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Der Golem von Prag oder wie der Golem nach Prag kam…. Der Golem ist die jüdische Variante der vor allem männlich besetzten uralten Suche der Menschen den Göttern gleich
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Der Golem ist die jüdische Variante der vor allem männlich besetzten uralten Suche der Menschen den Göttern gleich Leben zu erschaffen. Erst Cynthia Ozick (geb. 1928) macht in ihrem Roman „The Puttermesser Papers“ (19967) eine weibliche Heldin zur Erschafferin eines ebenso weiblichen Golem namens Xanthippe.
Bereits im antiken Griechenland glaubten die Menschen an die künstliche Herstellung automatisierter Wesen, die den Erschaffern in vielerlei Weise dienstbar sein könnten. So verwundert es nicht, dass in der klassischen griechischen Literatur sprechende Statuen, Köpfe und andere Automaten keine Seltenheit sind. Bereits Homer (ca. 8. Jahrhundert v. d. Z.) erzählt davon, wie Hephaistos, der Gott des Feuers und der Schmiede goldene Dienerinnen erschuf.
Hephaistos schuf aber nicht nur diese „selbst-bewegenden“ Dienerinnen, sondern auch den mächtigen eisernen Talos, ein gigantischer antiker Automat, der die Insel Kreta bewachte. Seine Taten erinnern an die modernen Golemlegenden aus Prag. Dreimal täglich umrundete er Kreta und bewarf herannahende Feinde mit Steinwürfen oder verbrannte sie. Am Leben gehalten wurde er durch eine Blutader, die einen ganzen Körper bedeckte. Das Ende war mit einem Nagel verschlossen. Schließlich wurde er durch das Entfernen des Nagels besiegt, indem er schlicht ausblutete.
Antike Vorbilder • Platon (427 v. d. Z. – 347 v. d. Z.) berichtet, dass Daidalos, der bekannt für seine Heraklesbildnisse war, lebendige Statuen schuf, die er fesseln musste, damit sie nicht davonliefen. • Platon, Menon oder über die Tugend, übersetzt und erläutert von Otto Apelt, Hamburg (Felix Meiner) 1993, S.68.
Im kultischen Bereich wurden „lebendige und sprechende Stauen“ eingesetzt, in denen Götter vermutet wurden. Der spätantike Dichter Lukianos von Samosta (120-180) in Syrien erinnert daran in seinen „Lügengeschichten“. So berichtet er im „Lügenfreund“ darüber, wie er ein Orakel aus der Statue des Memnon hörte. Natürlich darf man nicht vergessen, dass Lukian mit Absicht „Lügenmärchen“ wie die Reise zum Mond, der aus Käse besteht, erzählt: „denn ich sage doch wenigstens EINE Wahrheit, indem ich sage, dass ich lüge.“ • Lukian, Lügengeschichten und Dialoge, übersetzt und mit Anmerkungen und Erläutrungen versehen von Christoph Martin Wieland, Nördlingen (Greno) 1985, S.284.
Diese griechischen Automaten sind anders als der jüdische Lehm-Golem mechanische Wunderwerke. Doch auch das weit verbreitete eher töpferische Moment finden wir in antiken Mythologien - dass der Mensch aus Erde, Staub oder Lehm geschaffen wurde.
So erzählt der römische Dichter Ovidius (43 v. d. Z. – 17 n. d. Z.) in seinen „Metamorphosen“ der antiken Sagen wie Prometheus Menschen aus Lehm und Wasser formt (im Kapitel „Die Schöpfung“, 82–88) und wie Pygmalion (im Kapitel „Pygmalion“, 243–297) eine Frauenstatue aus Elfenbein erschafft und sich in sie verliebt. Dank Venus wird sie schließlich zum Leben erweckt.
Der römische Fabeldichter Phaedrus (15 v. d. Z. – 50 n. d. Z.) erzählt in „De Veritate et Mendacio“ über Prometheus und Dolus, die wie eine antike Variante des Zauberlehrlings Goethes erscheint. Prometheus erschafft die Statue der Wahrheit. Da er aber zu Zeus berufen wird, bleibt sein Lehrling Dolus (lat. Betrug, List) mit der Statue allein und erschafft eine zweite idente Statue. Allerdings ging ihm der Lehm aus und er kann ihre Füße nicht mehr modellieren. Prometheus brennt beide Statuen und schenkt ihnen das Leben. Aber der „Lüge“ fehlen im Gegensatz zur „Wahrheit“ ja die Füße, was Phaedrus zur Ansicht bringt, dass sich am Ende stets die Wahrheit durchsetzen wird. Ein künstliches Wesen, das in Verbindung mit der Wahrheit steht, erinnert natürlich an das spätere emet (hebr. Wahrheit) – Motiv der Golemlegenden. • Der lateinische Text und eine englische Übersetzung bei: Barbrius and Phoedrus: Fables, translated by Brian Edwin Perry, London / Cambridge, Mass. (Harvard University Press), 1965.
Adam • Der jüdische Golem-Mythos taucht erst im Mittelalter auf. Jedoch baut er auf Motiven und Elementen aus jüdischen und nicht-jüdischen Schriften der Antike auf. Hier ist es zunächst vor allem die Figur des Adam, die besonders zu berücksichtigen ist.
Adam • Die Schöpfung aus dem Wort ist auch der Schlüssel für den mittelalterlichen jüdischen Golemmythos, in der der Mensch die Adamsschöpfung nachahmt. • Mit dem Wort zu erschaffen als „imatio dei“ wird erst bei den mittelalterlichen jüdischen Mystiker wirklich zum Thema.
Adam • Die Erderschaffung des Adam wird auch im Psalm 139 thematisiert – auch wenn Adam selbst nicht erwähnt wird. In diesem Psalm kommt auch das Wort „Golem“ zum einzigen Male in der Bibel vor: • „Nicht verhohlen war mein Wesen vor dir, da ich entstand im Verborgenen, gewirkt ward in den Tiefen der Erde. Meine Masse [hebr. galmi] sahen deine Augen … Erforsche mich, Gott, und erkenne mein Herz, prüfe mich und erkenne meine Gedanken.“ (Psalm 139, Vers 15-16; 23)
Adam • Das Wort „galmi“ (mein Golem) wird von Leopold Zunz mit „Masse“, von Luther mit „unbereitet“, von Franz Eugen Schlachter mit „unentwickelt“ und Martin Buber und Franz Rosenzweig mit „Knäuel“ und von der Elberfelder mit „Urform“ übersetzt.
Adam • An der Adamsschöpfung können wir aber auch bereits erkennen, dass die Bezeichnung „Golem“ nicht das Endprodukt, sondern ein bestimmtes Stadium in der Erschaffung eines Menschen darstellt. Adam ist im Psalm zu einer bestimmten Zeit noch „unfertig“, eine unbelebte Masse. Erst der Anhauch Gottes macht aus dem Golem Adam den ersten Menschen. Auch die späteren menschlichen Nachahmungen in den jüdischen Legenden sind mangelhaft. Meist sind sie sprachlos, bzw. entsprechen eher menschlichen Automaten ohne jede Reflektion ihrer Taten. So ist die höchste Gott-Ähnlichkeit, die der männliche Mensch erreichen kann, auf künstliche Weise einen Golem zu erschaffen.
Währenddessen ist die Frau in der Lage, auf natürliche Weise Leben zu schenken und kann wie Mary Wollstonecraft Shelley (1797-1851) in ihrem „Frankenstein or the modern Prometheus“ (1818) vor den Umtrie- ben des männlichen Schöpfungswahnes nur dringlich warnen.
Adam • Nach der Vertreibung aus dem Paradies sollte Adam in den biblischen Schriften keine Rolle mehr spielen. Dennoch wird seine Gestalt in zahlreichen apokryphen Texten behandelt., die aber inhaltlich nur wenig zur Golemdiskussion beitragen kann. Sehr komplex ist die Erschaffung Adams in der „Schatzhöhle Adams“, ein christlicher syrischer Text aus dem 6. Jahrhundert, der auf Vorlagen aus dem 4. Jahrhundert basieren soll und an die Prozeduren späterer Golemerschaffungen erinnert.
„Dann sahen sie (die Engel), wie er (Gott) aus der ganzen Erde ein Staubkörnchen nahm, von allem Wasser ein Wassertröpfen, von aller Luft oben ein Windlüftchen und von allem Feuer ein wenig Wärmehitze… Und Gott bildete den Adam mit seinen heiligen Händen nach seinem Bild und Gleichnis.“ Paul Riessler, Altjüdisches Schrifttum außerhalb der Bibel, Heidelberg (F. H. Kehrle Verlag) 1966, S.944.
In dem christlichen gnostischen Text „Die Apokalypse des Adam“ (Mitte 4. Jahrhundert), der zu den zahlreichen Schriften gehört, die 1945 im oberägyptischen Nag Hammadi gefunden wurden, finden wir ein Motiv, das im Golemmythos sehr wichtig wurde – die Angst vor der übermenschlichen Stärke des geschaffenen Wesens. Meist kann der entfesselte Golem erst durch List besiegt werden. In der Apokalyse sind Adam und Eva ein ungetrenntes engelhaftes Wesen, das mächtiger als der Schöpfergott gewesen ist. Adam erzählt darüber seinem Sohn Seth:
„Und wir glichen den großen ewigen Engeln, denn wir waren über den Gott erhaben, der uns erschaffen hatte… Da trennte uns Gott… im Zorne. Da wurden wir zu zwei Äonen. Und es verließ uns jene Herrlichkeit, die in unserem Herzen war, mich und deine Mutter Eva.“[1] • [1] Die Apokalypse des Adam (NHC V,5), in: Nag Hammadi Deutsch Studienausgabe, hg. von Hans-Martin Schenke, Hans-Gebhard Bethge, Ursula Ulrike Kaiser, Katharina Schwarz, Berlin (Walter de Gruyter) 2007, S.319.
Beate Rosenfeld, Die Golemsage und ihre Verwertung in der deutschen Literatur, Breslau (Verlag Dr. Hans Priebatsch) 1934. • Gershom Scholem, Die Vorstellung vom Golem in ihren tellurischen und magischen Beziehungen, in: Gershom Scholem, Zur Kabbala und ihrer Symbolik, Frankfurt a. M. (Suhrkamp) 1973, 209-261. • Sigrid Mayer, Golem: Die Literarische Rezeption eines Stoffes, Bern (Peter Lang) 1975. Moshe Idel, Golem: Jewish Magical and Mystical Tradition on the Artificial Anthropoid, Albany, NY (SUNY) 1990, dt. 2007
Wie kam nun der Golem nach Prag und wie wurde Rabbi Löw zum Golemschöpfer?
Judentum und Magie • bTSanhedrin 65b • «Rabha sagte: Wenn die Gerechten wollten, so könnten sie eine Welt schaffen, denn es heißt [Jes. 59:2]: Denn eure Sünden machen eine Scheidung zwischen euch und eurem Gott. Rabha nämlich schuf einen Menschen [wörtlich Mann] und schickte ihn zu Rabbi Zera. Der sprach mit ihm, und er gab keine Antwort. Da sagte er: Du stammst wohl von den Gefährten [den Mitgliedern der talmudischen Hochschule]; kehre zu deinem Staub zurück. R. Chanina und R. Oschaja befaßten sich jeden Sabbath-Vorabend mit dem Buch der Schöpfung - nach einer anderen Lesart: mit den Vorschriften hilkhoth- über die Schöpfung - und schufen sich ein Kalb im Drittel seiner natürlichen Größe und verzehrten es.»
Talmud Jerushalmi • ySan 25d/54-55 Rabbi Yehoshua' ben Chananya sagte: Ich kann Kürbisse und Melonen nehmen und aus ihnen Rehe (und) Gazellen machen, aber wozu sind (solche) Rehe und Gazellen (denn) gemacht? • ySan 25d/5S-61 R. Yannai sagte: Ich ging (einmal) auf einer Straße von Sepphoris und sah einen Ketzer, wie er einen Stein nahm, ihn in die Höhe warf, und er kam herunter und war zu einem Kalb geworden. Aber hat R. Ele'azar im Namen R. Yoses b. Zimra nicht gesagt: Wenn alle, die in die Welt kommen, zusammenkommen würden, könnten sie nicht eine Mücke erschaffen und Leben in sie hineintun? Sollten wir sagen, der Ketzer habe nicht einen Stein genommen, ihn in die Höhe geworfen, und er sei heruntergekommen und zu einem Kalb geworden? Vielmehr (ist richtig): Er rief einen Gauner, und der stahl ihm ein Kalb von einem Hof und brachte es ihm.
Alle Menschen zusammengenommen könnten nicht einmal eine Mücke erschaffen und Leben in sie hineintun, d.h. sie können Gott als Schöpfer nicht nachahmen. Die vermeintlichen menschlichen Schöpfungen, von denen in diesen Geschichten berichtet wird, sind also nur Augentäuschungen, lediglich Beispiele von gewöhnlichen Tricks für leichtgläubige Leute.
Talmud Bavli • bSan 67b R. Abbaye sagte: Die Gesetze über die Zauberer sind denen des Shabbat ähnlich. Einiges wird durch die Steinigung bestraft und einiges ist straffrei, obwohl die Handlung verboten ist. Es gibt aber einiges, das von vornherein erlaubt ist. Wer etwas tatsächlich wirkt, wird durch die Steinigung (hingerichtet); während derjenige, der lediglich eine Augentäuschung vollzieht, straffrei ist, jedoch ist (die Handlung) verboten. Von vornherein erlaubt ist, was R. Chanina und R. Osha'ya zu tun pflegten. Sie beschäftigten sich an jedem Vorabend des Shabbats mit den Hilkhot Yesira, erschufen ein dreijähriges Kalb und aßen es dann auf.
Beim Vergleich mit den Shabbat-Gesetzen unterscheidet R. Abbaye drei Kategorien: • 1. »verboten«, mit der Hinrichtung durch die Steinigung bestraft; • 2. »frei von Todesstrafe«, jedoch verboten; • 3. »erlaubt mit voller rabbinischer Zustimmung«.
Ausgerechnet die Beschäftigung mit den Hilkhot Yesira und die Erschaffung eines Kalbes ist dem babylonischen Talmud zufolge erlaubt! Die Auslegung dieser talmudischen Stelle ist sehr umstritten….
Giuseppe Veltri, Magie und Halakha, Tübingen 1997, S.41ff.: • „ Diesbezüglich wird man nicht fehlgehen, wenn man das ganze als eine fiktive Geschichte ansieht, einen ironischen Midrash sozusagen, in dem der von Seiten der Zauberer erhobene Anspruch, Lebewesen zu schaffen, ad absurdum geführt wird. Man beachte den grotesken Zug, daß die Rabbinen das Kalb, das sie an jedem (!) Shabbatvorabend schufen, auch noch (vollständig?) verspeisten. Hier werden offensichtlich diejenigen verspottet, die behaupten es (mit oder ohne Hilkhot Yesira), Gott in seiner Schöpfungsmacht gleichtun zu können.“
G. Scholem, Die Vorstellung vom Golem… in: idem, Zur Kabbala und ihrer Symbolik, Frankfurt a.M. 1973, 218ff. • „Es liegt nun gewiß nahe und ist auch immer von der jüdischen Tradition angenommen worden, daß es bei dieser Schöpfung um Magie, wenn auch in einer durchaus erlaubten Form, ging. Die Buchstaben des Alphabets, um wieviel mehr noch die des Gottesnamens oder gar die der ganzen Tora, die ja das Instrument Gottes bei der Schöpfung war, haben geheime, magische Gewalt. Der Eingeweihte vermag sie anzuwenden.“
Eine grundlegende Basis für die Spekulationen über die Erschaffung der Welt bildet der Gedanke von der Tora als Schöpfungsinstrument. Hierbei nimmt die hebräische Sprache, in der die Tora verfaßt wurde, einen zentralen Platz ein. Man begann über die Kraft ihrer Buchstaben, mit deren Hilfe man über Kombinationen die Schöpfung nachvollziehen könne, zu spekulieren.
Sefer Jetsira Das „Buch der Schöpfung“ (hebr. Sefer Jetsira). Es ist eine Mischung aus Kosmologie und Linguistik. Traditionelle Kabbalisten behaupten, es sei vom Patriarchen Abraham verfaßt worden. Es stammt wahrscheinlich aus dem 3. Jahrhundert.
Der erste Teil erzählt von den zehn übernatürlichen Urzahlen, die mit dem unübersetzbaren neuen Wort Sefirot eingeführt werden. Die Sefirot sind hier keine mehrdeutigen Attribute wie in der späteren Kabbala. Sie sind die vier Himmelsrichtungen, Höhe und Tiefe und die vier Grundelemente “Hauch des lebendigen Gottes”, “Hauch vom Hauche”, “Wasser vom Hauch” und “Feuer aus Wasser”. Mit ihnen wurden Himmel und Erde versiegelt.
Der zweite Teil beschreibt dann das Instrument der Schöpfung: die 22 Buchstaben, mit denen Gott alles bildete, was geschaffen werden sollte. Die Buchstaben werden stets mit Entsprechungen im Menschen, im Jahr und im Universum verbunden.
Die ältesten mittelalterlichen Zeugnisse über die magische Auffassung des Buches Jetsira finden sich schon im Rashi-Kommentar (1040-1105) zu bTSanhedrin 65b: Rabha erschuf den Menschen „durch das Buch der Schöpfung, da sie die Kombination des Gottesnamens lernten.“
Weitere mittelalterlichen Zeugnisse über die magische Auffassung des Buches Jetsira finden sich bei Juda ben Barsilai am Ende seines Jetsira-Kommentars (p. 268), von dem sich eindeutig beweisen läßt, daß er mindestens von Eleasar von Worms (1165-1230), wahrscheinlich aber von der ganzen Gruppe der rheinischen Chassidim um 1200 gelesen worden ist.
«Als unser Vater Abraham geboren wurde…beriet sich Gott mit dem Buch Jezira und es stimmte ihm zu, und er überlieferte es dem Abraham. Er saß allein und meditierte darüber, konnte aber nichts davon verstehen, bis eine himmlische Stimme erging und zu ihm sagte: ‚Willst du dich mit mir gleichstellen? Ich bin Einer und habe das Buch Jezira erschaffen und darin geforscht; du aber kannst es als Einzelner nicht verstehen. So nimm dir einen Gefährten, und stellt ihr beide Betrachtungen darüber an, und ihr werdet es verstehen.' Sogleich ging Abraham zu seinem Lehrer Sem, dem Sohn Noahs, und saß drei Jahre mit ihm, und sie stellten Betrachtungen darüber an, bis sie die Welt zu schaffen wußten. Und bis jetzt gibt es niemanden, der es allein verstehen kann, sondern zwei Gelehrte [sind nötig], und auch sie verstehen es erst nach drei Jahren, woraufhin sie alles, was ihr Herz begehrt, machen können.
Auch Rabha wollte das Buch allein verstehen. Da sagte Rabbi Zera zu ihm: Es heißt ja (Jeremia 50:36): ,ein Schwert über die Einzelnen, sie werden töricht', das heißt: Ein Schwert über die Schriftgelehrten, die einzeln für sich sitzen und sich mit der Tora befassen ber39b. Wollen wir also zusammenkommen und uns mit dem Buch Jezira befassen. So saßen sie und stellten drei Jahre lang Kontemplationen darüber an und erlangten sein Verständnis. Da wurde ihnen ein Kalb erschaffen, und sie schlachteten es, um damit eine Feier zur Beendigung des Traktates zu veranstalten. Sobald sie es geschlachtet hatten, vergaßen sie es [das heißt: das Verständnis des Buches Jezira]. Da saßen sie drei weitere Jahre und brachten es noch einmal wieder hervor.»
So wie man beim Abschluß eines Traktates aus dem Talmud eine solche Schlußfeier macht. die magische Schöpfung als Bestätigung und Abschluß des Studiums des Jetsira-Buches. In klarer Umdeutung des ursprünglichen talmudischen Berichtes über Chanina und Oschaja (die hier mit Rabha und Zera verwechselt werden), keine praktische Nutzbarkeit haben. Im Moment, wo sie das Kalb wirklich schlachten, um es bei der Feier zu essen, vergessen sie ihr ganzes Studium! Diese Golemschöpfung ist ritueller Abschluß: Einweihung ins Geheimnis der Schöpfung. Die Vorschriften über die Schaffung eines Golem erscheinen hier in der Tat ursprünglich als Abschluß des Jetsira-Studiums…
Chasside Aschkenas In mehreren mystischen Texten aus dem Kreis der mittelalterlichen deutschen Chassidim finden sich die ersten wirklichen Berichte über Golemerschaffungen, wie in Eleasar von Worms (ca. 1165-1230) Kommentar zum Sefer Jetsira, dem Buch der Schöpfung oder in Geschichten über R. Shmuel.
„Man macht einen Kreis rings um die Kreatur und umgeht den Kreis und spricht die 221 Alphabete, wie sie aufgezeichnet sind, und manche erklären, dass der Schöpfer in die Buchstaben Kraft gelegt hat, so dass der Mensch eine Kreatur aus jungfräulicher Erde schafft und durchknetet und in die Erde vergräbt, einen Kreis und eine Sphäre rings um die Kreatur zieht und bei jedem Umgang eines der Alphabete spricht. So soll er dann 443 mal verfahren. Wenn er vorwärts geht, so steigt die Kreatur lebend auf, infolge der Kraft, die der Rezitation der Buchstaben innewohnt. Wenn er aber zerstören will, was er geschaffen hat, so geht er im Umgang rückwärts, indem er dieselben Alphabete von hinten nach vorn rezitiert. Dann sinkt die Kreatur von selber in den Boden ein und stirbt.“
„Ben Sira wollte das Buch Jezira studieren. Da erging eine himmlische Stimme: Du kannst solch Geschöpf nicht allein machen. Er ging zu seinem Vater Jeremia. Sie befaßten sich damit, und nach drei Jahren wurde ihnen ein Mensch erschaffen, auf dessen Stirn „Emet“ stand, wie auf der Stirn Adams. Da sagte der Mensch, den sie erschaffen hatten zu ihnen; Gott allein hat Adam erschaffen, und als er den Adam sterben lassen wollte, löschte er das Aleph von Emet weg, und er blieb met, tot. So sollt ihr auch an mir tun und nicht nochmals einen Menschen schaffen damit die Welt dadurch nicht wie in den Tagen des Enosch in Götzendienst abirrt. Der erschaffene Mensch sagte zu ihnen: Kehrt die Buchstabenkombinationen [durch die er erschaffen war] um und tilgt das 'aleph des Wortes 'emet von meiner Stirn - und sofort zerfiel er zu Staub.» Sefer gematrioth, in: Epstein, Abraham, Beiträge zur jüdischen Altertumskunde, Wien 1887, S.122-123.
Der anonyme Autor des «Buchs des Lebens»: Gerold Necker, Das Buch des Lebens, Tübingen 2001: «Die Zauberer und Magier Ägyptens, die Geschöpfe schufen, wußten durch Dämonen oder irgendeine andere Kunst die Ordnung der Merkaba und nahmen Staub … weg und schufen, was sie wollten. Die Gelehrten aber, von denen es heißt: ,…schuf einen Menschen usw.', kannten das Geheimnis der Merkaba und nahmen Staub unter den Füßen der [Tiergestalten in der] Merkaba weg und sprachen den Gottesnamen darüber aus, und er wurde erschaffen… Und so machen noch heute die Zauberer in Indien und den arabischen Ländern aus Menschen Tiere, indem sie einen Dämon beschwören, der ihnen Staub aus der entsprechenden Ordnung bringt und sie dem Zauberer übergibt. Der gibt ihn dem Menschen mit Wasser vermischt zu trinken, woraufhin dieser sofort verwandelt wird.»
Eleasar aus Worms: Seine Anweisung ist in vielen Handschriften als selbständiges Stück unter dem Titel «Praxis der Schöpfung eines Golem» erhalten - fehlen die vollständigen Tafeln der Kombinationen des Alphabets, auf die aber in ihnen immer wieder Bezug genommen wird, in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts hatte der Frankfurter Kabbaiist Naftali ben Jakob Bacharach zum ersten Mal den Mut, den Text dieser Anweisung in überarbeiteter Gestalt im Druck zu veröffentlichen, wobei er freilich vorsichtigerweise erklärt, seine Anweisung sei unvollständig, um nicht dem Mißbrauch durch Unwürdige ausgesetzt zu sein.
Man muss jungfräuliche Berg-Erde nehmen, die sie in fließendem Wasser kneten und daraus einen Golem formen. Über diese Figur sollen sie dann die sich ergebenden Kombinationen des Alphabets sprechen, die 221 Alphabetkombinationen bilden. Verbindungen von Buchstaben mit je einem Konsonanten des Tetragrammatons, und auch diese wiederum der Reihe nach in allen ihren Vokalisierungen durch die von den Chassidim angenommenen fünf Hauptvokale.
Ein bestimmtes Ordnungsprinzip in der Folge der Alphabete ruft ein männliches, ein anderes ein weibliches Wesen hervor; die Umkehrung dieser Ordnungen begleitet die Rückverwandlung des zum Leben erwachten Golem in Staub..
«Man macht einen Kreis rings um die Kreatur und umgeht den Kreis und spricht die 221 Alphabete, wie sie aufgezeichnet sind, und manche erklären, daß der Schöpfer in die Buchstaben Kraft gelegt hat, so daß der Mensch eine Kreatur aus jungfräulicher Erde schafft und durchknetet und in die Erde vergräbt, einen Kreis und eine Sphäre rings um die Kreatur zieht und bei jedem Umgang eines der Alphabete spricht. So soll er dann 442 [andere Lesart: 462] mal verfahren. Wenn er vorwärts geht, so steigt die Kreatur lebend auf, infolge der Kraft, die der Rezitation der Buchstaben innewohnt. Wenn er aber zerstören will, was er geschaffen hat, so geht er im Umgang rückwärts, indem er dieselben Alphabete von hinten nach vorn rezitiert. Dann sinkt die Kreatur von selber in den Boden ein und stirbt. Und so passierte es dem R.I.B.E. - wohl Rabbi Ismael ben Elischa'- mit seinen Schülern, die sich mit dem Buch Jezira befaßten und sich beim Umgang irrten und rückwärts schritten, bis sie selber durch die Kraft der Buchstaben bis zum Nabel in die Erde versanken. Sie konnten nicht mehr hinaus und schrien auf. Da hörte ihr Lehrer sie und sagte: Rezitiert die Buchstaben der Alphabete und geht nach vorwärts, statt, wie bisher, nach rückwärts zu gehen. Sie taten so und kamen frei.»