image/Link below is provided (as is) to download presentation Download Policy: Content on the Website is provided to you AS IS for your information and personal use and may not be sold / licensed / shared on other websites without getting consent from its author. Content is provided to you AS IS for your information and personal use only. Download presentation by click this link. While downloading, if for some reason you are not able to download a presentation, the publisher may have deleted the file from their server. During download, if you can't get a presentation, the file might be deleted by the publisher.

E N D

Presentation Transcript


  1. Das Gehirn und seine Wirklichkeit Kognitive Neurobiologie und ihre (polit-)philosophischen Konsequenzen Entstanden anlässlich des 2. Austrian Social Forum. Linz, Juni 2004 www.socialforum.at

  2. Worum es hier geht… • Versuch eine begehbare Brücke zwischen Naturwissenschaft und Politik herzustellen. • Herausarbeitung des Unterschieds zwischen Wirtschaftspolitik (Sachzwanglogik) und eigentlicher Politik. • Klärung der Gestaltungsfreiräume einer anderen Politik zur weiteren Ausarbeitung konkreter Strategien.

  3. Neurobiologie • Beschäftigt sich mit der biologischen Funktionsweise des Nervensystems. • Versucht zu klären, warum unser Gehirn so funktioniert, wie es eben funktioniert. • Kognitiv: das Wissen betreffend. • Grundfrage: wie wird aus den messbaren Befunden Wissen?

  4. Philosophie • Liebe zur Weisheit, Weisheitsfreundlichkeit • Versucht zu plausiblen Urteilen über die Welt und das, was sie „zusammenhält“, zu gelangen. • Ohne genaue Kenntnis der Funktionsweise des Instruments, mit dessen Hilfe wir über die Welt urteilen, ist ernsthaftes Philosophieren fragwürdig.

  5. Politik • Das Rechtssystem (im weitesten Sinn) betreffende Beziehungsarbeit. • Politik wirkt immer auf die Beziehungen zwischen den Menschen. • Es geht immer um Stabilisierung oder um Veränderung des bestehenden Regelsystems. • Nicht alle Ergebnisse sind messbar. (Pst, Achtung, kurze Entführung in die Welt der Neuronen…)

  6. Anatomisches • Ein Nervensystem besteht aus mehreren Milliarden Neuronen (Nervenzellen), die in vielfältiger und meist sehr komplexer Weise miteinander verknüpft sind. • Das Nervensystem durchzieht den ganzen Körper.

  7. Das Neuron • Ein Neuron leitet über seine Oberfläche (Membran) einen elektrochemischen Impuls weiter. • Dieser Impuls wird über die Synapsen von einem Neuron zum nächsten weitergeleitet und bewirkt in dieser eine bestimmte Aktivität (hemmend oder erregend).

  8. Der neuronale Code • Optische, akustische, taktile, chemische Reize werden von den Rezeptoren in den neuronalen Code transformiert. • Alle Neuronen sprechen die selbe Sprache. • Im Prinzip können wir eine Melodie „sehen“ und ein Gemälde „riechen“.

  9. Konstruierte Information Konstruktion eines Bildes (Begriffes) aus verschiedenen bekannten Bestandteilen.

  10. Die Welt außerhalb der Wahrnehmung Wir nehmen nur einen bestimmten Teil der verfügbaren Informationen wahr. • Optisch: Elektromagnetische Wellen im Bereich von 400 bis 700 nm (sichtbares Licht). • Akustisch: Frequenzen im Bereich von 16 bis ca. 20.000 Hz. • Chemisch: nur die Signale, für die wir chemische Rezeptoren haben (bestimmte Dinge riechen bzw. schmecken wir nicht).

  11. Wir selektieren außerdem… • nach Bedeutung, • nach Vertrautheit • und wir beschäftigen uns in der Regel zu einem bestimmten Zeitpunkt nur mit einem Thema.

  12. … aber wir bringen auch etwas völlig Neues in die Welt • Unser Gehirn verarbeitet die Informationen, die es aus der Welt erhält, in dem es sie zueinander in Beziehung setzt – und damit neue Informationen erzeugt. • Wir können im Grunde nicht sagen, ob es diese Beziehungen in der Welt „draußen“ auch tatsächlich gibt. • Wir sehen z.B. Dreiecke (wir haben drei Punkte miteinander in Beziehung gesetzt) aber woher soll das Dreieck wissen, dass es ein Dreieck ist?

  13. Was „wissen“ diese Punkte voneinander?

  14. Die „Messfehler“ unseres Gehirns • Unser Gehirn hat nicht die „Aufgabe“ die Welt um uns – ähnlich wie eine Kamera – 1:1 abzubilden. • Unser Gehirn hat sich vielmehr darauf spezialisiert, uns so schnell wie möglich ein Urteil über die Situation zu liefern, in der wir uns befinden und in der wir überleben wollen. • D.h. das Gehirn filtert die für uns relevanten Informationen aus der Fülle des Angebots heraus und versieht diese mit Bedeutung.

  15. Messfehler 1: die Kontrastierung • Zusammenhängende Gestalten werden durch Randverstärkung hervorgehoben

  16. Ein Beispiel: Geist vs. Körper? • Geist und Körper sind ein Begriffspaar, das sich wechselseitig verstärkt. • Es macht nicht wirklich viel Sinn zwischen Geist und Körper zu unterscheiden. Die Wurzel muss die selbe sein. • Es macht vielmehr Sinn, den Geist im Körper und den Körper im Geist zu sehen. Das eröffnet Welten. • Darauf baut ein ganzheitliches Konzept von Würde auf.

  17. Noch ein Beispiel: Denken vs. Fühlen? • Ein Ergebnis von Gerhard Roths Untersuchungen: „Gefühle sind … konzentrierte Erfahrungen.“ • „Wer nicht fühlt, kann auch nicht vernünftig entscheiden und handeln.“

  18. Messfehler 2: Nivellierung • Komplementär zur Kontrastierung wird Ähnliches als Gleiches wahrgenommen. • Wirkt z. B. auf den „Wir“-Begriff

  19. Messfehler 3: Komplettierung • Fehlstellen in der Wahrnehmung werden ergänzt. Die Wirklichkeit ist immer geschlossen, „hermetisch“. • Eigentlich sollten wir die Welt folgendermaßen sehen:

  20. Dort, wo der Sehnerv den Augapfel verlässt sind keine Sinnesrezeptoren

  21. Das, worüber wir im Grunde nichts wissen können. Wir können nur annehmen, dass dort etwas passiert, was unser Gehirn zur weiteren Verarbeitung veranlasst. Wir können nie angeben, wie weit unsere Wirklichkeit tatsächlich noch von der Realität weg ist, inwieweit sie sich unterscheidet. Das, was unser komplettes Wissen ausmacht. Das, was (auf uns) „wirkt“. Unsere einzige Entscheidungsgrundlage. Wir können unsere Wirklichkeit der Realität bestenfalls durch Versuch und Irrtum annähern. Wirklichkeit ist gestaltbar. Realität und Wirklichkeit

  22. Radikaler Konstruktivismus Paul Watzlawick: „Für viele Menschen ist der radikale Konstruktivismus unannehmbar, ja geradezu skandalös. Sie halten ihn für eine aufgewärmte Form des Nihilismus. Ich behaupte, wenn es Menschen gäbe, die wirklich zu der Einsicht durchbrächen, dass sie die Konstrukteure ihrer eigenen Wirklichkeit sind, würden sich diese Menschen durch drei besondere Eigenschaften auszeichnen…

  23. Sie wären erstens frei, denn wer weiß, dass er sich seine eigene Wirklichkeit schafft, kann sie jederzeit auch anders schaffen.

  24. Zweitens wäre dieser Mensch im tiefsten ethischen Sinn verantwortlich, denn wer tatsächlich begriffen hat, dass er der Konstrukteur seiner eigenen Wirklichkeit ist, dem steht das bequeme Ausweichen in Sachzwänge und in die Schuld der anderen nicht mehr offen.

  25. Und drittens wäre ein solcher Mensch im tiefsten Sinne konziliant.“1 Viertens: vermutlich wäre sie oder er auch hochgradig kreativ. 1 - 1992, Vom Unsinn des Sinns oder vom Sinn des Unsinns

  26. Ein/e radikale/r KonstuktivistIn wäre also: • frei • verantwortlich • konziliant • kreativ

  27. Wir können durch Versuch und Irrtum feststellen, dass wir eine Wand nicht einfach so durchdringen können. Reale Grenzen können in der Regel mit technischen Hilfsmitteln überwunden werden. Haben wir keine Gelegenheit, diese Erfahrung zu machen, müssen wir sicherheitshalber dort Grenzen ziehen, wo wir uns nicht genau auskennen. (Fehlstellenergänzung!) Wirkliche Grenzen können dialogisch überwunden werden. Reale und wirkliche Grenzen

  28. Die Eigentümlichkeiten von Grenzen • Grenzen erkennt mensch daran, dass es ein Darüber-hinaus gibt, etwas, wozu mensch vorerst keinen Zugang hat. • Grenzen bilden den einzigen definitiven Bezugsrahmen, sie bieten die Grundorientierung. • Grenzen sind irgendwann uninteressant, sie werden Gewohnheitssache. • Wir gewöhnen uns an Unfreiheiten, selbst wenn sie unangenehm sind.

  29. Verantwortlichkeit • Meine Wirklichkeit gehört ganz allein mir. • Dort bin ich Souverän. • In ihr lebe ich, in ihr wohne ich, in ihr möchte ich mich ev. wohl fühlen. • Niemand hat das Recht zu gehorchen, also das Recht jemand anderen für die eigene Wirklichkeit verantwortlich zu machen.

  30. „Wahrheit“ • Objektive Wahrheit wäre die Realität, zu der wir allerdings keinen letztgültige Zugang haben. • Die uns zugängliche Wahrheit ist unsere Wirklichkeit, die allerdings immer nur subjektiv sein kann. • => Es gibt bestenfalls eine intersubjektive Wahrheit, die auf dialogischem Weg, durch kommunikativen Austausch von Wirklichkeiten zustande kommt.

  31. Diktat Herstellung von Faktizitäten durch den (möglichen) Einsatz von Gewaltmittel oder schlicht durch Unwissenheit. Können die Faktizitäten nicht mehr aufrecht erhalten werden, verfällt auch die „Wahrheit“ wieder. Vereinbarung Herstellung von Verbindlichkeiten durch Dialog. Die Vereinbarung wird von der Entscheidung der Beteiligten getragen und bleibt solange aufrecht, solange sich beide mit ihr identifizieren können. Zwei Wege der Wahrheitserzeugung

  32. Was heißt das alles für die Politik? • Missverständnisse sind die Regel. • Jede/r lebt in ihrer/seiner Wirklichkeit. • Jede/r hat ihre/seine individuelle Biographie. • Jede/r hat ihre/seine eigene Ausgangssituation. • Jede/r hat ihre/seine individuellen Interpretationsmethoden. • Jede/r sieht die Welt mit anderen Augen. • Jede/r hat ihren/seinen eigenen Weg. • Niemand hat das Recht zu gehorchen (Arendt).

  33. … und außerdem … • müsste der Politikbegriff mit diesen Grundlagen völlig neu gedacht werden. • Was heißt Souveränität mit diesen Vorzeichen? • Was Meinungsfreiheit? • Haben wir es mit bösen Feinden zu tun – oder mit Leuten, die wir nicht ausreichend verstehen? Bzw. mit solchen, denen wir uns nicht ausreichend verständlich gemacht haben?

  34. … und schließlich … • müssten wir uns selbst und unsere Mitmenschen ganzheitlich mitsamt ihren Unbekannten und Rätseln in unserer Welt willkommen heißen (entobjektivieren, sie aus ihren Rollen befreien). • Und Meinungsfreiheit nicht nur als das Recht sehen, meine Meinung zu äußern, sondern auch als das dazu komplementäre: das Recht, deine Meinung zu hören und ihr meine Meinung gegenüberzustellen. Wer weiß, was daraus wird?

  35. … denn: • Das Schwierige am Verstehen ist, dass wir das Vorhandensein und das Ausmaß konsensueller Bereiche nicht unmittelbar erkennen. • Das Wissen darüber, ob und inwieweit Menschen sich verstehen, muss ebenso durch Versuch und Irrtum in selbstreferentieller Weise ausgelotet werden wie Bedeutung. • Ich teste mit jedem Satz und jeder Geste, ob meine PartnerIn mich verstanden hat oder nicht, und sie oder er tut dies vermutlich genauso. • Die Selbstreferentialität dieses Prozesses besteht darin, dass ich als Kommunikationspartner derjenige bin, der darüber entscheiden muss, ob Kommunikation gelingt oder nicht, und dabei kann ich mich irren (vgl. Roth, 336).

  36. Chancen • Die Welt ist vielfältiger als wir gemeinhin denken. Wesentlich vielfältiger. • Die Welt bietet wesentlich mehr Chancen als wir geneigt sind anzunehmen. • Die Welt und ihre weitere Entwicklung ist nicht absehbar – weder negativ noch positiv. • Es liegt definitiv in unserer Verantwortung, was aus ihr wird.

  37. Trotzdem Hoffnung Die Tatsache, dass der Mensch zum Handeln im Sinne des Neuanfangs begabt ist, kann daher nur heißen, dass er sich aller Absehbarkeit und Berechenbarkeit entzieht, dass in diesem einen Fall das Unwahrscheinliche selbst noch eine gewisse Wahrscheinlichkeit hat, und dass das, was ‚rational‘, d.h. im Sinne des Berechenbaren, schlechterdings nicht zu erwarten steht, doch erhofft werden darf“ (Hannah Arendt, Vita Activa, 217).

  38. Danke für die Aufmerksamkeit!

More Related