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Friedrich-Schiller-Universität Jena SS 2010

Friedrich-Schiller-Universität Jena SS 2010. Vorlesung Europarecht Prof. Dr. Christoph Ohler, LL.M. § 9 Grundrechte und Grundfreiheiten. I. Grundrechte Grundrechtsquellen GRCh Niedergelegt als rechtlich verbindliches Protokoll zum EUV

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Friedrich-Schiller-Universität Jena SS 2010

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  1. Friedrich-Schiller-UniversitätJenaSS 2010 Vorlesung Europarecht Prof. Dr. Christoph Ohler, LL.M.

  2. § 9 Grundrechte und Grundfreiheiten • I. Grundrechte • Grundrechtsquellen • GRCh • Niedergelegt als rechtlich verbindliches Protokoll zum EUV • Verweis GrCh in Art. 6 Abs. 1 EUV: Gleichrang zwischen Verträgen und Charta • Allgemeine Rechtsgrundsätze (ungeschrieben) • Anerkannt durch Art. 6 Abs. 3 EUV • Erkenntnisquellen: EMRK und gemeinsame Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten • Rang von Primärrecht • Ausgeformt durch Rechtsprechung des EuGH • Verpflichtungsadressaten • Organe und Einrichtungen der Union • Mitgliedstaaten, soweit sie Unionsrecht durchführen, Art. 51 Abs. 1 GrCh • Beachte: im Übrigen sind MS durch ihre nationalen Grundrechte gebunden • Berechtigte: Unionsbürger bzw. alle Menschen, juristische Personen soweit nach GrCh umfasst • Grundrechtsprüfung • Eingriff in den Schutzbereich • Vorliegen eines Gemeinwohlziels • Verhältnismäßigkeit des Eingriffs • Wesensgehaltsgarantie

  3. § 9 Grundrechte und Grundfreiheiten • II. Unionsbürgerschaft • EuGH: Grundlegender Status der Angehörigen der Mitgliedstaaten (Rs. C-184/99, Grzelczyk, Rn. 30, 31) • Historische Entwicklung: Einführung durch Vertrag von Maastricht (1992) • Komplementärer Charakter, Art. 9 Abs. 1 Satz 2 u. 3 EUV iVm Art. 20 Abs. 1 AEUV • Unionsbürgerschaft ergänzt nationale Staatsbürgerschaft • Unionsbürger ersetzt nicht nationale Staatsbürgerschaft • Erwerb der Unionsbürgerschaft • Durch Erwerb der Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats • Freiheit der MS, nach welchen Regeln sie ihre Staatsangehörigkeit verleihen (ius soli bzw. ius sanguinis; Naturalisation) • Beibehaltung der Staatsangehörigkeit eines Drittstaats ist schadlos (keine Eingrenzung durch sog. genuine link Erfordernis) • Drittstaatsangehörige sekundärrechtlich geschützt ab Zeitpunkt ihrer Heirat mit Unionsbürger • Art. 3 RL 2004/38 (vgl. hierzu Rs. C-127/08, Metock) • Rechte der Unionsbürger • Siehe Katalog des Art. 20 Abs. 2 AEUV • Einzelregelungen durch Art. 18, 21, 22, 23, 24 AEUV

  4. § 9 Grundrechte und Grundfreiheiten • III. Spezielles Diskriminierungsverbot, Art. 18 AEUV • Verbot der Diskriminierung anhand des Merkmals der Staatsangehörigkeit • Adressaten: Mitgliedstaaten, Gemeinschaftsorgane, private Verbände mit allgemeiner Regelungsmacht • Art. 18 AEUV ist lex generalis, d.h. Spezialregelungen des Vertrags gehen vor (insbesondere Diskriminierungsverbote der Grundfreiheiten) • Voraussetzung: rechtmäßiger Aufenthalt eines Unionsbürgers im Hoheitsgebiet des Aufnahmestaates • Folge: Inländerdiskriminierung nicht erfasst • „im Anwendungsbereich des Vertrages“ • EuGH: sachlicher Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts: Primärrecht (z.B. Grundfreiheiten oder Freizügigkeit gem. Art. 21 AEUV) und Sekundärrecht • persönlicher Anwendungsbereich muss nicht eröffnet sein • Unmittelbare Diskriminierungen • Regelungen, die als Unterscheidungsmerkmal ausdrücklich an die Staatsangehörigkeit anknüpfen • Mittelbare Diskriminierungen • Regelungen, die an andere Unterscheidungsmerkmale als die Staatsangehörigkeit anknüpfen, sich aber faktisch ebenso auswirken • Beispiel: Wohnsitz

  5. § 9 Grundrechte und Grundfreiheiten • III. Spezielles Diskriminierungsverbot, Art. 18 AEUV • Beachte Rechtsprechung EuGH: z.T. auch Anwendung eines allgemeinen Diskriminierungsverbots (Rs. C-148/02, Garcia Avello, Rn. 31) • Rechtfertigung von Diskriminierungen • Jedenfalls bei mittelbaren Diskriminierungen stets möglich • Aber: Ungleichbehandlung nur aufgrund objektiver Umstände und unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit zulässig • Beispiele • Erfordernis einer gewissen Integration in die Gesellschaft eines Staates als Voraussetzung einer Studienbeihilfe • Leistungsgrenze des Staates bei übermäßiger Belastung der Sozialsysteme erreicht • Beachte spezielle Rechtfertigungsgründe bei den Diskriminierungsverboten der Grundfreiheiten, z.B. Art. 45 Abs. 3; Art. 52 AEUV • Praktische Beispiele: Sozialrecht • Zahlung von Erziehungsgeld an langjährig Arbeitslose (Rs. C-85/96, Sala) • Zahlung des „Existenzminimums“ an Studenten (Rs. C-184/99, Grzelczyk) • Zahlung einer Ausbildungsbeihilfe an Studenten (Rs. C-209/03, Bidar) • Voraussetzung in diesen Fällen aber „Integration bis zu einem gewissen Grad in die Gesellschaft des Aufnahmestaates“ • Rs. C-158/07, Förster: fünf Jahre Aufenthalt sind keine unverhältnismäßige Anforderung im nationalen Recht

  6. § 9 Grundrechte und Grundfreiheiten • IV. Recht auf Freizügigkeit, Art. 21 AEUV • Unmittelbar anwendbares, subjektives Recht des Unionsbürgers • Besteht unabhängig von der Ausübung wirtschaftlicher Tätigkeiten • Schüler, Studenten, Arbeitslose, Rentner etc daher ohne weiteres erfasst • Beinhaltet Wegzugsrecht aus Herkunftsstaat • Beinhaltet Einreiserecht in Aufnahmestaat • Beinhaltet Aufenthaltsrecht im Aufnahmestaat • Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung hat nur deklaratorische Bedeutung • Aufenthaltsrecht schließt Bewegungsfreiheit ein • Aufenthaltsgrund unerheblich • Schutz gegen Beendigung des Aufenthaltsrechts • Wortlaut: „vorbehaltlich der in diesem Vertrag und den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen“ • Lit.: Verweis auf sekundärrechtliche Regelungen • EuGH: Prüfung anhand primärrechtlich anerkennungsfähiger Einschränkungsgründe, die aber verhältnismäßig ausgestaltet und angewendet werden müssen

  7. § 9 Grundrechte und Grundfreiheiten • V. Wahlrecht des Unionsbürgers, Art. 22 AEUV • Wahlen zu den Kommunalvertretungen • Aktives und passives Wahlrecht • Konkretisiert durch RL 94/80/EG • Wahlen zum Europäischen Parlament • Aktives und passives Wahlrecht • Konkretisiert durch RL 93/109/EG • VI. Diplomatischer und konsularischer Schutz, Art. 23 AEUV • Ausübung nicht nur durch Heimatstaat (wie völkerrechtlich vorgesehen), sondern auch durch einen anderen Mitgliedstaat der EU • Zweck: Verbesserung/Stärkung des diplomatischen Schutzes in Ländern, in denen der Gebietsstaat keine diplomatischen Vertretungen unterhält • Möglich nur im Hoheitsgebiet eines dritten Landes • Beachtung: Anerkennung durch Drittland erforderlich; keine Pflicht des Drittlandes zur Anerkennung (faktisch aber meist gewährt)

  8. § 9 Grundrechte und Grundfreiheiten • VII. Die Grundlagen des Binnenmarktes, Art. 26 AEUV • Verankerung im (damaligen) Gemeinschaftsrecht durch die EEA (1986) • Ursprüngliche Ziele • Beseitigung der sog. materiellen Schranken • Warenkontrollen • Personenkontrollen • Beseitigung nichttarifärer Handelshemmnisse • Technische Hemmnisse für den Warenverkehr • Öffentliches Beschaffungswesen • Weitere Maßnahmen • Beseitigung der Steuerschranken • Mehrwertsteuer • Verbrauchsteuern • Weitere Ziele • Wettbewerbsgleichheit durch Rechtsangleichung • Regulierung wichtiger Wirtschaftszweige • Entwicklung von Solidaritätspflichten zwischen Mitgliedstaaten

  9. § 9 Grundrechte und Grundfreiheiten • VII. Die Grundlagen des Binnenmarktes, Art. 26 AEUV • Art. 26 Abs. 2 AEUV: Binnenmarktdefinition • Primärrechtliche Verwirklichung durch die Grundfreiheiten • Prinzip der gegenseitigen Anerkennung („Herkunftslandprinzip“); Grundlage: sog. Cassis-Rspr. des EuGH • Abbau der Personenkontrollen durch sekundärrechtliche Regelung • Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ), 1990 • Einbeziehung in den Rahmen der EU, 1997; heute auf Grundlage von Art. 62 AEUV: VO (EG) Nr. 562/2006 („Schengener Grenzkodex“) • Weitere sekundärrechtliche Verwirklichung durch Rechtsangleichung, z.B. auf Grundlage von Art. 114 AEUV • Ursprünglicher Ansatz: „Voll-“ oder „Totalharmonisierung“ • Sog. „Neue Strategie“ • Mindestharmonisierung und Freiverkehrsklauseln • horizontale Richtlinien mit allgemeinen, produktübergreifenden Rahmenregelungen • Z.T. sektorspezifische, stark detaillierte Regelungen

  10. § 9 Grundrechte und Grundfreiheiten • VIII. Grundfreiheiten als leges speciales zur Unionsbürgerschaft • Vier Grundfreiheiten • Warenverkehrsfreiheit (Art. 34 ff. AEUV) • Freier Personenverkehr • Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 ff. AEUV) • Niederlassungsfreiheit (Art. 49 ff. AEUV) • Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 ff. AEUV) • Kapital- und Zahlungsverkehrsfreiheit (Art. 63 ff. AEUV) • Ziele • Institutionell: Verwirklichung des Binnenmarktes • Individuell: Freiheitsverwirklichung für den Einzelnen • Instrumente • Diskriminierungsverbot (hierzu siehe oben!) • Beschränkungsverbot

  11. § 9 Grundrechte und Grundfreiheiten • IX. Funktionen der Grundfreiheiten • Berechtigte der Grundfreiheiten: Subjektiv-öffentliche Rechte • unmittelbar wirkende Rechtssätze, die private Individuen berechtigen und • einklagbare Rechtspositionen begründen (dezentrale Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts) • Kreis der berechtigten Personen (persönlicher Anwendungsbereich) ergibt sich aus der einzelnen Grundfreiheit • Verpflichtete der Grundfreiheiten: vertikale Kompetenzdimension • Grundfreiheiten als materielle Kompetenzausübungsschranken gegenüber den Mitgliedstaaten • Anwendbarkeit auch in Bereichen, die in die ausschließliche Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen • Kontrolle durch nationale Gerichte (als „funktionale Gemeinschaftsgerichte“) • Beachte: Verstoß führt nicht zur Nichtigkeit nationalen Rechts, sondern zur Unanwendbarkeit (Anwendungsvorrang) • Verpflichtete der Grundfreiheiten: horizontale Kompetenzdimension • Bindung der supranationalen Legislative (Gemeinschaftsgesetzgeber) an Grundfreiheiten • Kontrolle durch die supranationale Gerichtsbarkeit (Verwerfungsmonopol des EuGH gegenüber Sekundärrecht)

  12. § 9 Grundrechte und Grundfreiheiten • IX. Funktionen der Grundfreiheiten • Bindung einzelner Private an die Grundfreiheiten? • Rechtsgrund und Umfang der Bindung umstritten • Literatur • Grundsätzlich keine Bindung mangels Regelung im AEUV • Schutz der Privatautonomie schließt Bindung (weitgehend) aus • EuGH • EG-Vertrag steht einer Bindung Privater nicht entgegen • Allgemeine Bedeutung des Diskriminierungsverbots • Unstreitig akzeptiert ist, dass • Maßnahmen privater Verbände, die kollektive Regelungsmacht genießen, am Beschränkungsverbot zu messen sind • Grund: faktische, dem Staat vergleichbare Regelungsgewalt • Beispiele: Sportverbände; Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände

  13. § 9 Grundrechte und Grundfreiheiten • X. Beschränkungsverbot • Alle Grundfreiheiten enthalten ein Beschränkungsverbot • Z.T. ausdrückliche Regelung seit Vertrag von Amsterdam („Beschränkungen sind verboten“) • Z.T. durch EuGH bereits richterrechtlich entwickelt • Speziell im Warenverkehr: Dassonville-Formel • Voraussetzungen • Jede Maßnahme, die eine „abschreckende Wirkung“ auf den Berechtigten ausüben bzw. Personen vom Gebrauch der Grundfreiheiten abhalten kann, die die „Wirksamkeit oder Attraktivität“ eines Gebrauchs der Grundfreiheiten verringert oder den Betroffenen zusätzliche Kosten verursacht • Zurechenbarkeit an einen Verpflichteten (Mitgliedstaat oder Union) • Umfang • Der Umfang des Beschränkungsverbots ist str. • EuGH: ausdrückliche Eingrenzung nur im Bereich der Warenverkehrsfreiheit (sog. „Verkaufsmodalitäten“) • Lit.: Z.T. wird gefordert, Beschränkungen nur hinsichtlich der den Marktzugang regelnden und den Markteintritt behindernden Maßnahmen anzunehmen

  14. § 9 Grundrechte und Grundfreiheiten • XI. Rechtfertigung • Geschriebene Rechtfertigungsgründe • Art. 36, 45 Abs. 3, Art. 52 (auch iVm. Art. 62), 65 Abs. 1 AEUV • Nicht anwendbar, wenn EG sekundärrechtliche Regelungen im fraglichen Bereich erlassen hat • Gemeinschaftsrechtliche Interpretation der Tatbestände • Grundsatz der engen Auslegung • insb. „öffentliche Sicherheit und Ordnung“ nur anwendbar bei staatlichen Interessen von fundamentaler Bedeutung • Ungeschriebene Rechtfertigungsgründe • Sog. „zwingende Gründe des Allgemeininteresses“ durch den EuGH richterrechtlich entwickelt • Anwendbar nur auf das Beschränkungsverbot • Grundsätzlich jeder gemeinschaftsrechtlich legitime öffentliche Belang • Beispiele • Verbraucherschutz; Lauterkeit des Handelsverkehrs; Umweltschutz • Schutz von Gemeinschaftsgrundrechten (Laserdrome-Fall; Brennerblockade) • Nicht: wirtschaftliche Gründe • z.B. Einbußen für staatliche Haushalte • Z.B. Schutz einheimischer Industrien (Grund: Verhinderung von Protektionismus)

  15. § 9 Grundrechte und Grundfreiheiten • XII. Verhältnismäßigkeit der Beschränkung • Legitimes Ziel (s.o.) • Entscheidung über Höhe des Schutzniveaus steht im Ermessen des Mitgliedstaats • Geeignetheit • Nicht: bei fehlender Kohärenz der innerstaatlichen Regelung • Nicht: bei in sich widersprüchlicher Regelung • Erforderlichkeit • Besteht ein gleich wirksames, weniger einschneidendes Mittel? • Beispiel: im Verbraucherschutz Etikettierung statt Verkehrsverbot • Beispiel: gegenseitige Anerkennung statt Durchsetzung eigener Qualifikationserfordernisse • Angemessenheit • Unklar, ob und in welchem Umfang der EuGH eine Angemessenheitsprüfung vornimmt • Recht zur Festlegung des Schutzniveaus (s.o.) steht einer Abwägung an sich entgegen

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