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Ernst Jandl Dozentur für Poetik Szenen aus dem wirklichen Leben? Aus der Fremde 18.5.2011.
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Ernst Jandl Dozentur für Poetik • Szenen aus dem wirklichen Leben? • Aus der Fremde • 18.5.2011
"das im zusammenhang mit dem materialverhältnis erwähnte realitätsprinzip nochmals durchbrechen, auf die desolate beziehung des subjekts zu der es definierenden sprache hinweisen, ja auf die dieses subjekt hier definierende dichtung anspielen und damit auf eine situation, die entscheidend die problematik der heutigen [1981] literatur (ihren stand, die möglichkeiten ihrer reflexion, ihre möglichkeiten überhaupt) berührt." • (Priessnitz: zu ernst jandl. S. 38.)
"auch hier kommt es wiederum zur konfrontation mit der wirklichkeit, die unsere sprache ist [...]" • (Priessnitz: zu ernst jandl. S. 38.)
Michael Hammerschmid / • Helmut Neundlinger: • "'von einen sprachen'. Poetologische Untersuchungen zum Werk Ernst Jandls". • Innsbruck: StudienVerlag 2008
2 beisel • blunzen essen • dazu trinken ein seidel • noch ein blunzen essen • dazu trinken noch ein seidel • andern zuhören sprechen • andern zuschauen essen • blunzen essen den dritten • dazu trinken den dritten seidel • (Jandl: die bearbeitung der mütze, 127)
[…] sein ein tag in glasen • ich sehen durch • sehn ich ein wiesen und schlüssen • und nicht haben furcht […]
"[…] vehemente Worte gegen die als durchaus unpoetisch angesehene Struktur Subjekt-Prädikat-Objekt, die wir angeblich mit unseren indogermanischen Sprachen der lebendigen Wirklichkeit überstülpen […]. In der Sprachstruktur ist nämlich, davon sind sie alle überzeugt, eine vorgängige und verführerische Interpretation der Welt enthalten. Der Linguist, der solche Sätze liest, weiß sogleich Bescheid: Aha, die These vom sprachlichen Weltbild: Humboldt, Sapir, Whorf, Weisgerber. Inzwischen [1986] wird diese These aber von mehr und mehr Linguisten als äußerst fragwürdig angesehen, und ich für meine Person zögere nicht, sie für grundfalsch zu erklären […]" (Scheffer, 1986)
"Die syntaktische Verknüpfung beruht auf einem Grundmodell, dem von Subjekt-Objekt-Prädikat. Dieses Grundmodell besagt, daß die sprachliche Auseinandersetzung mit der Welt unter der Voraussetzung geschieht, daß es immer etwas gibt, auf das alles sich bezieht, und etwas anderes, das diesem Bezugspunkt gegenübersteht, beides aber in Form von Aktions- und Verhaltensweisen miteinander verbunden ist." (Heißenbüttel, 1998)
"Heißenbüttel unterliegt, ähnlich wie die meisten Autoren der "Konkreten Poesie", der "Illusion der Selbstevidenz von Sprache". Nur aufgrund von Äquivokationen, nur aufgrund seiner erheblich verkürzenden Gleichsetzung von "Subjekt" (als Erfahrungsinstanz) und "Subjekt" (als Satzgegenstand) kann Heißenbüttel überhaupt zu der Annahme gelangen, der Angriffspunkt der Literatur habe das grammatische Grundmodell von Subjekt-Prädikat-Objekt zu sein; …
… der ans Ende gekommenen Phänomenologie des Subjekts sei zu entsprechen durch 'antigrammatische' Verfahrensweisen: "Satzsubjekte, Satzobjekte, Satzprädikate fallen weg, weil die Erfahrung, von der geredet wird, außerhalb der eindeutigen Subjekt-Objekt- Beziehung steht. Nur die Formulierung, die eines der Glieder im alten Grundmodell offen läßt, vermag darüber etwas zu sagen." (Über Literatur) […] Weil sich ein Subjekt nicht mehr als Ausgangspunkt setzen lasse, versucht Heißenbüttel nun, 'Sprachmaterial' als Ausgangspunkt, als Instanz zu setzen: Sprache steht dann 'als Sprache selbst: als das letzte Reduzierbare'." • (Scheffer, 1986)
"Die Betrachtung der Relationen zwischen Literatur und Sprache, Literatur und Grammatik in der neueren Literatur sollte eins deutlich machen, daß nämlich die Werke des 20. Jahrhunderts zuerst daraufhin angesehen werden müßten, wie weit in ihnen antigrammatische sprachreproduzierende und sprachverändernde Prinzipien wirksam sind" • (Heißenbüttel, 1998, 169)
"Vorurteilshaft ist für Heißenbüttel primär die Grammatik, denn andererseits scheint es für Heißenbüttel sicher zu sein, daß Sprache Wirklichkeit speichert; Literatur "verläßt die Relaisstation des Imaginativen und erfaßt die Welt unmittelbar in dem, was die Sprache selbst von ihr wiedergibt." (Über Literatur) Heißenbüttel gerät selber in den Sog einer Konzeption, die er im Fall von Marshall McLuhan kritisiert – nämlich anzunehmen, das Medium sei die Botschaft und enthalte die Botschaft ganz." • (Scheffer, 1986)
Inferenz • statt • Enkodieren - Dekodieren
"[…] daß sie zu einem nicht weniger entscheidenden Anteil eben auch vor- und außersprachlichen Charakter haben. Die materielle Basis der Anschauungen, des Gedächtnisses, der Wahrnehmung allgemein ist nicht die Sprache, sondern diese Basis wäre zu konzipieren als ein (neuro-)physiologisch determinierter Gesamtprozeß, innerhalb dessen – auch im Fall der Textwahrnehmung – der sprachliche Anteil nur einen Faktor darstellt; man ist von Texten nicht allein deshalb beeindruckt, nur weil man dann nach der Lektüre schon wieder Worte dafür hat: …
… Von den andauernden wortlosen, vor- und außer- sprachlichen Wahrnehmungen läßt sich lediglich nicht gut reden (und nur deswegen konnte die Illusion entstehen, eine Wahrnehmung fange überhaupt erst mit Sprache an). Gerade zur theoretischen Durchdringung der 'Experimentellen Literatur', der 'Literatur der Moderne' ist eine Konzeption unentbehrlich, die Textwahrnehmung versteht als Mitvollzug nichtsprachlicher und vorsprachlicher 'Beschreibungen', als Mit-Vollzug nichtsprachlicher und vorsprachlicher 'Nominierungen'." (Scheffer, 1986)
von leuchten • wenn du haben verloren den selbst dich vertrauenen als einen • schreibenen; wenn du haben verloren den vertrauenen in den eigenen • kreativitäten; wenn du haben verloren den methoden, den techniken • zu richten den lebendigen und den toten; wenn du haben verloren • den zusammensetzen von worten zu satzen; wenn du haben verloren • den worten überhaupten, sämtlichen worten, du haben • nicht einen einzigen worten mehr: dann du vielleicht • werden anfangen leuchten, zeigen in nachten den pfaden • denen hyänenen, du fosforeszierenen aasen!
progessive Universalpoesie • (Schlegel) • progressive Universalskepsis • (Czernin)
schreiben und reden in einen heruntergekommenen sprachen • sein ein demonstrieren, sein ein es zeigen, wie weit • es gekommen sein mit einen solchenen: seinen mistigen • leben er nun nehmen auf den schaufeln von worten • und es demonstrieren als einen den stinkigen haufen • denen es seien. [...]
[...] es nicht mehr geben einen beschönigen • nichts mehr verstellungen. oder sein worten, auch stinkigen • auch heruntergekommenen sprachen-worten in jedenen fallen • einen masken vor den wahren gesichten denen zerfressenen • haben den aussatz. das sein ein fragen, einen tötenen.
Ernst Jandls Stücke • "die humanisten", 1976 • "Aus der Fremde", 1978
"Erstmals in meiner Praxis als Schreibender ging die Arbeit nahezu vollständig am Tonbandgerät vor sich, indem Szene für Szene auf Band gesprochen wurde, ehe es zur Niederschrift kam. Das gab den Dialogen von vornherein Spontaneität und Tempo, gegenüber dem Verzögerungseffekt, der beim Schreiben zwangsläufig eintritt. Die Steuerung des Gesamtverlaufs konnte von Szene zu Szene erfolgen, unabhängig vom Gerät." (Jandl)
"Ich jedenfalls ging, aufs Gesamtkunstwerk längst schon pfeifend, bei den "humanisten" von der Idee eines Sprechstückes aus, das aus sichtbaren Sprechern und hörbarem Gesprochenen und überdies den sichtbaren Bewegungen der sich hörbar machenden Sprecher und sonst aus fast nichts besteht." (Jandl)
"ich sein mein sprach • mein deutsch sprach • mein schön deutsch sprach"
"nicht sprach von häusselwand • sein sprach von bühnen • sein bühnendeutschen • sein von burgtheatern • nicht sprach von häusselwand"
""Es ist nicht die satirisch-parodistische Note, die zur Verballhornung führt, sondern die Schaffung einer Sprache, an deren Gedankenlosigkeit eben das zerbrechen soll, gegen das es sich richtet. Parodie, Satire oder Travestie hat nicht zuletzt auch bestätigenden Charakter, indem darin das Attackierte in anderer Proportion oder entstellt wiederholt wird." • (Schmidt-Dengler)
"[…] einen im Geist der Neuzeit entwickelten Satirebegriff auf Rabelais anwendet. Für ihn ist Satire die Kritik an einzelnen privaten Charakterzügen und nicht Kritik an der gesamten Lebensordnung (inklusive der herrschenden Wahrheit), nicht Kritik, die untrennbar mit der Bestätigung des geborenwerdenden Neuen verbunden ist." • (Bachtin 1987, 348)
"Er [Jandl über sich selbst, Anm.] hatte beim Verfassen des Stückes den Unmut nicht vergessen, den der vorangegangene steirische herbst bei vielen braven Bürgern hinterlassen hatte, und wenn es darüber ein Gespräch gab, also nicht nur Empörung und Bitterkeit, sondern aufrichtig Gespräch, dann wollte er mit seinem Stück dazu beitragen." • (Jandl)
"der kurten sein furten • die missen geburten • jetzt es gehen uns gurten"
"viel kunst heut nicht gut sein • sein viel schmutzen • kunst schmutzen"
"zwischen uns sein kein hassen • sein viel leichteren • ein versteckenen lieben"
"heranschleichen • terroristä! • österreichischen terroristä • wollen — sprengen — burgentheatern • sprengen — operan"
"Endspiel: es kommt nichts nachher. Wer Humanist ist wie diese beiden, an dem gibt es nichts zu verändern, er bleibt's bis zum Tod, und daß er es bleibt, ist zu zeigen, indem sein Weg bis zum Tod gezeigt wird." (Jandl)