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Kapitel 6 Differenzierbarkeit. Inhalt. 6.1 Die Definition 6.2 Die Eigenschaften 6.3 Extremwerte. Was heißt „differenzierbar“?. Differenzierbare Funktionen sind „glatte“ Funktionen. Wir beschreiben diese in vier Stufen.
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Inhalt 6.1 Die Definition 6.2 Die Eigenschaften 6.3 Extremwerte
Was heißt „differenzierbar“? Differenzierbare Funktionen sind „glatte“ Funktionen. Wir beschreiben diese in vier Stufen. 1. Beschreibung: Eine Funktion ist differenzierbar, wenn man sie in einem Schwung, ohne anzuhalten, zeichnen kann. 2. Beschreibung: Eine Funktion ist differenzierbar, wenn sie keine Knicke hat. 3. Beschreibung:Eine Funktion ist differenzierbar, wenn sie in jedem Punkt eine eindeutige Tangente hat. Entscheidend ist die Eindeutigkeit: Sie muss in jedem Punkt eine Tangente haben, sie darf aber auch keine zwei (oder noch mehr) haben.
Der Differenzenquotient 4. (mathematische) Beschreibung:Was heißt: Die Funktion f ist „in einem Punkt“ x0 differenzierbar? Wir setzen die dritte Beschreibung in mathematische Sprache um. Sei x ein Punkt mit x x0. Der zugehörige Differenzenquotient ist . Der Differenzenquotient ist die Steigung der Geraden (Sekante) durch die Punkte (x0 f(x0)) und (x f(x)).
Die Tangente Wie kann man die Tangente im Punkt (x0 f(x0)) beschreiben? Wir lassen „einfach“ „x gegen x0 laufen“. Präziser: (a) Wir betrachten eine beliebige Folge (xn), die gegen x0 konvergiert. (b) Für jedes Element xn der Folge betrachten wir den zugehörigen Differenzenquotienten (c) Wir betrachten die Folge der Differenzenquotienten. Diese kann konvergieren, muss aber nicht. Und die Grenzwert können alle gleich sein, müssen aber nicht. (d) Die Funktion, die immer muss, ist differenzierbar:
Die Definition Definition.Sei f eine Funktion, und sei x0 ein Element ihres Definitionsbereichs. Die Funktion f heißt differenzierbar im Punkt x0, wenn die beiden folgenden Bedingungen erfüllt sind: (a) Für jede Folge (xn), die gegen x0 konvergiert (wobei die xn aus dem Definitionsbereich von f sind) konvergiert auch die Folge der Differenzenquotienten. (b) Alle Grenzwerte der Folgen , die in (a) auftreten, sind gleich.
Die Definition (Fortsetzung) Der (nach Definition) eindeutig bestimmte Grenzwert der Differenzenquotienten einer differenzierbaren Funktion ist die Steigung der Tangente im Punkt x0. Man nennt diesen Grenzwert auch den Differentialquotient oder die Ableitung im Punkt x0 und schreibt dafür f'(x0). Man sagt, eine Funktion ist (überall) differenzierbar, wenn sie in jedem Punkt differenzierbar ist. Beispiel: Bei einer Funktion des Typs f(x) = mx + b ist jeder Differenzenquotient gleich m, also sind auch alle Grenzwerte gleich m. Somit ist die Funktion differenzierbar, und die Anleitung in jedem Punkt ist m.
Was heißt „nicht differenzierbar“? Um nachzuweisen, dass f nicht differenzierbar im Punkt x0 ist, haben wir zwei Möglichkeiten: Die Funktion f ist nicht differenzierbar im Punkt x0, wenn mindestens eine der beiden folgenden Bedingungen gilt: (a) es gibt mindestens eine Folge (xn), die gegen x0 konvergiert (wobei die xn aus dem Definitionsbereich von f sind), für die die Folge () der Differentialquotienten nicht konvergiert. (b) Es gibt zwei Folgen (xn) und (zn), die gegen x0 konvergieren, so dass die zugehörigen Folgen der Differenzenquotienten zwar konvergieren, aber gegen verschiedene Grenzwerte.
Beispiel: f(x) = x2 6.1.1 Satz. Die Ableitung der Funktion f(x) = x2 ist f'(x) = 2x. Insbesondere ist die Funktion f(x) = x2 differenzierbar. Beweis. Sei x0 eine beliebige reelle Zahl. Sei (xn) eine Folge, die gegen x0 konvergiert. Dann gilt Da (xn) gegen x0 konvergiert, konvergiert die Folge (xn+x0) gegen 2x0. Also ist die Ableitung von f in dem beliebigen Punkt x0 gleich 2x0. Daher ist die Ableitung von f(x) gleich 2x.
Beispiel: f(x) = 1/x 6.1.2 Satz.Die Funktion f(x) = 1/x hat die Ableitung f'(x) = –1/x2. Insbesondere ist die Funktion f(x) = 1/x überall differenzierbar. Beweis. Sei x0 eine beliebige reelle Zahl. Sei (xn) eine beliebige Folge, die gegen x0 konvergiert. Dann gilt Da (xn) gegen x0 konvergiert, konvergiert die Folge –1/xnx0 gegen –1/x02 . Also ist die Ableitung von f im Punkt x0 gleich –1/x02 . Daher ist die Ableitung von f(x) gleich –1/x2.
Beispiel: f(x) = exp(x) 6.1.3 Satz.Die Exponentialfunktion f(x) = exp(x) hat die Ableitung f'(x) = exp(x). Insbesondere ist die Exponentialfunktion überall differenzierbar und ihre Ableitung ist gleich der Originalfunktion. Beweis. Sei x0 eine beliebige reelle Zahl. Sei (xn) eine beliebige Folge, die gegen x0 konvergiert. Dann gilt
Beweisende Da (xn) gegen x0 konvergiert, geht der erste Faktor gegen exp(x0); der zweite Faktor konvergiert gegen 1 (ohne Beweis). Also ist die Ableitung von f an der Stelle x0 gleich exp(x0). Das heißt exp'(x) = exp(x) für alle x.
6.2 Differenzierbarkeit: Die Eigenschaften Ziele: 1. Aus einer oder zwei differenzierbaren Funktionen mach eine neue! 2. Eigenschaften einer differenzierbaren Funktion
Satz über Summe und Produkt 6.2.1 Satz. Seien f und g differenzierbare Funktionen. Dann sind auch die Summe f+g und das Produkt fg differenzierbare Funktionen. Es gelten (f+g)' = f' + g‘ (Summenregel),(kf)' = kf‘‚ für jede reelle Zahl k, (fg)' = f'g + fg‘‚ (Produktregel). Beispiele: f(x) = x + 7x3 ist differenzierbar. Die Funktionen x, x2, x3, x4, x5, ... sind differenzierbar. Jedes Polynom („ganzrationale Funktion“) ist differenzierbar.
Beweis der Summenregel Beweis.Sei x0 eine beliebige reelle Zahl. Wir zeigen, dass f+g in x0 differenzierbar ist. Dazu betrachten wir eine beliebige Folge (xn), die gegen x0 konvergiert. Da f in x0 differenzierbar ist, konvergiert die Folge gegen f'(x0). Da g in x0 differenzierbar ist, konvergiert die Folge gegen g'(x0).
Beweis der Summenregel (Fortsetzung) Also konvergiert die Folge gegen f'(x0) + g'(x0). Also ist f+g differenzierbar, und es gilt (f+g)' = f'+g'.
Produkt mit einer reellen Zahl: Beweis Sei x0 eine beliebige reelle Zahl. Wir zeigen, dass kf in x0 differenzierbar ist. Dazu betrachten wir eine beliebige Folge (xn), die gegen x0 konvergiert. Da f in x0 differenzierbar ist, konvergiert die Folge gegen f'(x0). Also konvergiert folgende Folge gegen kf‘(x0):
Beweis der Produktregel Sei x0 eine beliebige reelle Zahl. Wir zeigen, dass fg in x0 differenzierbar ist. Die Folge mit den Gliedern konvergiert gegen f(x0)g’(x0) + f’(x0)g(x0).
Polynome sind differenzierbar 6.2.2 Satz.Sei f(x) = anxn + ... + a1x + a0ein Polynom. Dann ist f differenzierbar, und es gilt f'(x) = nanxn–1 + (n–1)an–1xn–2 + ... + 2a2x + a1. Beweis. Schritt 1: f(x) = xn ist differenzierbar, und es gilt f'(x) = nxn–1. (Produktregel, Induktion nach n)Schritt 2: f(x) = anxn ist differenzierbar,und es gilt f‘(x) = nanxn–1. (Schritt 1, Produkt mit einer reellen Zahl) Schritt 3: f(x) = anxn + ... + a1x + a0 ist differenzierbar, und es gilt f‘(x) = nanxn–1 + (n–1)an–1xn–2 + ... + 2a2x + a1 (Summenregel).
Quotientenregel, Kettenregel 6.2.3 Quotientenregel.Seien f und g differenzierbare Funktionen mit g(x) 0 für alle x. Dann ist auch der Quotient f/g differenzierbar, und es gilt (f/g)‘ = (f‘g – fg‘)/g2. 6.2.4 Kettenregel. Seien f und g differenzierbare Funktionen. Dann gilt (f g)‘(x) = f‘(g(x))g‘(x).Dabei bedeutet die Hintereinanderausführung von Funktionen. Man nennt f die äußere und g die innere Funktion; entsprechend spricht man von der äußeren und inneren Ableitung.
Differenzierbarkeit und Stetigkeit 6.2.5 Satz. Wenn eine Funktion differenzierbar ist, dann ist sie auch stetig. Bemerkung: Die Umkehrung gilt nicht! (Betragsfunktion!) Beweis. Sei x0 eine beliebige reelle Zahl. Wir zeigen, dass f stetig in x0 ist.Sei also (xn) eine beliebige Folge, die gegen x0 konvergiert. Wir müssen zeigen, dass die Folge (f(xn)) gegen f(x0) konvergiert. Dazu genügt es zu zeigen, dass die Folge (f(xn) – f(x0)) gegen 0 konvergiert.
Beweis Da f differenzierbar in x0 ist, konvergiert die Folge gegen f'(x0). Trick: Wir betrachten die Folge Die rechte Seite ist Produkt von zwei Folgen, nämlich von und Beide Folgen konvergieren: die erste gegen f'(x0), die zweite gegen 0. Also konvergiert die Produktfolge (anbn) gegen das Produkt der Grenzwerte, d.h. gegen f'(x0)0 = 0.Also konvergiert (f(xn)–f(x0)) gegen 0, also (f(xn)) gegen f(x0).Somit ist f stetig in x0.
6.3 Minimum, Maximum, Extremum Definition. Sei f eine stetige Funktion auf dem Intervall [a, b]. Wir sagen, dass f an einer Stelle x0 ein Maximum annimmt, wenn es eine Umgebung von x0 gibt, so dass f(x0) f(x) für alle x aus der Umgebung gilt. Analog: Minimum. Extremum ist Minimum oder Maximum. Achtung: Plural heißt Minima, Maxima, Extrema. 6.3.1 Satz. Sei f eine auf dem Intervall [a, b] differenzierbare Funktion. Wenn x0 ein Extremum ist, dann ist f‘(x0) =0. Beweis. Sei z.B. x0 ein Maximum. Dann gibt es eine e-Umgebung von x0, in der alle Funktionswerte kleiner als f(x0) sind.
Beweis Wir betrachten eine Folge (xn), deren Glieder in der e-Umgebung liegen und größer als x0 sind. Es folgt Wenn entsprechend (xn) eine Folge ist, deren Glieder in der e-Umgebung liegen und kleiner als x0 sind, folgt Da f differenzierbar ist, müssen die Grenzwerte übereinstimmen. Es folgt f‘(x0) = 0.
Satz von Rolle 6.3.2 Satz.Seien a < b reelle Zahlen, und sei f eine differenzierbare Funktion. Wenn f(a) = f(b) ist, dann gibt es eine reelle Zahl x0 zwischen a und b mit f'(x0) = 0. Insbesondere gilt: Zwischen je zwei Nullstellen liegt eine waagrechte Tangente. Beweis. Falls f konstant ist, folgt die Behauptung sofort. Sei f nicht konstant. Dann hat f ein Maximum oder Minimum x0 (da f stetig ist). Nach Satz 6.2.6 ist dann f(x0) = 0. Michel Rolle (1652 – 1719), französischer Mathematiker.
Mittelwertsatz 6.3.3 Satz. Seien a < b reelle Zahlen, und sei f eine differenzierbare Funktion. Dann gibt es eine Zahl x0Î [a, b] mit Mit anderen Worten: Es gibt eine reelle Zahl x0, an dem die Kurve die gleiche Steigung wie die Sekante hat.
Beweis Beweis. Wir definieren folgende Hilfsfunktion h: Diese Funktion ist differenzierbar. Ferner gilt h(a) = f(a) und h(b) = f(a). Also können wir den Satz von Rolle anwenden: Es gibt ein x0 aus [a, b] mit h‘(x0) = 0. Das heißt Das ist die Behauptung.
Ableitung und monotone Funktionen 6.3.4 Satz. Sei f eine Funktion, die im Intervall [a, b] differenzierbar ist. Wenn für alle x aus [a, b] gilt f‘(x) > 0 (bzw. f‘(x) < 0), dann ist f im Intervall [a, b] streng monoton wachsend (bzw. streng monoton fallend). Beweis. Sei f‘(x) > 0 für alle x aus [a, b]. Angenommen, f wäre nicht streng monoton wachsend. Dann gäbe es a‘, b‘ [a, b] mit a‘ < b‘, aber f(a‘) f(b‘). Nach dem Mittelwert-satz gibt es dann ein x0 mit f‘(x0) = (f(b‘) – f(a‘))/(b‘ – a‘) 0. Dies widerspricht der Voraussetzung. Also ist die Annahme falsch. Daher gilt die Behauptung.
Extremwertbestimmung 6.3.5 Satz. Sei f eine differenzierbare Funktion, die im Punkt x0 zweimal differenzierbar ist. Wenn gilt f‘(x0) = 0 und f‘‘(x0) < 0 (bzw. f‘‘(x0) > 0), dann hat f in x0 ein Maximum (bzw. ein Minimum). Beweis. Wir setzen f‘‘(x0) < 0 voraus. Das bedeutet, dass der Grenzwert der Differenzenquotienten kleiner als Null ist. Also gibt es auch eine e-Umgebung von x0, so dass für alle x aus dieser e-Umgebung der entsprechende Differenzenquotient kleiner als Null ist.
Beweisabschluss Das bedeutet: f‘(x) > 0 für x < x0 und f‘(x) < 0 für x > x0. Also ist f „links von x0“ streng monoton steigend und „rechts von x0“ streng monoton fallend. Daher muss bei x0 ein Maximum vorliegen.