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Seniorenuniversität Bern 2012 Die Schweiz im Schengenraum

Seniorenuniversität Bern 2012 Die Schweiz im Schengenraum. Ass. Prof. Dr. Marion Panizzon Universität Bern. Gegenstand der Vorlesung. Ziele & Entstehungsgeschichte von Schengen Institutionelle Dimension Übernahme von Schengenrecht durch die Schweiz Organisation der Bundesverwaltung

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Seniorenuniversität Bern 2012 Die Schweiz im Schengenraum

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Presentation Transcript


  1. Seniorenuniversität Bern 2012Die Schweiz im Schengenraum • Ass. Prof. Dr. Marion Panizzon • Universität Bern

  2. Gegenstand der Vorlesung • Ziele & Entstehungsgeschichte von Schengen • Institutionelle Dimension • Übernahme von Schengenrecht durch die Schweiz • Organisation der Bundesverwaltung • Materiellrechtliche Dimensionen • Abschaffung der Grenzkontrollen für Personen • Visum(harmonisierung) • Polizei- & Justizzusammenarbeit • Kosten/Nutzen-Analyse einer Schengenmitgliedschaft • Dublin (Eurodac) und Datenschutz

  3. Ziele von Schengen/Dublin • Aufheben der Binnengrenzen zugunsten einer einzigen Aussengrenze (Freizügigkeit) • Vereinheitlichte Visapolitik beim Kurzaufenthalt • Ausgleichsmassnahmen (flankierend) zur Gewähr-leistung der Sicherheit; • Kontrollen an den Aussengrenzen (FRONTEX) • grenzüberschreitende Polizeizusammenarbeit (SIS) • Rechtshilfe in Strafsachen (schwedische Initiative) • Bekämpfung der illegalen Migration (Biometrie, Rückführungen, Waffen- und Drogenmissbrauch) • Koordination der Zuständigkeit für die Behandlung von Asylgesuchen

  4. Entstehungsgeschichte von SchengenVölkerrechtliche Verträge • Schengen-Übereinkommen (SUe) von 1985 betreffend Abbau von Kontrollen an gemeinsamen Grenzen (Schengen I) • Schengen-Durchführungsabkommen (SDÜ) von 1990 zur Harmonisierung der Visumpolitik (Schengen II) • „Raum ohne Binnengrenzen“ ausserhalb des Gemeinschaftsrechts, zwischen Belgien, Deutschland, Frankreich, Luxemburg und Niederland • Prümer Vertrag (justizielle Zusam-menarbeit) von 2005 (Schengen III)

  5. Entstehungsgeschichte von SchengenÜberführung ins EU-Recht • 2. Okt. 1997: Überführung in EUV/EGV im Vertrag von Amsterdam: • Titel IV EUV (Dritter Pfeiler): polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen • Titel IV EGV (Visa, Asyl, Einwanderung) variable Geometrie (UK/Irland excl; DK: nur völkerrechtlich) • 1 Dez. 2009: Überführung in den Lisabonner Verfassungs-vertrag: Art. 3:2 EUV • „Die Union bietet ihren Bürgerinnen und Bürgern einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts ohne Binnengrenzen, in dem — in Verbindung mit geeigneten Maßnahmen in Bezug auf die Kontrollen an den Außengrenzen, das Asyl, die Einwanderung sowie die Verhütung und Bekämpfung der Kriminalität — der freie Personenverkehr gewährleistet ist.“ • Folgen für die Schweiz: Übernahme von EU-Recht

  6. EntstehungsgeschichteEU-Sekundärrecht ersetzt SUe und SDÜ • Schengener Grenzkodex (SGK) vom 13.4.2006 • Verordnung (EG) des EP &Rates Nr. 562/2006zur Zusammenarbeit der Polizeibehörden, der Aufhebung und Wiedereinführung der Personenkontrollen und der vereinheitlichten Ein-und Ausreiseverfahren • EU-Visakodex vom 5.4.2010 • Verordnung (EG) des EP & Rates Nr. 810/2009 vom 13.7. 2009 über den EG-Visakodex der Gemeinschaft inkl Handbuch für die Bearbeitung von Visanträgen und die Änderung von bereits erteilten Visa • EU-Visumsverordnung (EG) Nr. 539/2001 • zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Aussengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind • EU-Verordnung (EG) Nr. 2252/2004 über biometrische Pässe und Reisedokumente • Richtlinie 2008/115/EG über Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehörige

  7. Schweizer Mitgliedschaft in Schengen • Unterzeichung des Schengen-Assoziierungs-abkommens (SAA) am 26. Okt. 2004 • Bundesversammlung genehmigt SAA am 17. Dez. 2004 als Teil der 7 bilateralen Abkommen II • Fakultatives Referendum 5. Juni 2005: SAA (& DAA) knapp (56,3% Ja-Stimmen) angenommen • Inkrafttreten am 12.12.2008 (29.03.2009 für die Flughäfen) • bis heute 137 Weiterentwicklungen übernommen (2004-19.9.2012)

  8. Verlust direktdemokratischer Recht? Kein oblig. Referendum Fakultatives Referendum: Abstimmung über Vertrag und Gesetzesänderung • Kritik der SVP, dass kein obligatorisches Referendum • ABER: keine Verfassungsänderung & kein Beitritt zu supranationaler Organisation • Keine Bindung der schweizerischen Gerichte an EuGH • Streitbeilegung durch GA • Kündigung möglich • Kritik am Package-Deal: Einheit der Materie verletzt • ABER: Vorteil des Package-Deals: Neutralisierung der Vor- und Nachteile

  9. 3 Modelle der Übernahme von Schengenrecht durch die Schweiz • Modell 1 –ohne rechtliche Verbindlichkeit: „Kenntnisnahme“ • Notenaustausch des Bundesrates oder des zuständigen Departments gilt nicht als Staatsvertrag (25,6%). • Modell 2 –Rechte und Pflichten für die Schweiz • Austausch von Noten zwischen der Schweiz und der EU, gilt als internationaler Vertrag mit Kompetenz des Bundesrates (56,4%). • Modell 3 –Rechte und Pflichten für die Schweiz • Austausch von Noten zwischen der Schweiz und der EU gilt als internationalen Vertrag mit Kompetenz der Bundesversammlung (Referendumsmöglichkeit), maximale Frist von 2 Jahren (18%)

  10. « Notifikation »/ Notenaustausch • EU informiert die Schweiz über das Inkrafttreten einer Weiterentwicklung • die Schweiz hat innert 30 Tagen über eine einseitige Erklärung die Gutheissung der Weiterentwicklung der EU zu notifizieren; • bei Referendum (2 Jahre) • Ablehnung der Übernahme • Suche der Vertragsparteien nach gemeinsamer Lösung • Zusätzlicher Konsultationsmechanismus auf ministerieller Ebene zur Lösung • Kündigung → direktdemokratische Rechte inkl fak. Referendum gewahrt

  11. Rezeption des EG-Rechts ohne Mitentscheidungsrecht? • Schengen-Weiterentwicklung werden im Konsens in Ausschüssen der EU Kommission u Arbeitsgruppen des EU Rats beschlossen • Einsitz der CH in EU Arbeitsgruppen, „gestaltendes Mitsprache“, aber kein Mitbestimmungsrecht • Gemischter Ausschuss SAA darf nicht über Weiterentwicklung bestimmen • Integration der Schweiz in den Unionsrahmen?

  12. Kein Verlust an Demokratie und Souveränität? • keine automatische Anpassung/Nachführung • Schweiz ist nicht zur Übernahme aller Neuerungen verpflichtet • Künftige Rechtsakte unterliegen formell schweizerischen Rechtssetzungsverfahren • politisch wenig Spielraum, von den EU Regelungen abzuweichen • Beizug von Experten aus der CH in EU Arbeitsgruppen stärkt Einflussmöglichkeiten • keine automatisch Kündigung, sondern Konsultations-mechanismus • „variable“ Geometrie in Anbindung der Schweiz

  13. Übernahme von Schengen Weiterent-wicklungen durch Parlament (Modell 2) • Errichtung der IT-Agentur • biometrische Pässe & Ausländerausweise • Schengener Grenzkodex • Grenzschutzagentur FRONTEX & Soforteinsatzgruppen zur Grenzsicherung RABIT • Schengener Informationssystem (SIS) • Informationsaustausch unter Strafverfolgungsbehörden («Schwedische Initiative») • Aussengrenzenfonds • Waffenrecht • Visa Informationssystem (VIS) • Datenschutz im Rahmen der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen • Rückführungsverfahren

  14. Einsitz in EU Arbeitsgruppen • 15 Arbeitsgruppen auf Expertenebene, treffen sich monatlich; Entscheid via Konsens → kein Stimm/Vetorecht der CH, sondern nur « decision-shaping » (Mitwirkungsrecht) • Recht Anregungen zu geplanten Rechtsakte zu machen • Recht auf Unterrichtung über geplante Rechtsakte • Akte wird den Hohen Beamten & Botschaftern (COREPER) übermittelt • Schlussentscheid: Minister im Rat für Justiz und Inneres (JI) der EU

  15. Schengen Raum500 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern500’000 illegal 27 Schengen Mitgliedstaaten (30 Dublin) Schengen Mitgliedstaaten mit speziellem Status Künftige Mitgliedstaaten Bulgarien, Rumänien, Zypern Assoziierte Staaten

  16. Materiellrechtliche Dimension von Schengen • Grenze • Abschaffung der systematischen Personengrenzkontrollen an Binnengrenzen für Schengen und Nicht-Schengen-Angehörige • einheitliche Aussengrenzkontrollen durch „integrierte Grenzverwaltung“ • Visum • Gemeinsames Visum für Kurzaufenthalte (Schengen-Visum) • Einreise-Voraussetzungen von Drittstaatsangehörigen harmonisiert • Ausgleichsmassnahmen • Migrationszusammenarbeit der Polizei und Justiz , insb. Bekämpfung der illegalen Migration

  17. 1. materiellrechtliche DimensionGrenze • Unterscheidung Binnen-/Aussengrenze: • Binnengrenze zugunsten einer einzigen Aussengrenze aufgehoben • Grenz(mindest)kontrollen an Aussengrenze harmonisiert • Verstärkung der polizeilichen Zusammenarbeit: mobile Kontrollen im Landesinnern und im grenznahen Raum

  18. Gibt es an der Schweizer Grenze noch Kontrollen? Welche, wann und für wen? • Abschaffung der systematischen Grenzkontrollen für alle Personen (ohne Unterschied ob Schengen und Nicht-schengen Staatsangehörige) an den Binnengrenzen Ausnahmen: • Stichproben • Polizeilicher Anfangsverdacht • Befristete Wiedereinführung in besonderen Risikosituationen (Grossanlässe (G-8 in Genua/Heiligendamm, Terroranschläge) • Schengenaussengrenze (Flughäfen): alle Passagiere, die aus Nicht-Schengen Staaten in die CH einreisen oder in diese Destinationen fliegen, kontrolliert → beide Passagierströme am Flughafen getrennt • Zoll(waren)kontrollen durch Grenzwachtkorps (GWK) → Schweiz ist nicht Mitglied der EU-Zollunion

  19. Wer kontrolliert die Schweizer Aussengrenzen? • täglich 1,3 Mio. Personen und 700'000 Fahrzeugen überqueren CH-Binnen- u. Aussengrenzen • lückenlose Kontrolle aller Personen und Fahrzeugen ist in der Praxis nicht möglich • Aufgabenverteilung zwischen Polizei und Grenzwachtkorps (GKW) • Kantonale Polizeihoheit als Grundsatz • Über die Hälfte der Schengen-Aussengrenzübertritte am Flughafen ZH; ZH Kantonspolizei überwacht Hauptanteil der Grenzen • Verträge zwischen Binnenkantone und GWK • Zersplitterung der Kompetenz

  20. Wiedereinführung der Grenzkontrollen • Wiedereinführung der Grenzkontrolle: « bei ernsthaften Bedrohung für die öffentliche Ordnung oder der inneren Sicherheit“ • „vorhersehbaren Ereignissen“ (Fussballspiele, politische Gipfel, G-8) 30 Tage bis 6 Monate • „dringenden Ereignissen“ (Terroranschläge) 10 Tage bis 2 Mte • seit 2012: „Defiziten an den Aussengrenzen“: 6 Mte bis 2 Jahre • Zuständigkeit des Bundesrates • Wegweisungen an der Grenze gelten als wiedereingeführte Binnengrenzkontrollen

  21. Abgrenzung Waren-Personenverkehr Kompetenzen • Warenkontrollen durch EU und Schweizer Zollbehörden, weil Schweiz keine Zollunion mit EU • Art. 57 BV gemeinsame Verantwortung für innere Sicherheit • Postulat Malama « innere Sicherheit, Klärung von Kompetenzen » • Systematische Übertragung von Kompetenz der Kte auf Grenzwachkorps: darf nicht direkt und ausschliesslich auf Artikel 44 BV beruhen, • Art. 97 ZV keine ausreichende Gesetzesgrundlage für diese Delegation: Revision?

  22. Sind verdachtsunabhängige Personenkontrollen erlaubt? • darf bei polizeilichem Verdacht in einer Waren-kontrolle Personenkontrolle vorgenommen werden? • Urteil Melki des EuGH: polizei. Zusam arbeit darf nicht Grenzkontrolle gleichkommen • Verdachtsunabhängige Personenkontrollen erlaubt: • Stichkontrollen • Ermessenspielraum der Behörde eingeschränkt • Kontrollen nicht an Grenzen, sondern im Hoheitsgebiet & unabhängig vom Überschreiten der Grenze durch die kontrollierte Person

  23. Vergleich zu den USA • Systematische Personengrenzkontrolle nicht verboten, sondern als « administrative Routine » erlaubt • auch wenn kein Verdachtsmoment • Behördenermessen nicht eingeschränkt • Ist die Kontrolle von PED (personal electronic devices) eine reguläre oder tiefgreifendere Personenkontrolle? • Gemäss case law ist es eine tiefgreifendere Kontrolle und braucht individualisierten Verdachtsmoment » • Brown vs Texas 1979 • Wilkes vs Wood 1763

  24. FRONTEX & RABIT • Europäische Grenzschutzagentur FRONTEX (mit Sitz in Warschau) Verbesserung der operativen Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten im Bereich des Aussengrenzschutzes • Ausbildung von Grenzschutzbeamten • Risikoanalysen • Kontroll-und Überwachungstätigkeiten der Mitgliedstaaten an den Aussengrenzen • Koordiniert gemeinsame Operationen • Zusammenarbeit bei gemeinsamen Rückführungsaktionen • Zusatzvereinbarungen 2010, 2011 CH zahlt 3.8 Mio. CHF jährlich ein erhält 4,5 Mio. Euro pro Jahr • 2011: CH-Beteiligung an FRONTEX Operation in Süditalien mit 3 Experten • RABIT: Soforteinsatzteams: anfordernder Mitgliedstaat leitet Einsatz (CH-Fahrzeug und Dokumentenspezialisten)

  25. Aussengrenzfonds • Solidaritätsfonds zur Unterstützung von Mitgliedstaaten, die aufgrund der Länge oder geopolitischen Bedeutung ihrer Land- und/oder Seegrenzen auf Dauer hohe Kosten für den Schutz der Aussengrenzen tragen (2007-13) • Neue Infrastruktur • Ausbildung von Grenzschutzbeamten: einheitliche Qualifi-kationen • Effiziente Steuerung der Verkehrsströme von Personen an den Aussengrenzen • Verbesserung der Verwaltung der Konsularstellen in Dritt-staaten; Steigerung der Kapazität von Konsularstellen zur Prüfung von Visumanträgen • Zusatzvereinbarung der CH mit MS nötig: Kosten: 9 Mio Euro pro Jahr, CH erhält 4 Mio pro Jahr

  26. 2. Materiellrechtliche DimensionSchengen-Visum • Definition des Schengen Visum als Touristenvisum--Recht auf Einreise für Kurzaufenthalte von 3 Monaten • Einheitlichkeit der Einreisekriterien und Visumpflicht • Einheitlichkeit der Mindestkontrollen an Aussengrenzen • Anfrage ans SIS und VIS (darf der Person, (k)ein Visum ausgestellt werden?) • Feststellung der Identität anhand Überprüfen von Reise-dokumenten ersetzt durch Entry /Exit System (keine Stempel mehr) • Bedingungen für die Wiedereinführung von Binnen-grenzkontrollen

  27. Wer braucht ein Schengen-Visum? Einreisevoraussetzungen • Ausländer aus Drittstaaten mit Schweizer Wohnsitz und mit einer Aufenthaltsbewilligung dürfen ohne Visum sich im Schengen-Raum bewegen, wenn: • Aufenthaltspapiere & gültiges Reisedokument auf sich tragen • Ausreichende Mittel für beabsichtigte Reise • Aufenthalt im Schengen-Raum ausserhalb des Wohnsitzstaates nicht länger als drei Monate (innerhalb von 6 Monaten) • Keine Einreiseverweigerung & keine Gefahr für öffentliche Ordnung/innere Sicherheit • Grundsatz: Aufenthaltsbewilligung ersetzt Schengen-Visum

  28. Einreiseverweigerung Einreiseverweigerung an der Aussengrenze: • Einreiseverbot Schengen (am häufigsten) • Ungültige Papiere (110’000 pro Tag) • Ungenügende finanzielle Mittel & Überschreitung der Höchstaufenthaltsdauer • Bedrohung d öfftl Sicherheit & gefälschte/falsche Dokumente • Einreiseverweigerung muss • beschwerdefähig sein • begründet werden: der Person steht während 3 Tagen ein Rechtsmittel zu • keine aufschiebende Wirkung • Formlose Wegweisung ist möglich wenn Schweiz an Erstasylan-tragsstaat übergeben kann • Rückkehrentscheidung gemäss Art. 6 Rückführungsrichtlinie

  29. EU-Visumsverordnung (EG) Nr. 539/2001 des Rates vom 15.3. 2001 • Visumsbefreiung (Positivstaater, Annex II Länder) • schon 6x durch EU geändert, deshalb in der Schweiz auf VO-Stufe umgesetzt (leichter zu ändern) • Kleiner Grenzverkehr • für Schülerreisen von Klassenverbänden • für Flüchtlinge und Staatenlose, die im Schengenraum wohnen und von diesem Reisedokumente erhalten • Visumszwang (Negativstaater, Annex I Länder) • Reziprozität und Solidarität Die EU erwartet Reziprozität von allen Annex II Ländern. Falls dies nicht der Fall ist kann ein Mitgliedstaat die EU notifizieren und die EU wird mit diesem Verhandlungen aufnehmen oder vom Annex II streichen, was der Fall gegenüber Lybien war.

  30. Schengen-Visa Pflicht • Blau: Schengen & Assoz. • Grün: keine Visa Pflicht • Rot: Visumspflicht für Einreise • Braun: Visumspflicht zu Transit durch Schengen Staaten

  31. Umsetzung d. Schengen-Visum in CH • Schweiz darf nicht mehr in eigener Kompetenz Visumpflicht aufheben oder einführen • Aber: Langzeitvisa für Niederlassungen oder Arbeitsbe-willigung von Schengen nicht erfasst • Verordnung über die Einreise und die Visumerteilung (VEV) vom 22. Oktober 2008 • „positive“ Bilanz: 20-30% weniger Visa-Ausstellungen als zuvor • Fall Lybien (Solidarität unter Schengenstaaten verhalf Krise zu überwinden)

  32. Schengener Informationssystem (SIS) • Gemeinsames Sach- und Personenfahndungssystem:35 Mio. Einträge (Stand Anfang 2011) • 95% Mio Daten über gestohlene oder gesuchte Gegenstände (Waffen, Fahrzeuge, Pässe) • 5% polizeilich/gerichtlich gesuchten Personen: Straftäter, Zeugen, Terroristen, abgewiesene Asylbewerber & vermisste Personen • 24 Treffer pro Tag in 2010 für Schweiz • Kernstück der Schengen-Zusammenarbeit • Grossbritannien und Irland nehmen teil, DK auton. Nachvollzug • Schnelligkeit der Informationsübermittlung bekämpft mobiler werdenden Kriminalität • strenge Datenschutzregeln wahren Persönlichkeitsrechte

  33. VIS (Visainformationssystem) • Abruf von abgelehnten oder annullierten Schengen-Visa-Gesuchen • Gesichtsbild und Fingerabdrücke verbessern Identifizier-barkeit des rechtmässigen Visuminhabers und erhöhen Fälschungssicherheit von Visa • Umsetzung der gemeinsamen Visumspolitik • Missbrauch und Betrugsbekämpfung «Visum Shopping» • Verhütung/Aufdeckung/Ermittlung von Straftaten: indirekte Datenanfrage über natl Zugangsstelle • konsularische Zusammenarbeit • CH hat eigene Datenbank: RIPOL; ab Okt. 2011 wendet Schweiz auch VIS an

  34. Biometrie in Schweizer Pässen und Reisedokumente für Ausländer • Einzige Schengen-Weiterentwicklung, gegen die ein fak. Referendum ergriffen wurde • Abstimmung am 17. Mai 2009: Knappe Annahme mit 50,1% Ja-Stimmen • EU-Ausweisverordnung als gesetzliche Grundlage: Fingerabdruck und Gesichtsbild ab 2009 • EU Kommission regelt technische Einzelheiten: von CH über-nommen • Elektronisch gespeicherte Daten erhöhen Sicherheit von Reisedokumenten, weil verlässliche Verbindung zwischen Dokument und rechtmässigen Inhaber • Ausländerausweis im Kreditkartenformat und biometrische Merkmale

  35. Schengen- Vertretungen, Art. 8 Visakodex • Das Schengen-Abkommen gibt den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, sich in Ländern ohne eigene Vertretung durch andere Schengen-Staaten vertreten zu lassen • CH vertritt Österreich für Santo Domingo (Dominikanische Republik) und in Pristina (Kosovo) vertritt. • CH wird vertreten • durch Frankreich in Kingston (Jamaika) und • durch Ungarn in Minsk (Belarus) sowie in Chisinau (Moldawien) • weitere Vertretungsvereinbarungen wurden im 2010 mit Schweden, Belgien, Slowenien und Estland abgeschlossen

  36. 3. Materiellrechtliche Dimension Ausgleichsmassnahmen • Schengen « nur » Mindeststandard (Bilaterale Polizeiverträge mit Nachbarstaaten gehen weiter, Art. 39 SDÜ) • Austausch von Beamten • automatisierter Informationsaustausch bei Grossanlässen und Strassenverkehrsunfällen • Integrierte Grenzverwaltung « defensiver» Teil d. intl Migrationszusammenarbeit • Kompetenzaufteilung innere Sicherheit—Postulate Malama • keine zentrale Befehlsstruktur der CH, weil föderale Aufteilung der Kompetenzen • Kleinräumige Struktur in die länderübergreifende Zusammenarbeit in Schengen integrieren

  37. Zusammenarbeit der Justiz (Strafverfolgungsbehörden) • justizielle Zusammenarbeit der Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörde • Verhütung und Verfolgung von Straftaten (Drogen/ Waffenmissbrauch/ Geldwäscherei) • praktischer Vollzug, wo Schweiz nur teilweise mitmacht: • Schweiz ist nicht Teil vom « Prümer Vertrag », auch „Schengen III“ betitelt • Schweiz ist Teil der « schwedischen Initiative »: Form- und Verfahrensvorschriften harmonisiert, damit der spontane Informationsfluss erfolgen kann, Rechtshilfe der CH nicht erweitert

  38. Bekämpfung der illegalen Migration vierstufige Migrationskontrolle (Vier-Filter-Modell) • Filter: Biometrie, Visumverfahren, Dokumentenberater (Airline Liaison Officers, AOL) Migrationsattachés, carrier liability • Filter: Rückübernahmeabkommen • Filter: eigentliche Grenzkontrolle: Advanced Passenger Information System, Herausforderung der Technisierung • Filter: Massnahmen im Binnenraum: • Bekämpfung der illegalen Migration nicht erst an der Aussengrenze des Schengenraums, sondern • bereits in den Dritt- und Herkunftsstaaten (CH muss mehr in Herkunftsstaaten machen) • Massnahmen innerhalb des Schengenraums zur Bekämpfung der Identitätsverschleierung

  39. Illegale vs irreguläre Migration Migration ausserhalb der dafür vorgesehenen Kanäle (z.B. eine alleinreisende, minderjährige Asylsuchende), ist irregulär, muss aber nicht missbräuchlich und damit illegal sein) • Menschenschmuggel & Handel—menschenunwürdige Schmugglerei; je nach Form: Vergehen, Übertretung oder Verbrechen nur 20 Verurteilungen /Jahr • Einreiseverweigerungen: ca. 1000 Fälle/Jahr • Illegaler Aufenthalt: 5’000 aufgegriffene Personen/Jahr (USA; Brasilien, Kosovo)

  40. Routen der illegalen Migration nach Europa

  41. Carrier Liability: Haftung der Transport-unternehmen • Problem: kein Visum bedeutet nicht, dass Personen in Flughäfen und Schiffhäfen nicht ankommen können • Carrier Liability: Sanktionieren von privaten Transportunternehmen, die Personen ohne hinreichende Papiere gemäss transportieren • Strafbestimmungen (8000 CHF Busse)—restriktive Carrier Praxis? • Zusätzlich: Widerruf der Lizenz • Haftung des Bundes? • Haftung des carrier bei refoulement?

  42. EU-Rückführungsrichtlinie • minimale Standards verhindern, dass „einzelne Länder aufgrund günstigerer Bedingungen einem hohen Migrationsdruck ausgesetzt sind“ (Wüger, 2012) • Massnahmen: • Verpflichtung zum Erlass einer Rückkehrentscheidung • freiwillige Ausreise vor zwangsweiser Ausschaffung • Schutz von unbegleiteten Minderjährigen (Pflicht Gesundheitszustand, Familienwohl zu berücksichtigen) • automatisch Einreisesperre von 5 Jahren maximal • Ausschaffungshaft von 18 Monaten Höchstdauer als ultima ratio • Austausch von Daten über Schmuggler durch ICO-Net

  43. EU Rückführungsrichtlinie und die Schweiz • Ausschaffungshaftdauer von 24 auf 18 Monate verringert • strafrechtliche Sanktionen (Ausschaffungshaft) nur als ultima ratio • formlose Wegweisung an der Grenze, ersetzt durch schriftliche Verfügung mitsamt Rechtsmittelbelehrung, die aber keine aufschiebende Wirkung hat (formelle Wegweisung) • Pflicht des Erlasses eines Einreiseverbotes, statt Ermessen • Kostensenkung: Beteiligung an 8 Sonderflügen; Rückführung von 61 Personen nach Lagos, Monrovia, Lahore, Kostensenkung bei eigenen Flügen

  44. Filter I Herausforderungen für die Schweiz • Konsulardienst im Spannungsfeld als Dienstleistungserbringer und Gebundenheit an rechtliche Vorgaben bei der Visumserteilung • Keine im Ausland stationierten Dokumentenberater (Airline Liaison Officers; ALO), welcher die Lufttransportunternehmen in Fragen der Dokumentenprüfung ausbilden • lediglich sechs Migrationsattachés (2 EDA: Abuja, Dakar, Colombo; 3 BFM: Brüssel, Ankara, Pristina • Viele Informationen aus zweiter Hand, von anderen Partnerstaaten oder auch von Partnern aus der Privatwirtschaft (z.B. Swiss) • Vor-Ort-Erkenntnisse in Bezug auf illegale Migration fliessen zu wenig in die tägliche Arbeit

  45. Filter 2 Herausforderungen für die Schweiz • Begrenzte institutionelle Einbindung der Schweiz in die EU • Keine Vorverlagerungsstrategie zur Bekämpfung der illegalen Migration • Unzureichende Kooperation und Informations-austausch auf politisch-strategischer Ebene • Schweiz steht abseits der Europäische Sicherheitsarchitektur (Bsp. Prüm, PNR Initiative) • Unzureichende Vernetzung auf operativer Ebene • illegale Migration und Grenzverwaltung zu wenig Gewicht beigemessen

  46. Filter 3 Herausforderungen für die Schweiz • Unterschiedliche Standards in Teilbereichen der Grenzkontrolle • drei grossen Schengenaussengrenzen (Flughäfen Zürich, Genf und Basel) drei verschiedene Behörden zuständig sind → Qualitätsunterschiede, sowie in Auslegung des Ermessensspielraums bei der Grenzkontrolle • Zunehmende Technisierung der Grenzkontrolle • Spannungsfeld zwischen grenzpolizeilichen und wirtschaftlichen Interessen • ungelöste politische Widersprüche: illegal anwesende und arbeitende Migranten legal (und gewollt) Beiträge an die Sozialversicherungen leisten

  47. Filter 4 Herausforderung • Uneinheitliche Praxis und Defizite in Fälschungserkennung, Strafverfolgung und Vollzug (Zwangsmassnahmen/ Wegweisung) • Ktl Differenz: Unterschiede führen zur Verwässerung • Defizite in Bekämpfung des gewerbsmässigen Menschenschmuggels • Abwesenheitsurteile zu geringen Strafen • Erkenntnisse aus den Anhaltungen der Schlepper an der Grenze werden gegen internationalen, gewerbsmässigen Menschenschmuggel nicht genutzt

  48. übergeordnete Herausforderungen • Unzureichender Austausch zwischen der politisch-strategischen und der operativen Ebene • illegale Migration häufig im Schatten der Asyldiskussion • Leistungen der Schweiz an Herkunfts- und Transitstaaten von illegalen Migranten sind nicht oder nur ungenügend mit Massnahmen gegen Menschenschmuggel verknüpft • Informations- und Analysedefizit • Mit Grenzkontrolle befassten Behörden sammeln dezentral. • Kerndaten werden monatlich durch das BFM gesammelt und im Rahmen des „Integralen Lagebildes Aussengrenze“ (ILA) • stark zersplitterten Zuständigkeiten (26 Kantone und GWK) keine verlässlichen statistischen Informationen über Aufgriffe im Binnenraum

  49. Asylrecht &Dublin • Dublin bindet Schweiz an Mindeststandards, verhindert race-to-the–bottom • Verhindert „asyl shopping“ und „refugees in orbit“ • mehr Out-Verfahren: Zuständigkeit eines anderen Dublin-Staates; CH ersucht diesen Dublin-Staat um Übernahme • In-Verfahren ist die Schweiz gemäss den Zuständigkeitskriterien für das Asylverfahren zuständig, so hat sie die asylsuchende Person einreisen zu lassen und das Asylgesuch zu prüfen. • Nichteintreten von Gesuchen, die an Erstasylstaat zurückgewiesen werden können • Keine aufschiebende Wirkung von Beschwerden, ausser EMRK und Europ. Flüchtlingskonvention

  50. Statistik Jahr 2011 • 2010 stellten insgesamt 15'567 Personen in der Schweiz ein Asylgesuch • Schweiz steht an 4. Stelle (nach Malta, Luxemburg und Schweden) für Asylanträge (Stand 2012) • „Out-Verfahren“ 2012: 9347 Gesuche, v.a. aus Tunesien, Nigeria, Eritrea und Georgien • 7014 Zustimmungen 1587 Ablehnungen– 3621 Überstellungen (2010: 2722) • „In-Verfahren“ 2012: 1611 Gesuche • 907 Zustimmungen (2010: 797), 673 Ablehnungen – 482 Überstellungen (2010: 481) • Nichteintretensentscheide in Anwendung von Art. 34 Abs. 1 lit. d AsylG 7099 (2010: 6393)

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