1 / 73

Einführung in die Didaktik des Sachunterrichts

Einführung in die Didaktik des Sachunterrichts. Universität Würzburg Prof. Dr. Andreas Nießeler. Didaktische Leitfragen . Was sind typisch kindliche Aneignungsweisen von Wirklichkeit? Wie ist das Verhältnis von Kind und Sache? Gibt es eine bestimmte Struktur der Sache?

deirdra
Télécharger la présentation

Einführung in die Didaktik des Sachunterrichts

An Image/Link below is provided (as is) to download presentation Download Policy: Content on the Website is provided to you AS IS for your information and personal use and may not be sold / licensed / shared on other websites without getting consent from its author. Content is provided to you AS IS for your information and personal use only. Download presentation by click this link. While downloading, if for some reason you are not able to download a presentation, the publisher may have deleted the file from their server. During download, if you can't get a presentation, the file might be deleted by the publisher.

E N D

Presentation Transcript


  1. Einführung in die Didaktik des Sachunterrichts Universität Würzburg Prof. Dr. Andreas Nießeler

  2. Didaktische Leitfragen • Was sind typisch kindliche Aneignungsweisen von Wirklichkeit? • Wie ist das Verhältnis von Kind und Sache? • Gibt es eine bestimmte Struktur der Sache? • Wie ist die Beziehung des Sachunterrichts zur Lebenswelt? • Was ist das Typische des Sachunterrichts?

  3. Literaturempfehlung • Joachim Kahlert, Maria Fölling-Albers, Margarete Götz, Andreas Hartinger, Dietmar von Reeken & Steffen Wittkowske (Hrsg.): Handbuch Didaktik des Sachunterrichts. Verlag Julius Klinkhardt. Bad Heilbrunn/Obb. 2007 • Duncker, L. / Popp, W. (Hrsg.): Kind und Sache. Zur pädagogischen Grundlegung des Sachunterrichts. 4. Aufl. Weinheim / München 2004. • Kahlert, Joachim: Der Sachunterricht und seine Didaktik. Bad Heilbrunn / Obb. 2. Aufl. 2005. • Kaiser, Astrid: Neue Einführung in die Didaktik des Sachunterrichts. Baltmannsweiler 2006. • Richter, Dagmar: Sachunterricht – Ziele und Inhalte. Ein Lehr- und Studienbuch zur Didaktik. Baltmannsweiler 2. Aufl. 2005. • Wagenschein, Martin / Banholzer, Agnes / Thiel, Siegfried: Kinder auf dem Wege zur Physik. Stuttgart 1973.

  4. www.uni-wuerzburg.de/grundschuldidaktik/litlist.html • www.sachunterricht-online.de • www.widerstreit-sachunterricht.de

  5. 1. Bildungsfeld Sachlernen: Aufgaben und Ziele des Sachunterrichts

  6. Richtlinien und Lehrpläne der BRD Sachunterricht: Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Saarland, Rheinland-Pfalz Heimat- und Sachkunde: Thüringen Heimat- und Sachunterricht: Bayern, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein Heimatkunde/Sachunterricht: Sachsen Sachkunde: Berlin Baden-Württemberg: Fächerverbund Mensch, Natur und Kultur, vormals Heimat- und Sachunterricht

  7. Sachunterricht im internationalen Vergleich Natur / teknik (Dänemark) Lebenskunde (Japan) Lernbereiche science / social studies (USA) Oriëntatie op jezelf en de wereld - Orientierung Ich und die Welt (Niederlande) Découvrir le monde / Éducationscientifique,Éducation civique(Frankreich) Einzelfächer: scienze, storia, geografia (Italien) Schottland, Griechenland: environmental studies (Umweltstudien) Österreich: Sachunterricht

  8. Definition „Sachunterricht ist ein Kernfach der Grundschule, das den Kindern helfen soll, sich der Welt, in der sie leben, geistig zu bemächtigen und die von ihnen erlebte Welt sachlich fassbar zu machen“ (Köhnlein 1994, 262)

  9. Aufklärung des gelebten Lebens und Erschließung der kindlichen Lebenswirklichkeit Lehrplan für die Grundschulen in Bayern 2000 „ Der Bildungs- und Erziehungsauftrag der Grundschule umfasst die Aufgabe, Kindern die Welt, in der sie leben, d.h. die natürlichen, kulturellen und sozialen Gegebenheiten und die sie umgebende Sachwelt zu erschließen.“

  10. Theorien der Lebenswelt Edmund Husserl: Transzendentales Bewusstsein Martin Heidegger: Das In-der-Welt-sein Alfred Schütz: Strukturen der Lebenswelt (Teilrealitäten) Peter Berger / Thomas Luckmann / Hansfried Kellner: alltagsweltlich gebundener Wissensvorrat

  11. 2. Kind und Sache 2.1. Weltdeutungsversuche von Kindern

  12. Interpretationsmuster kindlichen Weltverstehens (nach Kay Spreckelsen: Wie Grundschulkinder physikalische Phänomene verstehen. In: Grundschule 10/1997) • Animismus • Täter-Tat-Schema • Subjektiver Erfahrungsgrund • Transduktives Verstehen (Verknüpfen mit bereits bekannten Phänomenen)

  13. Martinus J. Langeveld: Das Ding in der Welt des Kindes. In: Studien zur Anthropologie des Kindes. Tübingen 1956 Vier Ebenen der Sinngebung 1. Die offene Sinngebung 2. Die unverbindliche Sinngebung 3. Die kreative Sinngebung 4. Die persönliche Sinngebung

  14. Anthropologie = Lehre vom Menschen • Max Scheler: Der Mensch als weltoffenes Wesen • Arnold Gehlen: Der Mensch als unspezialisiertes Mängelwesen • Adolf Portmann: Der Mensch als normalisierte Frühgeburt • Ernst Cassirer: Der Mensch als animal symbolicum

  15. Ansätze und Ergebnisse der neueren Entwicklungspsychologie • schon der Säugling und das Kleinkind eignen sich aktiv-entdeckend Wirklichkeit an und formen erste Vorstellungen • Entwicklung = Auseinandersetzung mit der Welt und mit sich selbst • Wissen baut auf Wissen auf (Entfaltung von Wissensdomänen) • Wissenserwerb = Interpretationsgenese (Wissensbildung)

  16. 2.2. Verstehen heißt (auch) Verändern Der Conceptual-Change-Ansatz

  17. Konstruktivistische Ansätze • Neurobiologie, Gehirnforschung (Maturana, Varela, G. Roth) • Kognitionswissenschaft (Glasersfeld) • Kybernetik (v. Foerster) • Sozialwissenschaften (P. Heijl); Thomas Luckmann: Gesellschaftliche Konstruktion von Wirklichkeit • Systemtheorie (Luhmann) • Evolutionäre Kultur- und Erkenntnistheorie (Riedl)

  18. Conceptual-change (Duit & Häußler 1997) • Die Lernenden müssen mit bereits vorhandenen Vorstellungen unzufrieden sein (dissatisfaction). • Die neue Vorstellung muss logisch verständlich sein (intelligble). • Sie muss einleuchtend sein (plausible). • Sie muss fruchtbar sein und sich in neuen Situationen als erfolgreich erweisen (fruitful).

  19. 2.3. Kind- und Sachorientierung als grundlegende Parameter des Sachunterrichts

  20. Aspekte der Kindorientierung Vorläufer: „Pädagogik vom Kinde aus“ (Ellen Key, Maria Montessori, Berthold Otto) Personal begründete Individualisierung Entwicklungspsychologisch und kognitionspsychologisch begründete Differenzierung Anthropologisch begründete Aktivierung nach Kurt Meiers: Stand und Perspektiven des Sachunterrichts. In: M. Rauch: Schulbuchforschung als Unterrichtsforschung. Frankfurt am Main 1997. S. 12-23.

  21. „Kinderforschung“ Frühe Entwicklungspsychologie (Bühler, Hetzer, Clara und William Stern, Piaget) Anthropologie des Kindes und der Schule: Langeveld (1956), neuerdings auch Duncker/Scheunpflug/Schultheis (2004) Geschichte der Kindheit (van den Berg 1956, Ariès 1960, de Mause 1977, Postman 1982) Soziologische Kindheitsforschung (Rolff/Zimmermann 1985/Fölling-Albers 1989 Phänomenologische Kinderforschung: Lippitz / Rittelmeyer (1989) „Kinderkulturen“: Duncker / Maurer / Schäfer (1990); Fatke (1994) Ethnographische Kinderforschung: Schäfer, Zinnecker, Scholz

  22. Formen der kindlichen Weltaneignung und Ausdrucksformen des Kinderlebens In seinen Ausdrucksformen teilt sich das Kind „eher indirekt als direkt, eher verschlüsselt als offenbar, eher mehrdeutig als eindeutig, eher symbolisch als rational“ mit (Fatke 1994, 108) Malen und Zeichnen Erfinden von Phantasiegeschichten Sammeln und Ordnen „Basteln“ und Gestalten Spielerischer Umgang Wundern / Staunen / Fragen („Philosophieren“) Humor und Sprachwitz => Symbolisierung von Eindrücken = verdichten und verstehbar machen (individuelle Sinngebung)

  23. Beispiel einer kindorientierten Konzeption des Sachunterrichts: Das Nuffield Junior Science Project Plowden-Report 1967: „Das Kind ist der Mittelpunkt des Erziehungsprozesses.“ Englische Primarschulreform der 1960-70er Jahre Individuell Interessen des Kindes besondere Qualität des kindlichen Denkens Schüler als Subjekte des Lernprozesses individuelle Lernwege (mit Umwegen, Irrwegen, Risiko des Scheiterns) Lehren = Unterstützung von Lernen Förderung von Formen eines „entdeckenden Lernens“

  24. Komplementarität von Kind- und Sachorientierung (LP Bayern 2000) Kindorientierung Entwicklungsstand des Kindes Kindliche Lebens- und Lernformen Themenaspekte aus der Lebenswirklichkeit emotionale und motivationale Dimensionen Erleben, Erfahren und Handeln Sachorientierung Aufzeigen inhaltlicher Strukturen Sachgemäßes methodisches Vorgehen Herstellen erster fachlicher Bezüge Vermittlung entsprechender Arbeitsweisen

  25. Sach- und fachgemäße Arbeitsformen(Kahlert 2002, S. 216-219) Ordnen – die Vielfalt von Eindrücken und Erfahrungen zweckmäßig strukturieren Beschaffen, Interpretieren und Bewerten von Informationen – sich systematisch kundig machen Gestalten von Informationen, Texten und Vorträgen – sich verständlich machen, Einfluss nehmen Gezielt Vermutungen prüfen – Experimente und technische Konstrukte planen, entwerfen und durchführen Aufgaben einteilen - Arbeiten planen

  26. 2.4. Naturwissenschaftliche Grundbildung – Scientific Literacy Evaluation des Sachunterrichts

  27. Scientific literacy • Paul De Hart Hurd (1958) • dominierende Rolle der Naturwissenschaften in der Gesellschaft • Forderung nach Wissenschaftsverständnis • Bildungsmisere in den USA • National Commission on Excellence in Education: „A Nation at Risk“ (1993) • Schlechte Ergebnisse bei • NAEP (National Assessment of Educational Progress) • TIMSS (Third International Mathematics and Science Study)

  28. Begründungszusammenhänge (nach Marquardt-Mau 2001) • Ökonomische Relevanz • Individuelle Relevanz • Kulturelle Relevanz • Gesellschaftliche Relevanz • Ökologische Relevanz • Ziel: Naturwissenschaftliche Allgemeinbildung • Scientific literacy for all

  29. Naturwissenschaftliche Grundbildung im Sinne von Scientific Literacy (IGLU-E)

  30. 3. Wörter – Bilder – Sachen: Anfänge des Sachlernens

  31. Klassische Bildung der septem artes liberales (Formalia und Realia) Trivium (lingua): Grammatik, Rhetorik, Dialektik Quadrivium (artes reales): Arithmetik, Geometrie, Astronomie, Musik Vorkurs der mittelalterlichen Universitäten „Artistenfakultäten“ und Philosophische Fakultäten

  32. Der statische Bildungskanon des Mittelalters „Diese Konstanz hatte auch ein statisches Welt- und Wissenschaftsverständnis zur Voraussetzung: Was der Mensch überhaupt wissen konnte, war – jedenfalls dem Prinzip nach – bekannt. Worauf es erzieherisch und unterrichtlich ankommen musste, war Einübung und Nachfolge.“ (Blankertz 1981, S. 14)

  33. Der Beginn der Neuzeit Geschichtliche Ereignisse Entdeckung Amerikas Erfindung des Buchdruckes Reformation Renaissance Bahnbrechende neue Kenntnisse Astronomie (Kopernikus, Tycho Brahe, Kepler, Galilei) Mechanik Medizin Botanik und Zoologie Geografie

  34. Die Neuordnung des Wissens Das Buch der Natur ist in der Sprache der Mathematik geschrieben (Galilei) Baco von Verulam: Novum organon scientiarium (1620) Neues Wissen, das weder der Tradition verpflichtet ist noch auf metaphysischen Konzeptionen beruht. Wissen als Werkzeug (organon): Wissen ist Macht

  35. Johann Amos Comenius (1592-1670) geb. 1592 in Mähren Studium der Theologie in Herborn und Heidelberg Lehrer und Rektor an der Lateinschule in Prerau Später Priester und Prediger 1632: Bischof der Brüder-Unität gest. 1670 in Amsterdam Werke: Orbis sensualium pictus Didactica magna Das Labyrith der Welt Pampaedia – Allerziehung

  36. Didaktische Prinzipien Niemand dürfe wegen des Lernens geschlagen werden. Alles, was auswendig gelernt werden soll, muss den Schülern so klar vorgelegt werden, dass sie es wie ihre fünf Finger vor sich haben. Sooft als möglich ziehe man die sinnliche Wahrnehmung zu, damit alles sich leichter einprägt.

  37. Prinzip der Anschauung: „Der Anfang der Kenntnisse muss immer von den Sinnen ausgehen, denn nichts befindet sich in unserem Verstande, das nicht zuvor in einem der Sinne gewesen wäre; warum sollte also nicht die Lehre mit einer Betrachtung der wirklichen Dinge beginnen, statt mir ihrer Beschreibung durch Worte?“ Johann Amos Comenius: Didactica magna [1638], S. 137)

  38. Pädagogische Grundsätze omnes (alle Menschen) omnia (alles) omnino (im Blick auf das Ganze)

  39. Realienunterricht in der Epoche der Aufklärung Allgemein • Befreiung aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit • Umfassendes System menschlichen Wissens • Französische Enzyklopädisten (Voltaire, Diderot, D’Alembert) • Neue Schulformen • Real- und Fachschule • Industrieschule • Ecole polytechnique => Jahrhundert der Bildung

  40. Jean-Jacques Rousseau (1712-1778) Werke: • Emile oder über die Erziehung • Abhandlung über den Ursprung und die Grundlage der Ungleichheit unter den Menschen • Contrat social • Julie oder die neue Heloise „Alles ist gut, wie es aus den Händen des Schöpfers kommt; alles entartet unter den Händen des Menschen.“ => „Entdeckung“ der Kindheit => Situiertes und sinnvolles Lernen

  41. Die Philanthropen • Basedow, Salzmann, Campe, Trapp, Rochow und Iselin • Schulgründungen in Dessau und Schnepfenthal • Pädagogische Innovationen • Pragmatischer Realienunterricht • Kindgemäßheit der Erziehung • Bedeutung des Spiels • Förderung der kindlichen Neugierde und Entdeckerfreude • Kinder- und Jugendliteratur

  42. Wiliam H. Kilpatrick: Projektmethode – Auflösung aller Curricula – Orientierung an individuellen Interessen – Projekt als „herzhaftes absichtsvolles Tun“ • John Dewey: learning by doing – Erfahrung / Lernen = Problemlösen • Deutsche Rezeption • Reichwein / Kretschmann: Vorhaben • Gaudig / Kerschensteiner: Arbeitsschule • Dagmar Hänsel: „Wir wissen – dank Knoll – nun endlich, was die Projektmethode wirklich ist, nämlich eine Methode des praktischen Problemlösens …“ (Hänsel 1993, S. 65)

  43. 4. Prinzipien des Sachunterrichts 4.1. Handlungsorientierung

  44. Bedeutung handlungsorientierter Aneignungsformen (nach Möller 1987) Entwicklung des Kindes Effektives Lernen Ausbildung logischer, geistiger Operationen “Mediatisierung der Erfahrung” (Zimmermann / Rolff) Handlungsbegriff und Pragmatismus Materialistische Aneignungsmodelle Anthropologisch: Der Mensch als handelnd-kulturschaffendes Wesen

  45. Merkmale handlungsorientierten Unterrichts (nach Popp 1998) Mitverantwortung und Kooperation selbständige Organisation des eigenen Lern- und Arbeitsprozesses konkret-praktisches Tun (Probieren, Experimentieren, Konstruieren, Bauen, Gestalten, Produzieren) “ganzheitliche” Beteiligung mit allen Sinnen (vielfältige Organerfahrungen, Affekte, körperliche Widerstands- und Gegenstandserfahrung Selbstkontrolle und Selbstkorrektur Ordnen und Strukturieren kritische Reflexion Erfahrung eigener Ausdauer und Kompetenz, individueller Vorlieben und Schwächen

  46. 4.2. Lebensnähe und originale Begegnung

More Related