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Vertragsentstehung Formation of contracts. Grundzüge des Rechts für Bauwissenschaften und Architektur An Introduction to Law. G é rard Hertig (ETH Zurich) www.hertig.ethz.ch. Herbst 2014 ‚Skript‘: Dieth 2, 7-49, 63, 81. GZ Kursziel What the course is about.
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VertragsentstehungFormation of contracts Grundzüge des Rechts für Bauwissenschaften und Architektur An Introduction to Law Gérard Hertig (ETH Zurich)www.hertig.ethz.ch Herbst 2014 ‚Skript‘: Dieth2, 7-49, 63, 81
GZ KurszielWhat the course is about • Grundzüge sowie Zusammenhänge verstehenUnderstanding legal basics and complementarities • Beispiele sowie vergleichende AspekteExamples and comparative perspectives • Was steht dahinter, ökonomisch sowie politischTaking into account efficiency and politics • Mit Juristen besser arbeiten zu könnenMaking it easier to work with lawyers
Themen / Topics • Vertragsrecht (Vertragsentstehung und -verletzung) • Recht der ausservertraglichen Schädigung (unerlaubte Handlung, Haftungsbegrenzung) • Zivilprozessrecht • Verfassungsrecht (Staatsaufgaben, Grundrechte) • Verwaltungsrecht sowie -verfahrensrecht • Strafrecht sowie Strafprozessrecht
Skript / Course Text • Eric Dieth, OR kompakt, Helbing Lichtenhahn Verlag, Basel, 2. Aufl. 2012 • Axel Tschentscher / Andreas Lienhard, Öffentliches Recht: Ein Grundriss, Zürich, 2011 ****** Weitere Informationen / Further Information www.hertig.ethz.ch
Inhaltsverzeichnis 22.09Course Outline • Einführung: Recht und Gesellschaft • „Recht“: Quellen, Träger, Erwerb • Privat- und öffentliches Recht • Was ist ein Vertrag ? • Freiheit im Vertragsrecht: Verhandlungen, Vertragsstruktur, - form und –inhalt • Konsens der Parteien • Vertretung und Übertragbarkeit
1. Recht und Gesellschaft Law and Society Das Bedürfnis für Strukturen & NormenThe need for structures and normsBeispiel : „Primitive“ Kulturen Die Ausdrucks-, Impuls- und Durchsetzungsfunktion des RechtsExpressive, catalyst and enforcement function of lawBeispiel : Zigarettenrauchen im Restaurant Baubewilligung G. Hertig 6
‘Rechtsstaat’Rule of Law Rolle der VerfassungThe Constitution‘s RoleBeispiel: Grundrechte Gesetzgeber werden gewähltElection of law-makers Endgültiger Entscheid durch GerichteCourts have the final sayBeispiele: U.S. Supreme Court Schweizerisches Bundesgericht? Deutsches Bundesverfassungsgericht? G. Hertig 7
2. RechtsquellenWhere is law found ? • Kodifikation StatutesBeispiel : ZGB, OR, ZPO • Gerichtsentscheidungen Case LawBeispiel: Common law, Verwaltungsrecht • Soziale Normen ? Social Norms ?Beispiel: Usanzen G. Hertig 8
Wer hat „Rechte“ Who has „rights“ • Natürliche (physische) PersonenIndividuals • Juristische PersonenLegal EntitiesBeispiel: AG, GmbH, Stiftungen • Der Staat als Kompetenzträger Powers ofthe StateBeispiel: Armee, Umwelt, Steuern G. Hertig 9
Schweizerisches Zivilgesetzbuch (ZGB) Art. 12 ZGB : Handlungsfähigkeit Wer handlungsfähig ist, hat die Fähigkeit, durch seine Handlungen Rechte und Pflichten zu begründen. Art. 13 ZGB : Voraussetzungen Die Handlungsfähigkeit besitzt, wer volljährig und urteilsfähig ist.
Wie erhält man „Rechte“ Howdoesoneget „rights“ • Gesetz und VertragRegulation and contracts Beispiele: AHV, Wohnung • Materielle- / Verfahrensrechte – LegitimationSubstantive / Procedural rights – StandingBeispiele: Eigentum / Rechtliches Gehör, geschützte Interessen G. Hertig 11
3. Privatrecht ▬ Öffentliches RechtPrivate Law ― Public Law • Staatliche Kompetenzen + Organisation ↔Staat – Privatpersonen ↕Privatperson – Privatperson ↔State powers + organizationState – Private personsPrivate persons – Private persons • Rolle des öffentlichen InteressesRole of the public interest • In jedem Fall / In every situation • Nur im Allgemeinen / Only from an overall perspective G. Hertig 12
Funktion des PrivatrechtsPrivate Law’s Function • Privatautonomie /Freedom to choose • Dispositives, bzw. zwingendes RechtDefault, resp. mandatory normsBeispiel: Vertrag → Insolvenz → Scheidung • Minimierung der TransaktionskostenMinimizing transaction costs • Risikoallokation/Allocating risks • Schutz der schwächeren ParteiProtecting the weak G. Hertig 13
4. Was ist ein Vertrag ?Defining Contracts Schuldverhältnisse (Förderung/Schuld)Set of obligations Zwischen zwei oder mehreren ParteienBetween two or more parties Ansprüche auf ErfüllungLegally enforceable Schadenersatz für mangelnde ErfüllungFailure to perform gives a right to damages G. Hertig 14
Abschluss des Vertrags(Art. 1 OR, Dieth S. 7) Zum Abschluss eines Vertrages ist die übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung der Parteien erforderlich Der Vertrag als typische Form des Rechtsgeschäfts verpflichtet nur die Vertragsparteien → G. Hertig 15
CH: Obligationenrecht (OR) Art. 1 Abschluss des Vertrages : Übereinstimmende Willensäusserung 1 Zum Abschlusse eines Vertrages ist die übereinstimmende gegenseitige Willens-äusserung der Parteien erforderlich. 2 Sie kann eine ausdrückliche oder stillschweigende sein. Art. 2: Betreffend Nebenpunkte 1 Haben sich die Parteien über alle wesentlichen Punkte geeinigt, so wird vermutet, dass der Vorbehalt von Nebenpunkten die Verbindlichkeit des Vertrages nicht hindern solle. 2 Kommt über die vorbehaltenen Nebenpunkte eine Vereinbarung nicht zustande, so hat der Richter über diese nach der Natur des Geschäftes zu entscheiden.
Relativität des SchuldverhältnissesPrivity of Contracts (Dieth 2) • Nur die Parteien sind am Vertrag berechtigt und verpflichtetRights and obligations are attached to the parties alone • Vertrag zugunsten DritterContract for the benefit of third partiesBeispiel : Eröffnung eines Bankkontos auf den Namen und zugunsten des Ehegatten • ≠ Absolute RechteRights protected ergaomnesBeispiele: Eigentum, Geistiges Eigentum, Persönlichkeitsrechte G. Hertig 17
5. Freiheit im VertragsrechtFreedom of Contracts (Dieth45, 47-49) • Freiheit betreffend Abschluss, Inhalt, Folgen der Nichterfüllung, AufhebungFreedom to enter and to decide content, consequences of non-performance or termination • Allgemeine BeschränkungenPrototypical constraints • Behördliche Bewilligung (z.B. Verkauf an Ausländer)Regulatory approval • Fehlerfreie Verfahren/ Proper procedures • Inhalt ?/ Content ?→ zwingende Vorschriften, öffentliche Ordnung, Widerrechtlichkeit→ mandatory provisions, public order, unlawfulness Umsetzung: Nichtigkeit, Unverbindlichkeit, Anwendung von gesetzlichen RegelnRemedies: Void, Non-binding, Rule substitution G. Hertig 18
Grundsatz der Vertragsfreiheit(Dieth 45) • Der Grundsatz der Freiheit ist einen der tragenden Pfeiler der privatrechtlichen Grundfreiheiten • Die Vertragsfreiheit setzt sich aus 5 Teilgehalten zusammen: • Die Abschlussfreiheit: das Recht einen Vertrag abzuschliessen sowie das Recht keinen Vertrag abschliessen zu müssen • Die Partnerwahlfreiheit • Die Aufhebungsfreiheit: die Freiheit, einen geschlossenen Vertrag durch Vereinbarung wieder aufzuheben oder inhaltlich zu ändern • Die Formfreiheit • Die Inhaltsfreiheit G. Hertig 19
Inhalt des Vertrages und Nichtigkeit • Inhalt des Vertrages (Art. 19 OR) • Der Inhalt des Vertrages kann innerhalb der Schranken des Gesetzes beliebig festgestellt werden. • Von den gesetzlichen Vorschriften abweichende Vereinbarungen sind nurzulässig • wo das Gesetz nicht eine unabänderliche Vorschrift aufstellt oder • die Abweichung nicht einen Verstoss gegen die öffentliche Ordnung, gegen die guten Sitten oder gegen das Recht der Persönlichkeit in sich schliesst. • Nichtigkeit des Vertrages (Art. 20 OR) • Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig. • Betrifft aber der Mangel bloss einzelne Teile des Vertrages, so sind nur diese nichtig, sobald nicht anzunehmen ist, dass er ohne den nichtigen Teil überhaupt nicht geschlossen worden wäre. G. Hertig 20
KontrahierungszwangObligation to contract (Dieth 45-46) • Aufgrund öffentlich-rechtliche BestimmungenBased upon public law • Versorgungsleistungen (Elektrizität, Wasser, Gas, Fernmeldeverkehr)Basic supply (power, water) • Eisenbahnen/Railroads • Post • Anwälte (Pflichtverteidigung)/ Attorney (compulsory representation) • Marktbeherrschung/ Dominant position • Kartell oder individuelles Unternehmen / Cartel or individual firm • Marktgerechte und branchenübliche Verträge / Market-based and standard contracts • Persönlichkeitsrecht / Personality rights • Für den Normalbedarf allgemein und öffentlich angebotenOffered commonly and publicly for normal use • Starke Marktstellung des Anbieters / Supplier has strong market position • Kein sachlich gerechtfertigten Grund für die VerweigerungNo material ground for refusal to supply Beispiel N°1 G. Hertig 21
Beispiel 1: Vertragsabschlussverweigerung • Die Post ist eine selbständige Anstalt des öffentlichen Rechts mit Rechtspersönlichkeit. • Die Kundenbeziehungen sind dem Privatrecht unterstellt. • Der Verein gegen Tierfabriken versuchte bei der Hauptpost St. Gallen • zwei seiner Publikationen (mit Berichten über die Tierhaltung in der Landwirtschaft) • als unadressierte Massensendung • zur Versendung an alle Haushaltungen zu übergeben. • Die Post lehnte den Versand ab.
Beurteilung (siehe auch BGE 129 III 35 - 2002) • Zur Erhaltung einer vielfältigen Presse kann für unadressierten Massensendungen eine Transportpflicht bestehen. • Einschränkungen der Vertragsabschlussfreiheit haben außerhalb von ausdrücklichen gesetzlichen Anordnungen Ausnahmecharakter. • Hier ist eine Kontrahierungspflicht nur gerechtfertigt wenn vier Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind: • Ein Unternehmer bietet seine Waren oder Dienstleistungen allgemein und öffentlich an. Der Bereich des rein privaten Güteraustausches ist ausgenommen. • Es geht um Güter und Dienstleistungen die zum Normalbedarf gehören, d.h. die praktisch jedermann zur Verfügung stehen und im Alltag in Anspruch genommen werden. Eine Beschränkung auf lebenswichtigeGüter und Leistungen wäre zu eng. • Dem Nachfrager fehlen aufgrund der starken Machtstellung des Anbieters zumutbare Ausweichmöglichkeiten. Dies ist der Fall wenn entweder nur ein einziger Anbieter zureichend erreichbar ist, oder wenn sich alle in Frage kommenden Anbieter gegenüber dem Interessenten gleichermaßen ablehnend verhalten. • Der Anbieter hat keine sachlich gerechtfertigten Gründe angegeben. Der Hinweis der Post, die Publikationen würden ihrem Ruf schaden, weil viele Landwirte darin namentlich kritisch erwähnt würden, ist nicht überzeugend. Es ist allgemein bekannt, dass sich die Leistungen der Post auf die bloße Verteilung von Sendungen jeglicher Art bezieht und beschränkt. Mit dem redaktionellen Inhalt wird die Post nicht identifiziert. • Unter diesen Umständen: Weigerung der Post = Verstoß gegen die guten Sitten.
5a. VertragsverhandlungenNegotiations (Dieth30-34) • Treu und Glauben /Good Faith • Informationspflicht /Duty to inform • Allgemein / In general • Konsumenten, Investoren, etc. / Consumers, investors, etc • Verletzung der Pflichten im Vorstadium des VertragesCulpa in contrahendo • Rolle der Umstände des EinzelfallsSpecific circumstances are crucial • Nichtzustandekommen eines Vertrages → Schadenersatz (Beispiel 2)Contract is not entered into → Damages • Nachteiliger Vertragsabschluss → Aufhebung des Vertrages (Beispiel 3)Contract is to the detriment of one party → Termination G. Hertig 24
Verhalten nach Treu und Glauben(Dieth 30-31) • Pflicht zu ernsthaftem Verhandeln:Die Parteien müssen die Verhandlungen gemäss ihrer wirklichen Absicht führen • Pflicht zu Rücksichtnahme:Krasses Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung • Pflicht zu täuschungsfreiem Verhalten • Aufklärungspflicht betreffend Tatsachen welche die Gegenpartei nicht kennt und nicht zu kennen verpflichtet ist • Verpflichtung wahre Auskünfte zu geben und die Herbeiführung von Willensmängeln beim Vertragspartner zu vermeiden • Bekannte Mangel müssen der Gegenpartei angezeigt werden G. Hertig 25
Culpa in Contrahendo(Dieth 31) • Verstoss gegen die Pflicht zu einem Verhalten gemäss Treu und Glauben → Schaden → Verursacher muss hierfür einstehen • Die Haftung ist erfüllt wenn: • Es werden Verhandlungen über einen zukünftigen Vertrag geführt • Vorvertragliche Pflichten werden verletzt • Eine der Verhandlungsparteien erleidet einen Schaden • Der Schaden geht adäquat-causalaus der Pflichtverletzung hervor • Der Schaden ist dem Verschulden der schädigenden Person zuzuschreiben G. Hertig 26
Beispiel 2 : Kein Vertrag A. wollte Videogeräte vermieten und die abzuschließenden Geschäfte durch eine Bank finanzieren lassen. Ende September 2010 wurden ihm von der Bank B der Entwurf eines Vertrages unterbreitet. Ab Anfang Oktober 2010 finanzierte die Bank B gemäß diesem Entwurf 80 Mietverträge. Am 8. Dezember 2010 fand auf Verlangen der Bank B eine Besprechung statt. Es wurde dabei erklärt, der Vertragsentwurf könnte angesichts der rechtlich kaum haltbaren Faustpfandklausel von der Direktion nicht genehmigt werden. Die Bank weigerte sich daraufhin, weitere Mietverträge zu finanzieren. G. Hertig 27
Beurteilung (siehe auch BGE 105 II 75 – 1979) • Die Bank B hat • mit A während Monaten verhandelt. • schon Ende September 2010 Mietverträge finanziert. • Ihren Willen, die Vereinbarung gegenzuzeichnen, änderte die Bank B erst, alsderen Direktion anfangs Dezember 2010 die Zustimmung verweigerte. • Dass diese Genehmigung notwendig war, wurde A nicht bekanntgegeben. • Widerspricht es Treu und Glauben, die Verhandlungen unbekümmert um interne Befugnisse fortzuführen, das Zustandekommen des Vertrages dann aber an der Genehmigung durch die Direktion scheitern zu lassen? G. Hertig 28
Beispiel 3 : Nachteiliger Vertragsabschluss Die Baugesellschaft X holte Angebote ein für die Herstellung vorfabrizierter Betonelemente zu einem Einfamilienhaus. Sie vergab diese Arbeiten durch Werkvertrag vom 11. Januar 2011 der Y Betonwerk AG zu dem von ihr verlangten Preis von Fr. 90‚000. (Weitere Bewerber hatten auf Fr. 125‘000 → 160‘000 lautende Angebote gemacht. Die interne Berechnung der Baugesellschaft X hatte einen Richtpreis von Fr. 125'000 ergeben) Am 23. Mai 2011 teilte die Y Betonwerk AG mit, sie habe die Stückpreise der Fassadenplatten versehentlich auf Grund einer Höhe der Elemente von 0,53 m statt von 2,32 m berechnet. Sie verlangte die Erhöhung der Preise für die Platten von Fr. 16‚500 auf Fr. 70‘000. Die Baugesellschaft X lehnte die verlangte Erhöhung ab. Die Y Betonwerk AG klagte daher auf Nachzahlung von Fr. 50.000. G. Hertig 29
Beurteilung (siehe auch BGE 102 II 81 – 1976) Y. Betonwerk AG meint, die Baugesellschaft X sei verpflichtet gewesen, den Unterschieden zwischen den Angeboten nachzugehen. Der Unterschied zwischen dem Gesamtbetrag des Angebotes der Y. Betonwerke AG und dem nächsthöheren überstieg das im Baugewerbe vorkommende übliche Mass nicht. Y. Betonwerk AG war selber in der Lage, den ihr unterlaufenen Fehler aufzudecken ‚Culpa in contrahendo‘ setzt voraus, dass der Gegenpartei etwas verschwiegen wird, das sie nicht kennt und nicht zu kennen verpflichtet ist Handelt die Partei, die bei Vertragsverhandlungen nicht nach Irrtümern des Gegners forscht (die dieser bei gehöriger Aufmerksamkeit selber wahrnehmen könnte), gegen Treu und Glauben? G. Hertig 30
5b. Vertragsstruktur Structuring contracts Präambel und Definitionen Preamble and Definitions Ziel und Reichweite Purpose and scope Obligationen und GarantieObligations and Warranties Dauer und Rechtsstreit Duration and Litigation G. Hertig 31
5c. FormvorschriftenFormal Requirements (Dieth 25-30) Grundsatz der Formfreiheit in allen RechtsordnungenGeneral principle in all jurisdictions: Informality Beweis-, Schutz- und SeriositätsfunktionFormal requirements to facilitate proof, protect the weaker party or confirm seriousnessBeispiele: Schenkung, Konsumentenkredit, Grundstückgeschäfte G. Hertig 32
CH: Obligationenrecht (OR) Art. 11 : Form der Verträge Erfordernis und Bedeutung im Allgemeinen 1 Verträge bedürfen zu ihrer Gültigkeit nur dann einer besonderen Form, wenn das Gesetz eine solche vorschreibt. 2 Ist über Bedeutung und Wirkung einer gesetzlich vorgeschriebenen Form nicht etwas anderes bestimmt, so hängt von deren Beobachtung die Gültigkeit des Vertrages ab.
Gesetzliche Formvorschriften(Dieth 25) Auf Grund der Prinzips der Privatautonomie dürfen Formvorschriften nur auf gesetzliche Grundlage eingeführt werden Einfache Schriftlichkeit: Schriftform + Unterschrift aller Verpflichteten Qualifizierte Schriftlichkeit: Eigenhändig geschrieben (Bürgschaft, Testament) Öffentliche Beurkundung: der Staat beauftragt eine betraute Person den Vertrag in einem Schriftstück festzuhalten (Grundstückskauf, Ehevertrag, Erbvertrag, AG-Statutenänderung) G. Hertig 34
Beispiel 4: Gültigkeit einer Übertragung • Eine Übertragungsbestätigung weist folgenden Inhalt auf:Der unterzeichnete Herr X. bestätigt, dass anlässlich der Gründung der X. AG, diese neue Aktiengesellschaft alle Forderungen der Einzelfirma X., gegenüber den Gebrüdern A. und B. betreffend Hangsanierung bei der Baustelle Y. mit sämtlichen Rechten und Pflichten übernommen hat. • Diese Bestätigung weist alle Merkmale einer Zession auf. Aus ihr geht hervor, wer Zedent und wer Zessionar ist, ebenso wem sie zusteht. Die Forderung ist bestimmbar, denn sie bezieht sich auf die infolge der Hangsanierung entstandenen Kosten. • Die Zession bedarf gemäss Art. 165 Abs. 1 OR zu ihrer Gültigkeit der schriftlichen Form.
Begründung(siehe auch BGE 4C.41/2003) • Die Formvorschrift des Art. 165 OR dient der Rechts- und Verkehrssicherheit • Die Gläubiger des Zedenten und des Zessionars sollen ebenso wie der Schuldner der zedierten Forderung feststellen können, wem die Forderung in einem bestimmten Zeitpunkt zusteht . • Diesem Zweck entsprechend müssen von der Schriftform sämtliche Merkmale erfasst sein, welche die abgetretene Forderung für die betroffenen Dritten hinreichend individualisieren • Es genügt zwar, dass die Forderung bestimmbar ist, es muss aber immerhin für einen unbeteiligten Dritten ohne Kenntnis der Umstände der Abtretung aus der Urkunde selbst ersichtlich sein, wem die Forderung zusteht.
5d. Gesetz- und SittenwidrigkeitIllegality and Immorality (Dieth 46-49) • Verträge, die gegen Gesetze oder die guten Sitten verstossen sind nichtig (allgemeingültige Regel)Legally or morally offensive contracts are void (in all jurisdictions) • Hauptaufgabe beim RichterTests are let to judges • Hauptfälle / Typical situations • Gesetzliche Verbote / Specific prohibitionsBeispiel: Einsicht in die Unterlagen einer Arztpraxis um mit den Patienten Kontakt aufzunehmen • Unmöglichkeit / Impossibility • Übermässige Beschränkung der FreiheitUndue restriction of freedomBeispiel: Wettbewerbsverbot für einen beratenden Ingenieur nach dem Ausscheiden aus der Firma G. Hertig 37
CH: Obligationenrecht (OR) Art. 20: Nichtigkeit 1 Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig. 2 Betrifft aber der Mangel bloss einzelne Teile des Vertrages, so sind nur diese nichtig, sobald nicht anzunehmen ist, dass er ohne den nichtigen Teil überhaupt nicht geschlossen worden wäre.
Beispiel 5: Sittenwidrigkeit • Die X. AG plante im Jahr 2004 den Bau mehrerer Mehrfamilienhäuser. • Die Eigentümer einer benachbarten Grundstücks erhoben am 1. Juli 2005 Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Gestaltungsplan und am 26. August 2005 Einsprache gegen das Baugesuch der X. AG. • Am 2. September 2005 verkaufte die X. AG den Nachbaren einen Streifen Land von ca. 514 m2 ab ihrem Grundstück N°3 zum Preis von Fr. 100.--/m2. Gleichzeitig zogendie Nachbaren die Verwaltungsgerichtsbeschwerde sowie die Einsprache zurück. • In der Folge wurden auf den Grundstücken N°1 und N°2 der X. AG sieben Mehrfamilienhäuser gemäss Gestaltungsplan C. vom 23. März 2005 erstellt. • Mit Klage vom 11. Januar 2007 verlangte die X. AG die Nichtigerklärung und Rückabwicklung des Kaufvertrags vom 2. September 2005. Sie berief sich auf Sittenwidrigkeit des Vertrags im Sinne von Art. 20 OR. • Die X AG. begründet die behauptete Sittenwidrigkeit mit dem Vorliegen einer verpönten Kommerzialisierung des Rechtsmittelverzichts.
Beurteilung(siehe auch BGE 4A_21/2009) • Nicht jeder entgeltliche Verzicht auf ein Rechtsmittel ist sittenwidrig. • Eine verpönte Kommerzialisierung ist vielmehr erst dann gegeben, wenn mit der entgeltlichen Verzichtsvereinbarung allein der drohende Verzögerungsschaden des Bauherrn vermindert werden soll. • Soweit sich der wirtschaftliche Wert des Verzichts bloss aus dem möglichen Schaden wegen der Verlängerung des Bewilligungsverfahrens, nicht aber aus schutzwürdigen Interessen des Nachbarn ergibt, ist die Kommerzialisierung des Verzichts sittenwidrig. • Die Verabredung einer Vergütung für den Rückzug eines nicht aussichtslosen Baurekurses ist nicht sittenwidrig .
5e. Allgemeine Geschäftsbedingungen I General Terms and Conditions (Dieth 16-21) • Bedingungen werden zwischen den Parteien nicht im Einzelnen ausgehandeltContractual terms are not individually negotiated • Rationalisierung, Spezialisierung und RisikoüberwälzungRationalization, specialization and transfer of risks • Take it or leave it • Konsumentenschutz, nicht kaufmännischen Verkehr, steht im VordergrundMain regulatory aim: Protect consumers, not business people • Langfristige Geschäftsbeziehungen, HandelsgebrauchRepeat relationships, knowledge of trade practices • Geschäftserfahrung/ Business experience G. Hertig 41
Allgemeine Geschäftsbedingungen II General Terms and Conditions (Dieth 16-21) • Einbeziehung: Hinweis, Kenntnismöglichkeit, VerständlichkeitIncorporation of terms: Referred to, available, comprehensible • Ungewöhnlichkeitsregel : Nicht verbindlichUnexpected: Not binding Beispiele: Gerichtstandklausel, Erteilung einer Vollmacht, Kaskoversicherung mit Haftung • Unklarheit/ Contra proferentem(ambiguity) • Roulette-Spiel vor GerichtGoing to court could be like playing roulette • Präzise Fassung der heutigen AGBsIn practice, ambiguity is on the decrease Beispiel: Unterstützung „bei“ einer Schadensregelung = während oder auch infolge? G. Hertig 42
Allgemeine Geschäftsbedingungen IIIGeneral Terms and Conditions (Dieth16-18) • Inhaltskontrolle/ Content review • Grenzen des zwingenden Rechts • Unlauter, missbräuchlich, unbilligContent review: Unfair, abusive or unconscionableBeispiel: Erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis derRechte und Pflichten der Vertragspartner (Art. 8 UWG, gilt im Verhältnis zu Konsumenten) • Unwirksamkeit der einzelne Klausel (keine Reduktion auf das erlaubte Mass, keine Nichtigkeit des Vertrages) Individual provision has no effect (no reasonable adjustment, contract is not void) • Allgemeine vertragsrechtliche InhaltskontrolleContent review: In general • Umstritten (CH) / Controversial • Auch für den kaufmännischen Verkehr (KMU)? Also for business people? • Auch für Vertragsklauseln außerhalb AGBs? Also for individual contracts? • Kontrollmassstab?/ Benchmark? G. Hertig 43
Beispiel 6: Gerichtsstand • Am 27. November 2009 unterbreitete A. dem B. eine Offerte für den Umbau des Wohnhauses in S. • Am 18. Dezember 2009 reichte A. ein als "Auftragsbestätigung " bezeichnetes Formular nach. Dieses unterzeichnete B. am 20. Dezember 2009. • Sowohl der Offerte als auch der Auftragsbestätigung waren allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) beigelegt, deren Ziffer 9.1 wie folgt lautet: "9.1 Gerichtsstand ist Oberwil. (...)." • In der Folge kam es zwischen den Parteien zu einem Streit im Zusammenhang mit der Durchführung des Vertrages betreffend den Umbau des Wohnhauses.
Begründung I (siehe auch BGE 4A_247/2013) • Die in AGB enthaltene Gerichtsstandsklauselstellt in der Regel eine geschäftsfremde und damit ungewöhnliche Bestimmung dar. • Deren Annahme ist nur dann gerechtfertigt, wenn davon ausgegangen werden kann, der Verzichtende habe von der Gerichtsstandsklauseltatsächlich Kenntnis genommen und ihre Bedeutung richtig erkannt • Eine tatsächliche Kenntnisnahme darf angenommen werden, wenn die AGB der Vertragsofferte beigelegt waren oder wenn aus früheren Geschäftsbeziehungen deren Anwendbarkeit und Inhalt bekannt waren • Namentlich von einem geschäftserfahrenen und rechtskundigen Vertragspartner kann diesfalls erwartet werden, dass er die Gerichtsstandsklausel beachtet und versteht, ferner, dass er sie ausdrücklich ablehnt, wenn er mit dem Verzicht auf den Wohnsitzrichter nicht einverstanden ist .
Begründung II (siehe auch BGE 4A_247/2013) • Der Nachweis besonderer geschäftlicher oder juristischer Kenntnisse ist dabei freilich nicht vorausgesetzt. Ist die Klausel klar und eindeutig, genügt nach dem Vertrauensprinzip auch die Erfahrung eines durchschnittlich gebildeten Vertragspartners. • Dies ist bei der vorliegend umstrittenen Gerichtsstandsklausel in Ziff. 9.1 der AGB ("Gerichtsstand ist Oberwil") ohne weiteres der Fall. • Es ist daher unbehilflich, wenn B. von sich ein Bild der gänzlichen Unbeholfenheit in geschäftlichen Dingen zu zeichnen versuchen, da er jedenfalls überdurchschnittlich gebildet ist. • Allein schon aufgrund seiner Bildung muss B. auch als juristische Laien und ohne nennenswerte Geschäftserfahrung in der Lage sein, AGB zu verstehen und die Bedeutung/Tragweite einer - wie hier - klaren und deutlichen Gerichtsstandsklausel richtig einzuordnen.
6. Zustandekommen von VerträgenMaking of Contracts (Dieth 7-14) • Konsens: Offerte und AnnahmeConsensus: Offer and acceptance • Gebundenheit des OfferentenBinding nature of offer CH/D > F > USA : Für eine angemessene Zeit gebunden > widerrufbar gegen Schadenersatz > bis zur Annahme jederzeit frei widerrufbar • Einigung über wesentliche VertragspunkteAgreeing upon essential issuesBeispiel: Mietvertrag = Wohnung und Miete G. Hertig 47
Schweigen auf einen AntragNot Responding to an Offer (Dieth 10-11) • Kann nicht als Annahme gewertet werdenCannot be considered as tacit acceptance • AusnahmeException • Antragsteller darf in guten Treuen eine Zustimmung erwarten • Empfänger muss davon ausgehen könne, dass Schweigen Zustimmung deutet Beispiele: Schenkungen, Schulderlass, Mietreduktion
6a. GeschäftsfähigkeitContractual Capacity (Dieth 7-8) • Schutz der Jugendlichen und Geistesschwachen Protecting minors and mentally deranged • Vertrag mag nichtig oder annullierbar sein Contract may be void ab initio or voidable • Ratifizierung eines DrittenThird party consent Beispiel: Eltern G. Hertig 49
6b. VertragsauslegungConstruction of contracts (Dieth 36, 46, 63) Erklärung, die ein vernünftiger Mensch geben würde (Vertrauensprinzip)Principles of European Contract Law: „The contract is to be interpreted according to the meaning that reasonable persons of the same kind asthe parties would give to it in the same circumstances“ Dispositives Recht Default provisionsBeispiel: Beendung des Vertrages NebenpflichtenAncillary obligationsBeispiel: Arbeitgeber muss die Gesundheit des Arbeitnehmers schützen Ergänzende Vertragsauslegung (hypothetischer Parteiwillen)Constructive interpretation G. Hertig 50