1 / 26

OR-BT: Bürgschaft I

OR-BT: Bürgschaft I. 28.3.2012. Rechtsquellen:. Art. 492ff. OR Gesetzesbestimmungen von 1939 bezwecken umfassenden Schutz des Bürgen, vgl. auch Art. 492 Abs. 4 OR Weitere Vorschriften:

shamus
Télécharger la présentation

OR-BT: Bürgschaft I

An Image/Link below is provided (as is) to download presentation Download Policy: Content on the Website is provided to you AS IS for your information and personal use and may not be sold / licensed / shared on other websites without getting consent from its author. Content is provided to you AS IS for your information and personal use only. Download presentation by click this link. While downloading, if for some reason you are not able to download a presentation, the publisher may have deleted the file from their server. During download, if you can't get a presentation, the file might be deleted by the publisher.

E N D

Presentation Transcript


  1. OR-BT: Bürgschaft I 28.3.2012

  2. Rechtsquellen: • Art. 492ff. OR • Gesetzesbestimmungen von 1939 bezwecken umfassenden Schutz des Bürgen, vgl. auch Art. 492 Abs. 4 OR • Weitere Vorschriften: - Art. 85 Abs. 2 OR, Art. 114 Abs. 1 OR, Art. 116 Abs. 2 OR, Art. 117 Abs. 3 OR, Art. 121 OR, Art. 135 Ziff. 1 OR, Art. 136 Abs. 2 und 3 OR, Art. 141 Abs. 3 OR, Art. 178 Abs. 2 OR - Art. 395 Abs. 1 Ziff. 9 ZGB, Art. 408 ZGB, Art. 582 Abs. 1 ZGB, Art. 591 ZGB, Art. 637 Abs. 2 ZGB - SchKG, ZPO - Bundesgesetz über die Finanzhilfen an gewerbeorien- tierten Bürgschaftsorganisationen vom 6. Okt. 2006

  3. Typenbeschreibung: • Bürgschaft zwischen Bürge und Gläubiger • Verpflichtung des Bürgen, für die Erfüllung der Hauptschuld einzustehen unter der Bedingung, dass der Hauptschuldner selbst nicht erfüllt (Personalsicherheit), Art. 495 Abs. 1 OR (Einrede der Vorausklage) • unentgeltlich

  4. Abgrenzungen: • vom bürgschaftsähnlichen Garantievertrag, Art. 111 OR: hM: Akzessorietät der Bürgschaft = Abhängigkeit vom Bestehen und vom Bestand der Hauptschuld (Art. 492 Abs. 2 OR und Art. 509 Abs. 1 OR); Garantievertrag ist unabhängig  Auslegungsfrage, vgl. BGE 113 II 434ff. • von der kumulativen Schuldübernahme, Art. 143 OR (=der Übernehmer der fremden Schuld tritt als Schuldner hinzu) hM: Schuldübernahme typischerweise mit Eigeninteresse, während Bürge fremdnützig (für den Hauptschuldner) handelt  vgl. BGE 129 III 702ff.

  5. BGE 113 II 434ff. «UnlimitedGuaranty» Am 31. Dez. 1982 unterzeichnete H (Verwaltungsrats-delegierter der N-AG) einen mit «UnlimitedGuaranty» betitelten Vertrag mit U-Company. Der Inhalt wurde wie folgt umschrieben: "In Anbetracht der Darlehen, die N. AG, Zürich, Schweiz, nachstehend Kreditnehmer genannt, von U. COMPANY, nachstehend Bank genannt, gewährt wurden oder weiterhin gewährt werden oder noch gewährt werden sollen, garantiert der Zeichner der Bank unwiderruflich und bedingungslos die Zahlung aller beliebigen Verbindlichkeiten des Kreditnehmers gegenüber der Bank zum Fälligkeitstermin, ob bei vorzeitiger Fälligstellung oder nicht, sowie aller Zinsen darauf und aller Anwaltshonorare, Unkosten und Auslagen, die der Bank durch das Inkasso solcher Verbindlichkeiten erwachsen.« Am 13. Jan. 1983 gewährte die Bank der N-AG einen Kontokorrentkredit in Höhe von 1 Mio Dollar zu 12,5% Zins. Am 1. Juli 1983 forderte sie diesen Betrag von H unter Berufung auf den Sicherungsvertrag. H hält den Sicherungsvertrag, den er als Bürgschaft ansieht, für formungültig. Wie ist die Rechtslage?

  6. Beschreibung des Garantievertrags: «Der gemeinhin unter Art. 111 OR subsumierte Garantievertrag weist verschiedene Erscheinungsformen auf. Bei der reinen Garantie steht der Garant für einen von jedwelchem konkreten Schuldverhältnis unabhängigen Erfolg ein (...). So kann sich eine Bank oder das Gemeinwesen verpflichten, den Verlust einer Unternehmung zu decken, ohne dass Dritte dem Begünstigten etwas schulden (...). Daneben umfasst der Begriff der Garantie auch diejenigen Verpflichtungen, die sich in irgendeiner Weise auf ein Schuldverhältnis, das dem Begünstigten einen Anspruch auf Leistung eines Dritten gibt, beziehen (…). Mit ihnen soll diese Leistung gesichert werden, gleichgültig, ob sie tatsächlich geschuldet ist; die Verpflichtung gilt damit auch für den Fall, dass die Schuldpflicht nie entstanden ist, wegfällt oder nicht erzwingbar ist (…). Da sich diese Garantie wesensmässig der Bürgschaft nähert, wird sie heute vornehmlich als bürgschaftsähnliche Garantie bezeichnet (…). Dem Grundgedanken des Art. 111 OR entsprechend verspricht der Promittent dem Promissar Schadenersatz für den Fall, dass der Dritte sich nicht erwartungsgemäss verhält (…). Diesen Garantievertrag im engeren Sinne (…) gilt es gegenüber der Bürgschaft abzugrenzen.»

  7. Abgrenzung zur Bürgschaft: «Abgrenzungskriterium ist die Akzessorietät (…). Ist Akzessorietät gegeben, liegt eine Bürgschaft vor, fehlt sie, ist Garantie vereinbart (...). Akzessorietät bedeutet, dass die Sicherheit das Schicksal der Hauptschuld teilt, indem die akzessorische Verpflichtung von der Hauptschuld abhängig ist und dieser als Nebenrecht folgt (…) mit der Wirkung, dass der akzessorisch Verpflichtete dem Gläubiger die dem Hauptschuldner zustehenden Einreden entgegenhalten darf (…). Das Abgrenzungskriterium der Akzessorietät kann allerdings durch Vorschriften des geltenden Rechts durchbrochen werden (…), die gewisse Sicherungsversprechen trotz fehlender Akzessorietät dem Bürgschaftsrecht unterstellen (Art. 492 Abs. 3 OR) und damit Vorschriften zum Schutze des Bürgen, insbesondere über Schriftform oder öffentliche Beurkundung der Bürgschaftserklärung, über die Notwendigkeit der Nennung des Höchstbetrages der Haftung (Art. 493 und 499 OR) sowie das Prinzip der weitgehenden Unabdingbarkeit des Bürgschaftsrechtes zugunsten des Bürgen (Art. 492 Abs. 4 OR) auf Fälle nicht akzessorischer Haftung ausdehnen. Diesen Schutzgedanken gilt es bei der Qualifikation des Sicherungsvertrages zu berücksichtigen (...).»

  8. Auslegungsfrage: «Ob eine Bürgschaft oder ein selbständiges Garantieversprechen vorliegt, ist durch Auslegung des Sicherungsvertrags zu ermitteln (…). Wenn die Auslegung nach Wortlaut, Sinn und Zweck des Vertrages, nach dem Sachzusammenhang und der inhaltlichen Ausgestaltung der einzelnen Erklärungen nicht zu einem eindeutigen Ergebnis führt, greifen nach Lehre und Rechtsprechung verschiedene Vermutungen Platz. So gilt die Vermutung, dass zur Verwirklichung des vom Bürgschaftsrecht angestrebten Schutzes des Verpflichteten im Zweifelsfall eher auf Bürgschaft zu schliessen ist (...). Weiter sollen Garantieerklärungen geschäftsgewandter Banken (…) und Sicherungsgeschäfte über Auslandverträge vermutungsweise als Garantien (…), Garantieerklärungen von Privatpersonen demgegenüber eher als Bürgschaften gewertet werden (…).»

  9. In concreto: «Die Bezeichnung des Vertrages als solche ist nicht entscheidend (Art. 18 OR), es sei denn, die verwendete Bezeichnung lasse in einem bestimmten Verkehrskreis ohne weiteres darauf schliessen, sie sei in ihrer rechtlichen Bedeutung gebraucht worden (…) Nicht entscheidend ist weiter, dass dem Sicherungsversprechen des Beklagten ein vertragliches Drittschuldverhältnis zugrunde liegt, ist dies regelmässig doch sowohl bei der Bürgschaft wie beim bürgschaftsähnlichen Garantievertrag der Fall (…) Obwohl dem Bestand eines Drittschuldverhältnisses als allgemeinem Abgrenzungskriterium in der Regel keine vorrangige Bedeutung zukommt (...), ist vorliegend zu berücksichtigen, dass der Beklagte nach dem Ingress der Erklärung einzig für die Verbindlichkeiten des Kreditnehmers einsteht. Sein Leistungsversprechen ist identisch mit der Leistungspflicht des Hauptschuldners. Der Beklagte stellt die Leistung des Kreditnehmers nicht in Aussicht, sondern sicher (…). Er verspricht nicht Schadenersatz für den Ausfall der Hauptleistung, sondern die Leistung schlechthin, sein Erfüllungsversprechen deckt sich mit demjenigen des Hauptschuldners. Dies weist auf Bürgschaft hin (…). Zum selben Schluss führt die Tatsache, dass der Beklagte die Schuldpflicht wenn auch nicht als eigene, so doch gemeinsam mit der N. AG übernommen hat: Bei der selbständigen Garantie ist eine solche gemeinsame Verpflichtung mit dem Hauptschuldner schon vom Begriff her ausgeschlossen (…). Die Vorinstanz stellt für die Annahme eines Garantievertrags entscheidend darauf ab, dass der Beklagte auf praktisch sämtliche Einreden und Einwendungen mit Ausnahme derjenigen der fehlenden Fälligkeit und des nicht erfüllten Vertrages verzichtet habe. (...). Für sich allein vermag der Einredenverzicht jedoch kaum die Annahme eines Garantievertrages zu begründen (…). Das Recht des Bürgen, die Einreden und Einwendungen des Hauptschuldners zu erheben (vgl. Art. 502 Abs. 1 und 3 OR), gehört zu den unabdingbaren Schutzrechten des Bürgen (Art. 492 Abs. 4 OR). Enthält ein Sicherungsvertrag einen Einredenverzicht, bleibt deshalb trotzdem zu prüfen, ob es sich um eine nach Massgabe des Bürgschaftsrechtes nichtige Vertragsbestimmung (…) handelt. Im Zweifelsfall darf nicht davon ausgegangen werden, der auf Einreden Verzichtende habe sich bewusst auf einen Garantievertrag und nicht auf eine Bürgschaft festgelegt (…). Vorliegend kommt hinzu, dass der Beklagte nicht auf sämtliche Einreden verzichtet hat (…) Auch dies spricht für eine akzessorische Sicherheit. (…)»

  10. BGE 129 III 702ff. B. ist Inhaber der im Handelsregister eingetragenen Einzelfirma "Y". Neben B ist seine Tochter, A, als einzelunterschriftsberechtigt im Handelsregister eingetragen. Am 6. März 1996 schloss die X. AG mit B als Leasingnehmer einen Leasingvertrag über einen Kleinbus. Am gleichen Tag unterzeichnete B gegenüber der Beklagten eine Schuldanerkennung für die Leasingraten. Neben ihm unterzeichneten den Leasingvertrag sowie die Schuldanerkennung «solidarisch» bzw. als «Solidarschuldner» die A sowie C, die Ehefrau von B. Die Schuldanerkennung gibt den Wortlaut der Artikel 143, 144 und 147 OR wieder. Am 11. Mai 1996 erlitt B mit dem geleasten Fahrzeug in Österreich einen Unfall. In der Folge unterschrieb B gemeinsam mit A eine Schuldanerkennung gegenüber der X. AG über Fr. 22'000.-, zahlbar in 48 Monatsraten à Fr. 450.- und eine Schlussrate von Fr. 400.-. Kann X die A auf Zahlung der Fr. 22’000 verklagen?

  11. Abgrenzung Garantie  kumulatives Schuldversprechen «Die kumulative Schuldübernahme (auch Schuldbeitritt oder Schuldmitübernahme) ist dadurch gekennzeichnet, dass der Schuldübernehmer eine eigene, zur Verpflichtung eines Schuldners hinzutretende, selbständige Verpflichtung begründet, somit die Drittschuld persönlich und direkt mitübernimmt (…). Im Gegensatz zum Garantieversprechen nach Art. 111 OR (…) hängt die kumulative Schuldübernahme ebenfalls vom Bestand der mitübernommenen Schuld ab, ist aber insofern nicht akzessorisch, als nicht jeder Wegfall der Verpflichtung des Hauptschuldners diejenige des Mitschuldners untergehen lässt. Ob die Solidarverpflichtung bei Wegfall der Primärschuld dahinfällt, beurteilt sich nach den Regeln der Solidarität (Art. 147 OR). Die Tilgung der Schuld bewirkt den Untergang der Mitverpflichtung. Der Gläubiger kann gegenüber jedem Schuldner über seine Forderung unabhängig verfügen. Grundsätzlich berührt ein Erlass der Forderung gegenüber dem bisherigen Schuldner die Verpflichtung des kumulativen Übernehmers nicht. Auch Kündigung und Mahnung wirken nur gegenüber jenem Schuldner, gegen den sie der Gläubiger ausgesprochen hat (…).»

  12. Das Problem der Abgrenzung: «Die Abgrenzung von Bürgschaft und Schuldmitübernahme ist fliessend. Auszugehen ist in rechtlicher Hinsicht davon, dass Inhalt und Rechtsgrund der Bürgenschuld von denjenigen der Hauptschuld verschieden sind, wogegen der Mitübernehmer sich gleich dem ursprünglichen Schuldner verpflichtet, diesem als Gesamtschuldner beitritt (...). Rechtsgrund der Verpflichtung ist im ersten Fall das Einstehen für die Leistungsfähigkeit des Hauptschuldners, im zweiten die eigenständige Befriedigung des Gläubigers (…). Im Gegensatz zur Bürgschaft darf die Sicherung nicht das wesentliche Element im Rechtsgrund der Schuld aus Mitübernahme darstellen, wenn auch in jeder Schuldmitübernahme ein gewisser Sicherungseffekt liegt (…). Es ist als Inkohärenz der Rechtsordnung zu werten, dass das gleiche wirtschaftliche Ziel der Verstärkung der Gläubigerposition mit zwei (bzw. mehreren) rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten erreicht werden kann, indessen nur die Bürgschaft zum Schutz der sich verpflichtenden Partei an besondere Formvorschriften geknüpft ist. Daraus ergibt sich ein Spannungsverhältnis zwischen der aus der Vertragsfreiheit fliessenden Wahlfreiheit zwischen zwei Rechtsinstituten und dem Erfordernis, einer Umgehung der nur für das eine Rechtsinstitut vorgesehenen Formvorschriften entgegenzutreten. So ist zu prüfen, ob Rechtsgeschäfte, die gleiche oder ähnliche Charakteristiken wie die Bürgschaft aufweisen, dem Bürgschaftsrecht unterstellt werden müssen.»

  13. Historischer Gesetzgeber: «Wie GUTZWILLER (…) nachgewiesen hat, war sich der Gesetzgeber beim Erlass der Bürgschaftsrechtsreform vom 10. Dezember 1941, in der die Formvorschriften verschärft wurden, zwar der Möglichkeit der Umgehung der entsprechenden Regeln, z.B. durch Abgabe einer Garantieerklärung, bewusst. Indessen setzte sich im Nationalrat und, ihm folgend, im Ständerat die Auffassung durch, dass sich die für die Bürgschaft vorgesehene Formvorschrift nicht rechtfertige, wo der Wille der Parteien wirklich auf den Abschluss eines Garantievertrages gehe (…). Damit hat sich der Gesetzgeber klar dafür entschieden, trotz der erkannten Abgrenzungsproblematik zwischen Bürgschaft und anderen persönlichen Sicherungsversprechen, mehrere Gestaltungsmöglichkeiten zuzulassen, ohne die Formvorschriften über die Bürgschaft hinaus auszudehnen. Lehre und Rechtsprechung haben daraus geschlossen, dass die Parteien nach ihrem freien Willen entscheiden dürfen, ob ein Sicherungsziel mit Bürgschaft, Garantie oder kumulativer Schuldübernahme erreicht werden soll. Eine Beschränkung der Privatautonomie ist insofern zu verneinen (...). Dass die Parteien nach freiem Willen bestimmen können, welche Form von Sicherungsgeschäft sie wählen, rechtfertigt sich denn auch insofern, als namentlich im internationalen Handels- und Kreditgeschäft aus praktischen Gründen ein hohes Bedürfnis nach einem Rückgriff auf formfreie Sicherungsgeschäfte anstelle der formgebundenen Bürgschaft besteht, (…). Ein formfreies Geschäft kann aber beispielsweise auch gewählt werden zur Vermeidung von Notariatskosten, wegen Dringlichkeit des Vertragsabschlusses, wegen Beurkundungsproblemen bei Vertragstexten in ausländischer Sprache oder aufgrund von Schwierigkeiten bei der Bestimmung des zahlenmässig bestimmten Höchstbetrages in der Urkunde selbst (…).»

  14. Auslegungsfrage: «Davon ausgehend, dass die gewählten Bezeichnungen von den Vertragsparteien gewöhnlich in ihrer objektiven Bedeutung verwendet werden und den korrekten Sinn der Erklärung wiedergeben, hat ein klarer Wortlaut bei der Auslegung nach dem Vertrauensprinzip Vorrang vor weiteren Auslegungsmitteln. Auch wenn der Wortlaut - wie im vorliegenden Fall - auf den ersten Blick klar erscheint, darf es allerdings nicht bei einer reinen Wortauslegung sein Bewenden haben (Art. 18 Abs. 1 OR). So kann sich aus den anderen Vertragsbestimmungen, aus dem von den Parteien verfolgten Zweck und aus weiteren Umständen ergeben, dass der Wortlaut der strittigen Bestimmung nicht genau den Sinn der Vereinbarung unter den Parteien wiedergibt (BGE 128 III 265 E. 3a; BGE 127 III 444 E. 1b S. 445). Dementsprechend misst die Rechtsprechung dem Umstand, dass die Parteien präzise juristische Bezeichnungen verwendet haben, für sich allein keine entscheidende Bedeutung zu (…). Insbesondere darf nicht ohne weitere Prüfung auf einen entsprechenden Wortlaut abgestellt werden, wenn die verpflichtende Partei eine ausländische Person ist oder die Willenserklärung von ihr in einer Fremdsprache abgegeben wurde. Gegenüber geschäftserfahrenen, im Gebrauch von Fachbegriffen gewandten Personen, kann allerdings eine strikte Auslegung nach dem Wortlaut angezeigt sein (…)».

  15. Kriterium der Geschäftsgewandtheit: «Bei nicht geschäftsgewandten Vertragsbeteiligten darf nicht ohne weiteres vertrauenstheoretisch von einem klaren Vertragswortlaut auf den Willen geschlossen werden. Wollen solche Parteien tatsächlich eine kumulative Schuldübernahme oder eine Garantie anstelle einer Bürgschaft wählen, was ihnen nach dem vorstehend (…) Dargelegten frei steht, ist für die Kundgebung ihres klaren diesbezüglichen Willens mehr erforderlich als die blosse Verwendung präziser juristischer Fachausdrücke wie "Garantie" oder "solidarische Mitverpflichtung", allenfalls gekoppelt mit Zitaten der entsprechenden Gesetzesbestimmungen, damit es bei einer grammatikalischen Auslegung des Vertrages sein Bewenden haben kann (…). Die Vorinstanz hat insofern zutreffend erwogen, die Schutzklausel von Art. 493 OR könnte viel zu leicht umgangen werden, wenn es genügen würde, bloss einen juristischen Ausdruck wie "solidarisch" oder "Vertrag zu Lasten eines Dritten" auf einem Vertragsformular aufzuführen, das dem Vertragspartner, der oft die Bedeutung der Begriffe nicht kennt, zur Unterschrift vorgelegt wird (…). In solchen Fällen ist daher zum Schutze der sich verpflichtenden Partei erforderlich, dass im Vertrag selber für die nicht geschäftsgewandte Partei klar verständlich und in individueller, d.h. nicht formularmässiger Weise, dargelegt wird, dass sich der Interzedent der Tragweite der eingegangenen Verpflichtung bewusst ist und aus welchen Gründen auf die Wahl der Rechtsform einer Bürgschaft verzichtet wird (…).»

  16. «Eigeninteresse»: «Damit auf kumulative Schuldübernahme geschlossen werden kann, ist erforderlich, dass der Übernehmer ein unmittelbares und materielles Interesse hat, in das Geschäft einzutreten und es zu seinem eigenen zu machen, indem er - für die Gegenpartei erkennbar - direkt von der Gegenleistung des Gläubigers profitiert, wie bei der Miete einer gemeinsam genutzten Wohnung, dem Leasing eines vom Mitübernehmer mitbenutzten Fahrzeuges zu privaten Zwecken oder bei der gemeinsamen Geldaufnahme durch Ehegatten für gemeinsame Bedürfnisse (…). Ein eigenes Interesse ist auch zu bejahen, wenn der Promittent mit dem Schuldner zusammen eine einfache Gesellschaft bildet und es um eine Sicherheit für ein Geschäft geht, das zur Erreichung des Gesellschaftszwecks eingegangen wurde (…). Gleich verhält es sich, wenn dem Gläubiger bekannt ist, dass der Promittent eine stille Beteiligung am Geschäft oder der Personengesellschaft hält, deren Schuld sichergestellt wird (…). Für die Qualifikation als Schuldmitübernahme genügt es dagegen nicht, wenn der Übernehmer nur irgendeinen undefinierten Vorteil daraus zieht, dass er zugunsten des Hauptschuldners beitritt. Er muss sich erkennbar aufgrund des gleichen Rechtsgrundes für den gleichen Vertrag wie der Hauptschuldner verpflichten wollen (…). Dementsprechend genügt der hier vorliegende Umstand, dass die Klägerin als einzelunterschriftsberechtigt im Handelsregister einer Einzelfirma eingetragen ist, für sich allein nicht, um anzunehmen, sie habe ein genügendes und erkennbares Interesse am zu sichernden Geschäft zwischen der Einzelfirma und dem Gläubiger, dass sie sich neben dem Hauptschuldner selbständig verpflichten wollte.»

  17. Bürgschaftsarten: • Einfache Bürgschaft, Art. 495 Abs. 1 OR • Solidarische Bürgschaft, Art. 496 Abs. 1 OR • Mitbürgschaft, Art. 497 Abs. 1 OR • Nachbürgschaft, Art. 498 Abs. 1 OR • Rückbürgschaft, Art. 498 Abs. 2 OR

  18. Vertragsentstehung: • Konsensualvertrag, Art. 1 OR • Form: - schriftliche Erklärung des Bürgen und die Angabe des zahlenmässig bestimmten Höchstbetrags der Haftung in der Bürgschaftsurkunde, Art. 493 Abs. 1 OR - bei natürlichen Personen, die eine Haftung von über Fr. 2000 übernehmen, muss die Bürgschaft öffentlich beurkundet werden, Art. 493 Abs. 2 Satz 1 OR • Handlungsfähigkeit, Art. 12ff. ZGB: - verbeiständete Personen, Art. 395 Abs. 1 Ziff. 9 ZGB - bei verheirateten Personen: Zustimmung des Ehegatten, Art. 494 Abs. 1 OR

  19. Formfragen: • Schutzfunktion der Form: - Information (Höhe der Forderung) - Übereilungsschutz (unbedacht) • Inhalt der Beurkundung: - alle objektiv und subjektiv wesentlichen Angaben der Bürgenerklärung, insbes. Höchstbetrag der Bürgenhaftung, Art. 493 Abs. 1 und 2 OR und eigenhändige Unterschrift des Bürgen - nicht: Nebenpunkte sowie Punkte, die die Stellung des Bürgen verbessern

  20. Folgen von Formmängeln? • BGE 119 Ia 441ff. Nichtbeurkundung der Mitbürgschaft • BGE 128 III 434ff. Bestimmbarkeit der Hauptschuld

  21. BGE 119 Ia 441ff. «Der öffentlichen Beurkundung nach Art. 493 Abs. 2 OR unterliegen alle objektiv und subjektiv wesentlichen Angaben (…). Sinn und Zweck dieser Bestimmung ist, dem Bürgen die Tragweite seiner Verpflichtung vor Augen zu führen und ihn vor übereilten Bürgschaftsversprechen abzuhalten (…). Von der Formvorschrift werden alle Punkte umfasst, welche die Rechtsstellung des Bürgen erschweren, nicht aber diejenigen, die den Vertrag bloss in einem Nebenpunkt ergänzen oder die Stellung des Bürgen ausschliesslich in dessen Interesse erleichtern (…). Nach SCHMID (…) stellt die Mitbürgschaft eine Erleichterung des Bürgen dar.»

  22. BGE 128 III 434ff. A unterzeichnete zwei Solidarbürgschafts-verpflichtungen gegenüber der Bank Y. Die erste vom 25.Okt. 1994 belief sich auf einen Höchstbetrag von Fr. 400.000, die zweite vom 29. März 1995 auf Höchstbetrag von Fr. 300.000. Die Hauptschuld der Z-AG wurde erst mit Kreditvertrag vom 1. bzw. 6. September 1995 in Höhe von Fr. 700.000 begründet. Sind die Bürgschaften des A wirksam beurkundet?

  23. Bürgschaft für zukünftige Schuld: «Die Vorinstanz hat sodann den Einwand des Beklagten verworfen, die Bürgschaften vom 25. Oktober 1994 und vom 29. März 1995 seien aus formellen Gründen nichtig, weil die Hauptschuld weder bestimmt noch bestimmbar sei. Auch für eine künftige Schuld könne eine Bürgschaft begründet werden, wenn sie tatsächlich entstehe und die Haftung nicht über den Höchstbetrag der Bürgschaft hinausgehe. Die Bürgschaftsurkunden vom 25. Oktober 1994 und vom 29. März 1995 enthielten alle wesentlichen Elemente wie die Unterschrift des Bürgen, die Bezeichnung des Gläubigers, die Angabe der verbürgten Schuld, die Bürgschaftserklärung und die Angabe des Höchstbetrages. Der Kreditvertrag sei am 1./6. September 1995 zustande gekommen und von keiner Partei angefochten worden. Im Bürgschaftsvertrag vom 29. März 1995 sei die Höhe der im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bestehenden Verpflichtungen der Hauptschuldnerin genannt worden. Dass diese Angabe im ersten Bürgschaftsvertrag vom 25. Oktober 1994 fehle, weil die Bürgschaft nur für künftige Forderungen eingegangen worden sei, berühre deren Gültigkeit nicht.»

  24. Eingeschränkte Funktion des Akzessorietätsgrundsatzes «Mit der durch die Gesetzesänderung im Jahre 1942 eingeführten summenmässigen Begrenzung der Bürgschaft hat das Akzessorietätsprinzip einen Teil seiner Funktion eingebüsst, indem die Aufgabe der Risikobegrenzung durch das Gültigkeitserfordernis des in der Bürgschaftsurkunde zu nennenden Höchstbetrages übernommen wurde. Demgegenüber behielt das Akzessorietätsprinzip seine übrigen Funktionen bei (…). Wenn ein eindeutig identifizierbares Rechtsverhältnis zwischen Gläubiger und Hauptschuldner genannt wird, kann innerhalb dieses Rechtsverhältnisses eine beliebige Zahl zukünftiger Forderungen gesichert werden, wie dieser Autor zutreffend festhält (…). Zum gleichen Ergebnis gelangte bereits BECK, der massgeblich an der damaligen Reform des Bürgschaftsrechtes beteiligt war. Dieser hielt dafür, die Klausel, wonach "alle gegenwärtigen und zukünftigen Forderungen" der Bank gegenüber dem Hauptschuldner verbürgt werden, sei im Allgemeinen als gültig zu betrachten (…).».

  25. In concreto: «Die am 29. März 1995 unterzeichnete Bürgschaft, die einen Höchstbetrag von Fr. 300'000.- vorsieht, sollte (…) der Sicherstellung eines festen Vorschusses von Fr. 300'000.- [dienen]. Die Bedingungen für (…) den festen Vorschuss werden im Kreditvertrag umschrieben. Damit wurde die Rechtsbeziehung zwischen der Gläubigerin und der Hauptschuldnerin definiert. (…) Es bleibt zu prüfen, ob das zu sichernde Forderungs- oder Rechtsverhältnis in der Bürgschaftsurkunde selbst hätte umschrieben werden müssen, wie das von WIEGAND (Die Bürgschaft, a.a.O., S. 202) offenbar mit Blick auf die Übertragungs- und die Untergangsakzessorietät (…), vertreten wird. Dieser Auffassung ist entgegenzuhalten, dass das Bundesgericht in BGE 120 II 35 E. 3a seine langjährige Praxis bestätigt hat, wonach sich der Rechtsgrund der Hauptschuld und die Identität des Gläubigers nicht aus der Bürgschaftserklärung selbst ergeben müssen. (…) Im Übrigen ist nicht einzusehen, weshalb die Übertragungs- und Untergangsakzessorietät ihre Funktion nicht auch erfüllen können, wenn die Rechtsbeziehung zwischen Hauptschuldner und Gläubiger erst nach der Bürgschaftsunterzeichnung begründet wird. Dem Gesetz ist jedenfalls ein entsprechendes Gültigkeitserfordernis nicht zu entnehmen.»

  26. Formerfordernis (Art. 493 OR) gilt auch für: • Nachträgliche Abänderungen der Bürgschaft, Art. 493 Abs. 5 OR • Erteilung einer Vollmacht zur Eingehung einer Bürgschaft, Art. 493 Abs. 6 OR • Versprechen, dem Vertragsgegner oder einem Dritten eine Bürgschaft zu leisten, Art. 493 Abs. 6 OR

More Related