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Versprecher und deren Reparaturen

Versprecher und deren Reparaturen. 8. Vorlesung (01.07.2010). apl. Professor Dr. Ulrich Schade Fraunhofer-Institut für Kommunikation, Informationstechnik und Ergonomie ulrich.schade@fkie.fraunhofer.de. Versprecher und deren Reparaturen. Beispiel der Woche

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Versprecher und deren Reparaturen

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Presentation Transcript


  1. Versprecher und deren Reparaturen 8. Vorlesung (01.07.2010) apl. Professor Dr. Ulrich Schade Fraunhofer-Institut für Kommunikation, Informationstechnik und Ergonomie ulrich.schade@fkie.fraunhofer.de

  2. Versprecher und deren Reparaturen Beispiel der Woche "Bayer Leverkusen dementierte inzwischen die Meldung (...), dass Michael Jackson zu Bayer Leverkusen wechselt" Ulrich von der Osten am 25.06. in den Frühnachrichten von n-tv. (Wortfehler / Substitution von „Michael Ballack“/ im Kontext der Meldung vom ersten Todestag von Michael Jackson)

  3. Versprecher und deren Reparaturen weitere Beispiele Damals hat die halbe Nation hinter dem Fernseher gestanden. (Franz Beckenbauer über das WM-Finale 1990) (Wortfehler / Substitution / ohne Kontext; semantisch ähnlich: Ko-Hyponym)

  4. Versprecher und deren Reparaturen weitere Beispiele … dass er oft zur richtigen Stelle ähh zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle war … (Wortfehler / Substitution / Antizipation) Darauf setzen wir sehr viel Wert! (Wortfehler / Substitution / ohne Kontext; semantisch ähnlich: Ko-Hyponym)

  5. Versprecher und deren Reparaturen Freud'sche Versprecher

  6. Allgemeines zu Versprechern Freud'sche Versprecher Wikipedia (http://de.wikipedia.org/wiki/Freud%E2%80%99scher_Versprecher): Ein Freud’scher Versprecher (nach Sigmund Freud), auch Lapsus linguae genannt, ist eine sprachliche Fehlleistung, bei der ein eigentlicher Gedanke oder eine Intention des Sprechers unwillkürlich zu Tage tritt. Es wird also nicht angenommen, dass solchen Versprechern eine einfache, (neuro-)physiologische oder auch assoziative Beeinflussung der Sprach-produktion zugrunde liegt, sondern behauptet, dass es v.a. eine psychische Ursache dafür gibt. Bei den Freud'schen Fehlleistungen würde somit anstelle des eigentlich Gemeinten etwas gesagt werden, das dem Gedachten ggf. sogar besser entspräche und in diesem Sinne interpretiert werden könnte.

  7. Allgemeines zu Versprechern Freud'sche Versprecher so genannte Beispiele Dann aber sind Tatsachen zum Vorschwein gekommen (statt Vorschein) (nach Freud, 1901, nach Meringer & Mayer, 1896)) … wenn wir pfleglich miteinander untergehen … (statt umgehen) (Helmut Kohl, 15.03.1989) The door is open for discussion. (statt floor) (Pompino-Marschall, nach Wiedenmann, 1998) Die reizt nicht mit ihren Geizen. (nach Leuninger, 1998)

  8. Allgemeines zu Versprechern Freud'sche Versprecher Die europäischen Regierungschefs müssen gegenüber den Bürgern Verantwortung ablegen. (Überblendung aus Verantwortung übernehmen und Rechenschaft ablegen) (Angela Merkel 12.05.2007) Und inzwischen eröffnen uns Computer und Internet ganz neue Austausch- und Informationskontrollen … (statt -kanäle) (Wolfgang Schäuble, 24.11.2008) Die Wahl ist entschieden, wenn die Wahlbeteiligung hoch ist. Dann hat Rot-Rot-Grün eine eigene Mehrheit. (Sigmar Gabriel, 09.05.2010)

  9. Allgemeines zu Versprechern Freud'sche Versprecher Levelt (1989, S. 199): Sprecher produzieren etwa 150 Wörter in der Minute (das bezieht sich auf Englisch). Sie benutzen dafür ein aktives Vokabular von wenigstens 30000 Wörtern. Versprecher geschehen etwa bei jedem tausendsten Wort, wobei die Hälfte lexikalische Versprecher sind. Dies sind zwar eigentlich relativ wenig Fehler, aber im Laufe der Zeit geschehen – in absoluten Zahlen gesehen – doch zahlreiche Fehler.

  10. Allgemeines zu Versprechern Freud'sche Versprecher Aus rein statistischen Gründen müssen also manchmal Fehler auftreten, die als Freud‘sche Versprecher gewertet werden können, obwohl ihre Ursache (lediglich) im kognitiven Prozess der Sprach-produktion liegt, welcher gelegentlich Versprecher zulässt. Diese Ansicht ist plausibel und entsprechend in Psycholinguistik und Sprachpsychologie verbreitet; sie entspricht aber nicht der öffentlichen Wahrnehmung, die hinter Versprechern immer gern eine psychische Ursache im Sinne Freuds vermutet.

  11. Versprecher und deren Reparaturen Reparaturen – Klassifikation

  12. Reparaturen Klassifikation Wie bereits gesehen haben, treten beim Sprechen Versprecher auf, die in der Regel (von der Sprecherin selbst) korrigiert werden. Der war in der neunten Schule –ähh QuatschKlassenatürlich. Wenn ich das auf zwei Professoren ähhProzessoren verteile ...

  13. Reparaturen Klassifikation I • Es gibt eine sehr allgemeine Klassifikation von Reparaturen nach Schegloff, Jefferson & Sacks (1977), die danach geht, wer den Versprecher bemerkt und wer ihn korrigiert: • selbsteingeleitete Selbstreparatur • fremdeingeleitete Selbstreparatur • selbsteingeleitete Fremdreparatur • fremdeingeleitete Fremdreparatur

  14. Reparaturen Klassifikation I die selbsteingeleitete Selbstreparatur Der Sprecher bemerkt seinen Fehler selbst und korrigiert ihn auch selbst. (Beispiele nach Schade, Berg & Laubenstein, 2003) S: Wir waren im Urlaub auf Sizilien und haben uns dort den Vesuvähh Quatschden Ätna angesehen.

  15. Reparaturen Klassifikation I die fremdeingeleitete Selbstreparatur Der Hörer bemerkt einen Fehler und bewegt den Sprecher dazu, diesen zu korrigieren. S: Wir waren im Urlaub auf Sizilien und haben uns dort den Vesuv angesehen. H: Den Vesuv? S: Ach Quatsch, den Ätna natürlich.

  16. Reparaturen Klassifikation I die selbsteingeleitete Fremdreparatur Der Sprecher bemerkt seinen Fehler selbst und bewegt den Hörer dazu, diesen zu korrigieren. S: Wir waren im Urlaub auf Sizilien und haben uns dort den Vesuvähh nein, den – den – den – sag mal ... H: Den Ätna? S: Ja genau, den Ätna haben wir uns angesehen.

  17. Reparaturen Klassifikation I die fremdeingeleitete Fremdreparatur Der Hörer bemerkt einen Fehler und korrigiert diesen. (Dies gilt als unhöflich.) S: Wir waren im Urlaub auf Sizilien und haben uns dort den Vesuvangesehen. H: Den Ätna!

  18. Reparaturen Klassifikation • In dieser Veranstaltung interessieren wir uns vor allem für die selbsteingeleiteten Selbstreparaturen. • Dabei gibt es zwei Forschungsfragen: • Wie erkennt ein Sprecher einen eigenen Versprecher? (die Frage des „Monitoring“) • Wie erfolgt die Reparatur ? (Wann sind Reparaturen wohlgeformt?)

  19. Reparaturen Klassifikation Bevor wir Antworten auf diese Fragen studieren, soll das Verständnis von Reparaturen vertieft werden. Dabei hilft eine weitere Klassifikation, eine Unterklassifikation der selbsteingeleiteten Selbstreparaturen, die Levelt (1983) auf der Grundlage eines Experiments entwickelt hat.

  20. Reparaturen Klassifikation II Levelt benutzte folgenden Versuchsaufbau, um Versprecher und Korrekturen hervorzurufen: Die Versuchspersonen sahen ein Punktmuster und hatten dieses (ausgehend vom Pfeil) so zu beschreiben, dass eine andere Versuchsperson das Muster malen konnte.

  21. Reparaturen Klassifikation II „Über dem Pfeil ist ein roter Punkt und darüber ein schwarzer. Links neben dem schwarzen Punkt ist ein grüner, dann ein roter, dann ein gelber. Über dem gelben Punkt ist ein schwarzer und darunter ein blauer. Rechts neben dem schwarzen Punkt vom Anfang sind noch zwei Punkte: ein blauer und ein weißer.“

  22. Reparaturen Klassifikation II • Die Unterklassifikation der selbsteingeleiteten Selbstreparaturen unterscheidet: • C-Reparaturen covert repairs • A-Reparaturen appropriateness repairs • E-Reparaturen error repairs • D-Reparaturen different message repairs

  23. Reparaturen Klassifikation II D-Reparaturen Der Sprecher entscheidet sich dazu, zunächst einen anderen Gedanken zu verbalisieren. ... und links nen grün/ . wir sind jetzt wieder bei dem schwarzen, ne, und links kommt dann nen grüner ...

  24. Reparaturen Klassifikation II A-Reparaturen Der Sprecher erkennt (evtl. durch einen Hinweis des Hörers – dann fremdeingeleitete Selbstreparatur), dass das Geäußerte zu einem Missverständnis führen könnte. Wir starten unten, alsounten in der Mitte.

  25. Reparaturen Klassifikation II A-Reparaturen Bei A-Reparaturen liegt eigentlich kein Fehler vor. Die Reparatur erfolgt „zum Wohle“ des Hörers. Als einleitende Signale für eine A-Reparatur werden häufig „also“ oder „genauer gesagt“ benutzt. Einige „professionelle“ Sprecher nutzen „also“ bzw. „genauer gesagt“ aber auch bei Fehlerreparaturen (E-Reparaturen): „nur zwei Sekunden Rückstand – genauer gesagt zwei Hundertstel“

  26. Reparaturen Klassifikation II E-Reparaturen E-Reparaturen sind Reparaturen von Fehlern, häufig von lexikalischen Fehlern. Lexikalische Fehler müssen repariert werden, weil es sonst zu einer Fehlinterpretation durch den Hörer kommt. ... und rechtsähh Quatschlinksdavon ein grüner ... ... und links davon ein blauerähh ein grüner ...

  27. Reparaturen Klassifikation II E-Reparaturen E-Reparaturen erfolgen aber auch, wenn das Gesagte nicht der sprachlichen Norm – phonologisch oder syntaktisch – entspricht. ... indie müssen Sie danneinbü/biegen. ... und dann nimmst Du demäh denroten Klotz. ... um für Ordnung zuschaffen(Pause)zu sorgen. In diesen Fällen ist die Reparatur für das Verstehen des Gesagten durch den Hörer nicht unbedingt notwendig.

  28. Reparaturen Klassifikation II E-Reparaturen E-Reparaturen werden häufig mit „ähh“ oder mit noch deutlicheren Reparatursignalen wie „nein“ oder „Quatsch“ eingeleitet, so dass der Hörer weiß, dass eine Reparatur folgt. ... und dann nimmst Du demäh denroten Klotz. ... und rechtsähh Quatschlinksdavon ein grüner ...

  29. Reparaturen Klassifikation II C-Reparaturen Als C-Reparaturen (verdeckte Reparaturen) gelten Wiederholungen, Hesitationssignale (ähh) und Pausen. Bei dieser Art von Reparaturen ist nicht erkennbar, wo das Problem liegt. Es mag sein, dass der Sprecherin ein Wort nicht einfällt und dass es deshalb zu einer Pause, einer Hesitation oder Wiederholung kommt. Das wäre dann keine Reparatur im eigentlichen Sinne. I . I don‘t know the …eh play well enough, sir. (nach Levelt, 1989)

  30. Reparaturen Klassifikation II C-Reparaturen Es mag sein, dass die Sprecherin bemerkt, dass sie im Begriff ist, einen Versprecher zu produzieren und dass sie deshalb die Äußerung abbricht und neu „plant“, was letztlich als C-Reparatur sichtbar wird. Here is a – er a vertical line. (nach Levelt, 1989)

  31. Versprecher und deren Reparaturen Klassifikation II – C-Reparaturen / D-Reparaturen „ich weiß – ich weiß – ich weiß – ich weiß – ich weiß – ich weiß jetzt, wir haben – ich eh habe Sie zu schnell unterbrochen, 's war meine Schuld, aber ich weiß jetzt, was ich Sie k/ wo eh in welchem Sinn, welchem Sinn nach ich Sie unterbrechen wollte, Sie haben gesagt, eh wie man auch immer – wie man auch immer darauf reagiert hat, wer, das ich nämlich die Stichfrage, wer?“ Je später der Abend1977 Talkshow Klaus Kinski (neben Manfred Krug) zu Gast bei Reinhard Münchenhagen.

  32. Versprecher und deren Reparaturen die Phasen einer gelungenen E-Reparatur „Ingang naar geelehnaar grijs. Doorgaan naar geel.“ („Eingangs nach gelbähnach grau. Weiter nach gelb.“) Bezugssequenz der Reparatur (enthält den Fehler / das Reperandum) Abbruch und Reparatursignal (editing term) Reparaturversuch [Fehlerquelle]

  33. Versprecher und deren Reparaturen die Phasen einer gelungenen E-Reparatur Der Reparaturversuch heißt Reparaturversuch und nicht einfach Reparatur, weil es nicht gewährleistet ist, dass der Versuch gelingt. Insbesondere bei einer zugrunde liegenden (Broca-)Aphasie kann es vorkommen, dass Reparaturversuche misslingen und ein Patient eine Sequenz solcher Versuche produziert (Beispiel nach Leuninger, 1989). U: Das war in Österreich. Wie sind Sie dann zurück nach München gekommen ? P: Sanka. Sanka. Und Gelinik. Gelinik. Gelinik. Schwabi. Na. Ja mei. U: Das war für Sie sicher ein ganz schöner Schock? P: Acht Tag bewusstlos. Und hierher Gelinik München Starnberg.

  34. Versprecher und deren Reparaturen die Phasen einer gelungenen E-Reparatur Der Reparaturversuch heißt Reparaturversuch und nicht einfach Reparatur, weil es nicht gewährleistet ist, dass der Versuch gelingt. Insbesondere bei einer zugrunde liegenden (Broca-)Aphasie kann es vorkommen, dass Reparaturversuche misslingen und ein Patient eine Sequenz solcher Versuche produziert (Beispiel nach Leuninger, 1989). U: Das war in Österreich. Wie sind Sie dann zurück nach München gekommen ? P: Sanka. Sanka. Und Gelinik. Gelinik. Gelinik. Schwabi. Na. Ja mei. U: Das war für Sie sicher ein ganz schöner Schock? P: Acht Tag bewusstlos. Und hierher Gelinik München Starnberg.

  35. Versprecher und deren Reparaturen die Phasen einer gelungenen E-Reparatur Der Reparaturversuch beginnt nicht unbedingt mit dem zu korrigierenden Wort. Entsprechend beginnt auch die Bezugssequenz unter Umständen vor dem Fehler. „Ingang naar geelehnaar grijs. Doorgaan naar geel.“ („Eingangs nach gelbähnach grau. Weiter nach gelb.“) Dies erleichtert es dem Hörer, die Reparatur nachzuvollziehen.

  36. Versprecher und deren Reparaturen die Phasen einer gelungenen E-Reparatur Auch die Nutzung eines Reparatursignals durch die Sprecherin hilft dem Hörer. Dies gilt insbesondere, wenn das Signal die Art der Reparatur (Angemessenheitsreparatur vs. Fehlerreparatur) anzeigt. Das Reparatursignal dient aber evtl. auch dazu, für die Reparatur Zeit zu gewinnen. ... und rechtsähh Quatschlinksdavon ein grüner ...

  37. Versprecher und deren Reparaturen Literatur

  38. Versprecher und deren Reparaturen Literaturhinweise Freud, S. (1901). Zur Psychopathologie des Alltagslebens. Monatsschrift für Psychiatrie und Neurologie, 10, 1-13. Leuninger, H. (1989). Neurolinguistik. Opladen: Westdeutscher Verlag. Leuninger, H. (1998). Reden ist Schweigen, Silber ist Gold. München: DTV. Leuninger, H. (1998). Danke und Tschüs fürs Mitnehmen. München: DTV. Levelt, W.J.M. (1983). Monitoring and self-repair in speech. Cognition,14, 41-104. Levelt, W.J.M. (1989). Speaking: From Intention to Articulation. Cambridge, MA:MIT Press.

  39. Versprecher und deren Reparaturen Literaturhinweise Meringer, R. & Mayer, K. (1895). Versprechen und Verlesen – Eine psychologisch-linguistische Studie. Stuttgart: Göschen‘sche Verlagshandlung. Schade, U., Berg, T. & Laubenstein, U. (2003). Versprecher und ihre Reparaturen. In: Rickheit, G., Herrmann, T. & Deutsch, W. (Hrsg.), Psycholinguistik – Psycholinguistics (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft) (S. 317-338). Berlin: Mouton de Gruyter. Schegloff, E.A., Jefferson, G. & Sacks, H. (1977).The preference for self-corrections in the organization of repair in conversation. Language, 53,361-382. Wiedenmann, N. (1998). Versprecher: Phänomene und Daten. Wien: Edition Praesens.

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