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Frieder Dünkel Universität Greifswald 2008

Europäische Mindeststandards und Empfehlungen als Orientierungspunkte für die Gesetzgebung und Praxis – dargestellt am Beispiel der Empfehlungen für inhaftierte Jugendliche und Jugendliche in ambulanten Maßnahmen (Die „Greifswald Rules“). Frieder Dünkel Universität Greifswald 2008. Gliederung.

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Frieder Dünkel Universität Greifswald 2008

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  1. Europäische Mindeststandards und Empfehlungen als Orientierungspunkte für die Gesetzgebung und Praxis –dargestellt am Beispiel der Empfehlungen für inhaftierte Jugendliche und Jugendliche in ambulanten Maßnahmen (Die „Greifswald Rules“) Frieder Dünkel Universität Greifswald 2008

  2. Gliederung • Einleitung: Die Bedeutung internationaler Regelungen und Empfehlungen nach dem Urteil des BVerfG vom 31.5.2006 2. Der Arbeitsauftrag: Empfehlungen für inhaftierte Jugendliche und Jugendliche in ambulanten Maßnahmen 3. Warum neue Regelungen? 4. Strukturierung und Aufbau der „Greifswald Rules“ 5. „Basic Principles“ 6. Empfehlungen für ambulante Maßnahmen 7. Empfehlungen für den Jugendstrafvollzug und andere Formen des Freiheitsentzugs gegenüber Jugendlichen und jungen Erwachsenen 8. Ausblick

  3. 1. Einleitung: Die Bedeutung internationaler Regelungen und Empfehlungen nach dem Urteil des BVerfG vom 31.5.2006 • Die Entwicklung internationaler Menschenrechtsstandards: • Vereinte Nationen • Europarat • Mindeststandards (Standard Minimum Rules), Regelungen (Rules), Richtlinien (Guidelines) und Empfehlungen (Recommendations) • „Soft law“ und „hard law“

  4. BVerfG vom 31.5.2006, NJW 2006, S. 2093 ff., 2097: • „Auf eine den grundrechtlichen Anforderungen nicht genü-gende Berücksichtigung vorhandener Erkenntnisse oder auf eine den grundrechtlichen Anforderungen nicht entsprechende Gewichtung der Belange der Inhaftierten kann es hindeuten, wenn völkerrechtliche Vorgaben oder internationale Standards mit Menschenrechtsbezug, wie sie in den im Rahmen der Ver-einten Nationen oder von Organen des Europarates beschlos-senen einschlägigen Richtlinien oder Empfehlungen enthalten sind …, nicht beachtet beziehungsweise unterschritten werden (vgl. auch Schweizerisches Bundesgericht, Urteil vom 12. Februar 1992, BGE 118 Ia 64, 70)“

  5. 2. Der Arbeitsauftrag: Empfehlungen für inhaftierte Jugendliche und Jugendliche in ambulanten Maßnahmen • Die Arbeitsgruppe:Andrea Baechtold, Universität BernFrieder Dünkel, Universität GreifswaldDirk van Zyl Smit, Universität Nottingham • Entstehungsort und Name: Die „Greifswald Rules“

  6. 3. Warum neue Regelungen? • Das vorhandene Regelwerk des Europarats und der Vereinten Nationen • Europäische Strafvollzugsgrundsätze 2006 • Europäische Grundsätze für gemeindebezogene Sanktionen und Maßnahmen 1992 • Geltungsbereich: nur Erwachsene! • Es fehlt: Äquivalent zu den Regeln der Vereinten Nationen zum Schutz von Jugendlichen unter Freiheitsentzug.

  7. Anwendungsbereich • Jugendliche (definiert als unter 18-Jährige) und • Heranwachsende (definiert als 18- bis unter 21-Jährige), soweit sie Jugendlichen gleichgestellt werden (s. u. Basic Principle Nr. 17). • Juvenile und young adult offender = Person, die eine Straftat begangen hat oder Verhalten zeigt, das als „anti-social-behaviour“ zunächst „nur“ zivilrechtlich behandelt wird. Ferner auch Jugendliche, die lediglich aufgrund einer Erziehungsgefährdung „sanktioniert“ werden.

  8. Anwendungsbereich (2) • “These Rules may also apply to the benefit of other persons held in the same institutions or settings as juvenile offenders” (Rule 22) •  Die Empfehlungen gelten z. B. für alle im Jugendstrafvollzug Untergebrachten, ggf. auch über 21-Jährige! • Ferner für nicht straffällige Jugendliche, die z. B. in Einrichtungen der Jugendhilfe wegen einer Gefährdung des Kindeswohls untergebracht sind, sofern in diese Einrichtung auch Straffällige eingewiesen werden.

  9. 4. Strukturierung und Aufbau der „Greifswald Rules“ • Grundprinzipien und Anwendungsbereich (Nr. 1-22) • Regelungen für Ambulante Sanktionen (Nr. 23-48) • Regelungen für freiheitsentziehende Sanktionen (Nr. 49-119; Allgemeiner Teil: Nr. 49-107) • Rechtsbeistand und –hilfe (Nr. 120.1-3) • Beschwerden, Rechtsmittel, Inspektionen und „Monitoring“ (Nr. 121-126) • Personal (Nr. 127-134) • Evaluation, Begleitforschung und Zusammenarbeit mit Medien und der Öffentlichkeit (Nr. 135-141) • Aktualisierung der Regeln (Nr. 142)

  10. 5. „Basic Principles“ 1. Jugendliche Straftäter in ambulanten oder frei-heitsentziehenden Sanktionen oder Maßnahmen sind unter Achtung ihrer Menschenrechte zu behandeln. 2. Die Sanktionen oder Maßnahmen, die gegenüber Jugendlichen auferlegt werden können, ebenso wie die Art und Weise ihrer Implementation sind gesetzlich festzulegen und auf den Grundsätzen der sozialen Wiedereingliederung und Erziehung sowie der Vorbeugung von Rückfälligkeit gegründet sein.

  11. „Basic Principles“ (2) 3. Sanktionen oder Maßnahmen sind durch ein Gericht anzuordnen bzw. zu verhängen; falls sie von einer anderen gesetzlich anerkannten Institution auferlegt werden, muss eine unmittelbare gerichtliche Überprüfung der Entscheidung gewährleistet sein. Sanktionen und Maßnahmen müssen zeitlich bestimmt sein und dürfen nur für die geringst mögliche Dauer und für den gesetzlich vorgesehenen Zweck angeordnet werden.

  12. „Basic Principles“ (3) 4. Das Mindestalter für die Auferlegung von Sanktionen oder Maßnahmen als Folge der Begehung einer Straftat darf nicht zu niedrig angesetzt und muss gesetzlich festgelegt werden. 5. Die Auferlegung und der Vollzug von Sanktionen oder Maßnahmen hat nach dem Prinzip des besten Interesses des jugendlichen Straftäters zu erfolgen und ist nach dem Prinzip der Tatschwere zu begrenzen (Prinzip der Tatproportionalität); ferner sind das Alter, körperliche und geistige Wohlbefinden, der Entwicklungsstand, Fähigkeiten und persönliche Umstände zu berücksichtigen (Prinzip der Individualisierung), wie sie – soweit notwendig – in psychologischen, psychiatrischen Gutachten oder Berichten zur sozialen bzw. familiären Situation ermittelt wurden.

  13. „Basic Principles“ (4) 6. Um den Vollzug von Sanktionen oder Maßnahmen an die spezifischen Umstände des Einzelfalls anzupassen, ist den mit dem Vollzug befassten Institutionen ein ausreichender Ermessensspielraum einzuräumen, ohne dass hierdurch allerdings weitreichende Unterschiede der Behandlung von Straftätern entstehen dürfen. 7. Sanktionen oder Maßnahmen dürfen Jugendliche, die ihnen ausgesetzt sind, nicht erniedrigen oder herabwürdigen.

  14. „Basic Principles“ (5) 8. Sanktionen oder Maßnahmen dürfen nicht in einer Weise vollzogen werden, die den mit ihrer Auferlegung zwangsläufig verbundenen Charakter der Sanktion verstärkt oder ein unangemessenes Risiko im Hinblick auf körperliche oder geistige Schäden setzt. 9. Sanktionen oder Maßnahmen sind ohne unangemessene Verzögerung zu vollstrecken und nur in dem geringst möglichen Ausmaß und für die unabdingbar notwendige Zeitdauer (Prinzip der minimalen Intervention, Verhältnismäßigkeitsgrundsatz).

  15. „Basic Principles“ (6) 10. Freiheitsentzug gegenüber Jugendlichen ist nur als letztes Mittel und für die geringst mögliche Dauer aufzuerlegen und zu vollziehen. Besondere Anstrengungen sind zu unternehmen, um Untersuchungshaft zu vermeiden. 11. Sanktionen oder Maßnahmen sind ohne jegliche Diskriminierung aufzuerlegen und zu vollziehen, insbesondere hinsichtlich des Geschlechts, der Ras-se, Hautfarbe, Sprache, Religion, sexuellen Orien-tierung, politischer oder anderen Meinung, nationa-ler oder sozialen Herkunft, Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Eigentums, der Geburt oder eines anderen sozialen Statusmerkmals (Prinzip der Nicht-Diskriminierung).

  16. „Basic Principles“ (7) 12. Mediation oder andere wiedergutmachende Maß-nahmen sind in allen Verfahrensstadien gegen-über Jugendlichen zu fördern. 13. Jedes gegenüber Jugendlichen anwendbare Rechtssystem hat deren effektive Beteiligung im Verfahren, im Rahmen dessen eine Sanktion auferlegt wird, ebenso wie beim Vollzug von Sanktionen oder Maßnahmen zu gewährleisten. Jugendliche dürfen bzgl. ihrer Rechtspositionen und Schutzrechte nicht schlechter gestellt warden als Erwachsene im Rahmen des allgemeinen Strafprozessrechts.

  17. „Basic Principles“ (8) 14. Jedes gegenüber Jugendlichen anwendbare Rechts-system muss die Rechte und Verantwortlichkeiten der Eltern bzw. Erziehungsberechtigten angemessen berücksichtigen und sie so weit wie möglich am Ver-fahren und beim Vollzug der Sanktionen oder Maß-nahmen beteiligen, außer, dass dies nicht im wohl-verstandenen Interesse des Jugendlichen liegt. Wenn der Straftäter das Erwachsenenalter erreicht hat, ist die Beteiligung der Eltern bzw. Erziehungs-berechtigten nicht obligatorisch. Personen des erweiterten Familienkreises und des sozialen Um-felds des Jugendlichen können ebenfalls am Ver-fahren beteiligt werden, sofern dies geeignet erscheint.

  18. „Basic Principles“ (9) 15. Jedes gegenüber Jugendlichen anwendbare Rechtssystem hat einen interdisziplinären Ansatz unter Vernetzung verschiedener Agenturen zu verfolgen und ist in die weitergehenden sozialen bzw. gemeindlichen Initiativen für Jugendliche zu integrieren, um eine ganzheitliche und auf Kontinuität angelegte Fürsorge gegenüber diesen Jugendlichen zu gewährleisten (Prinzipien der Gemeindeorientierung und der durchgehenden Betreuung).

  19. „Basic Principles“ (10) 16. Das Recht auf den Schutz der Privatsphäre ist in vollem Umfang während des gesamten Verfahrens zu gewährleisten. Die Identität von Jugendlichen und vertrauliche Informationen über sie und ihre Familien dürfen keinem anderen mitgeteilt werden, der nicht gesetzlich dazu autorisiert ist. 17. Heranwachsende Straftäter können, wenn dies geeignet erscheint, Jugendlichen gleichgestellt und entsprechend behandelt werden.

  20. „Basic Principles“ (11) 18. Jegliches Personal, das mit jugendlichen Straf-tätern arbeitet, erbringt eine wichtige öffentliche Dienstleistung. Ihre Auswahl, spezielle Ausbildung und die Arbeitsbedingungen müssen das Personal in die Lage versetzen, den angemessenen Standard der Betreuung zu gewährleisten, um den spezifi-schen Bedürfnissen von Jugendlichen zu entspre-chen und ihnen positive Rollenmodelle zu ver-mitteln.

  21. „Basic Principles“ (12) 19. Eine ausreichende sachliche und personelle Ausstattung ist zu gewährleisten, um sicher zu stellen, Interventionen in das Leben Jugendlicher bedeutungsvoll sind. Mittelknappheit kann in keinem Fall eine Rechtfertigung für Verletzungen der Menschenrechte von Jugendlichen sein. 20. Der Vollzug jeglicher Sanktion oder Maßnahme ist durch regelmäßige Inspektionen von staatlichen Stellen zu kontrollieren und durch unabhängige Stellen zu überwachen.

  22. 6. Empfehlungen für ambulante Maßnahmen • Grundsätze: • Es ist eine große Vielfalt von ambulanten/gemeinde-bezogenen Sanktionen vorzusehen, die jeweils den unterschiedlichen Entwicklungsstand von Jugend-lichen berücksichtigen (Rule 23.1). • Erzieherisch wirkenden ebenso wie bzgl. des vom Jugendlichen verursachten Schadens wiedergutmachungsorientierten Sanktionen oder Maßnahmen ist Vorrang einzuräumen (Rule 23.2).

  23. Rechtsstaatliche Begrenzungen • Art der Ausgestaltung • z. B. keine erniedrigenden oder sinnlosen Arbeiten • Dauer: • keine zeitlich unbestimmten Maßnahmen (vgl. Grundsatzregelung Nr. 3)! • Verstöße gegen Auflagen oder Weisungen sollen nicht automatisch zum Widerruf führen und keinen eigenständigen Straftatbestand darstellen. • Bei Widerruf: Berücksichtigung erbrachter Leistungen bzw. der absolvierten Bewährungszeit • Qualitätssicherung durch „Monitoring“ und Evaluation

  24. 7. Empfehlungen für den Jugendstrafvollzug und andere Formen des Freiheitsentzugs gegen- über Jugendlichen und jungen Erwachsenen • „Allgemeiner Teil“ – Grundsätze: • Freiheitsentzug darf nur für den Zweck vollzogen werden, für den er angeordnet bzw. verhängt wurde, und nur in der Weise, dass die mit der Freiheitsent-ziehung zwangsläufig verbundenen Einschränkungen nicht verstärkt werden (Rule 49.1). • Art der Freiheitsentziehung: • Untersuchungshaft, vorl. Heimunterbringung u. ä. • Heimerziehung • Jugendpsychiatrie • Jugendstrafvollzug

  25. Freiheitsentzug für Jugendliche muss die Möglichkeit einer vorzeitigen Entlassung (auf Bewährung)vorsehen (Rule 49.2). • Für Jugendliche, denen die Freiheit entzogen ist, ist eine Vielzahl sinnvoller Aktivitäten und Programme auf der Basis eines individuellen Erziehungs- bzw. Behandlungsplans bereit zu stellen, der auf die Progression hin zu möglichst wenig einschränkenden Vollzugsregimen, die Vorbereitung auf die Entlassung und Wiedereingliederung in die Gesellschaft ausgerichtet ist. Diese Aktivitäten und Programme sollen die physische und geistige Gesundheit, Selbstachtung und das Gefühl von Verantwortung des Jugendlichen fördern und Einstellungen sowie Fähigkeiten entwickeln, die den Rückfall vermeiden helfen (Rule 50.1).

  26. Jugendliche sind zu ermutigen, an solchen Aktivitäten und Programmen teilzunehmen (Rule 50.2). • Um die Kontinuität der Betreuung zu gewährleisten sind die Jugendlichen von Anbeginn der Inhaftierung durchgehend während des gesamten Vollzugsverlaufs von den Einrich-tungen zu unterstützen, die nach der Entlassung für sie zuständig sein werden (Rule 51). • Da inhaftierte Jugendliche in hohem Maß verletzbar sind, müssen die für den Vollzug Verantwortlichen ihre physische und geistige Integrität schützen und ihr Wohlbefinden fördern. (Rule 52.1). • Besondere Aufmerksamkeit ist den Bedürfnissen von Ju-gendlichen zu schenken, die physischen, psychischen oder sexuellen Missbrauch erlebt haben (Rule 52.2).

  27. Empfehlungen für inhaftierte Jugendliche • Einzelfragen: • „Institutional structure“: • Wohngruppenvollzug • Unterbringung: • Einzelunterbringung während der Ruhezeit • Jugendliche Straftäter sind in der Regel bei Nacht in Einzelhafträumen unterzubringen, es sei denn, die gemeinschaftliche Unterbringung mit anderen Gefangenen wird für vorzugswürdig gehalten (Rule 63.2).

  28. Einzelfragen • Fördermaßnahmen • Alle Vollzugsprogramme bzw. –aktivitäten sind darauf auszurichten, dass sie die Entwicklung der Jugendlichen fördern, die aktiv dazu zu ermutigen sind, daran teilzunehmen (Rule 76.1). • Diese Programme sind an den individuellen Bedürfnissen der Jugendlichen unter Berücksichtigung ihres Alters, Ge-schlechts, sozialen und kulturellen Hintergrunds, Entwick-lungsstands und Art des begangenen Delikts auszurichten und müssen den nachgewiesenen professionellen Standards auf der Basis empirischer Befunde und bester Praxismodelle in den jeweiligen Arbeitsfeldern entsprechen (Rule 76.2).

  29. „Regime activities“ (Vollzugsplanung und –gestaltung) • Programme bzw. Aktivitäten (Regime activities) haben zum Ziel die Erziehung, persönliche und soziale Entwicklung, berufliche Ausbildung, Wiedereingliederung und Vorbereitung auf die Entlassung. Diese können beinhalten: • schulische Ausbildung; • berufliche Ausbildung; • Arbeits- und Beschäftigungstherapie; • Staatsbürgerkunde (citizenship training); • Training sozialer Fertigkeiten und Kompetenzen; • Aggressions-Management; • Drogentherapie;

  30. „Regime activities“ (Vollzugsplanung und –gestaltung) • Einzel- und Gruppentherapie; • Leibeserziehung und Sport; • tertiäre Hochschulausbildung oder Weiterbildung; • Schuldenregulierung; • Wiedergutmachungsprogramme und Täter-Opfer-Ausgleich; • kreative Freizeitprogramme und Hobbies; • Aktivitäten außerhalb der Einrichtung in der Gemeinde, Ausgänge und andere Formen des Verlassens der Anstalt; und • Vorbereitung auf die Entlassung und Nachbetreuung (Rule 77).

  31. „Regime activities“ (Vollzugsplanung und –gestaltung) • Schulischer und beruflicher Ausbildung und, soweit angemessen, Behandlungsprogrammen ist Vorrang gegenüber Arbeit einzuräumen (Rule 78.1). • Soweit wie möglich sind Möglichkeiten dafür zu vorzusehen, dass Jugendliche normale örtliche Schulen und Trainingszentren nutzen können (Rule 78.2). • Jugendlichen ist zu ermöglichen, ihre Schul- oder Berufsausbildung während der Haftzeit abzuschlie-ßen und diejenigen, die noch im schulpflichtigen Alter sind, können dazu auch verpflichtet werden (Rule 78.4).

  32. Öffnung des Vollzugs, Außenkontakte • Besuche (ein Mehrfaches i. V. zu Erwachsenen) • Vollzugslockerungen: sind regelmäßiger Bestandteil des Erziehungsvollzugs • Im Hinblick auf die Entlassungsvorbereitung sind zusätzliche Lockerungen vorzusehen. • Falls Lockerungen bzw. Hafturlaub nicht möglich sind, müssen zusätzliche Langzeitbesuche vorgesehen werden.

  33. Freizeitangebote • Nach Rule 80.1 sollen sich Jugendliche möglichst viele Stunden außerhalb ihres Schlafraums auf-halten dürfen, i. d. R. („preferably“) mindestens 8 Stunden pro Tag (auch in U-Haft!). • Sinnvolle Freizeitangebote („meaningful activi-ties“) sind auch an Wochenenden und Feiertagen vorzuhalten (Rule 80.2).

  34. Entlassungsvorbereitung • Möglichst frühzeitige Kontaktnahme der Bewährungs-/Jugendhilfe • Intensivmaßnahmen der Überleitung • Zusätzliche Lockerungen • Orientierung an einer bedingten Entlassung, um die Nachsorge durch die Bewährungshilfe zu gewährleisten • Fortsetzung der Ausbildung nach der Entlassung

  35. Entlassungsvorbereitung • Alle Jugendlichen, denen die Freiheit entzogen ist, sind dabei zu unterstützen, den Übergang in das Leben in Freiheit erfolgreich zu bewältigen (Rule 100.1). • Alle Jugendlichen, deren Schuld rechtskräftig festgestellt wurde, sind auf die Entlassung durch spezielle Programme vorzubereiten (Rule 100.2). • Diese Programme und Aktivitäten sind in den individuellen Vollzugsplan i. S. v. Rule 79.1 aufzunehmen und sind rechtzeitig vor der Entlassung umzusetzen (Rule 100.3). • Es sind Schritte zu unternehmen, um einen abgestuften Übergang des Jugendlichen in das Leben in Freiheit zu gewährleisten (Rule 101.1).

  36. Entlassungsvorbereitung • Derartige Stufen sollten zusätzliche Ausgänge bzw. Beurlaubungen sowie die vorzeitige Entlassung auf Bewährung in Verbindung mit einer effektiven sozialen Unterstützung vorsehen (Rule 101.2). • Von Anbeginn der Inhaftierung an müssen die Leitung bzw. Verantwortlichen der Institution mit den sozialen Diensten und Einrichtungen, die entlassene Jugendliche beaufsichtigen und betreuen, eng zusammenarbeiten, um zu gewährleisten, dass die Jugendlichen sich in die Gesellschaft wiedereingliedern können.

  37. Entlassungsvorbereitung • Vertreter dieser sozialen Dienste und Einrichtungen der Nachsorge ist Zutritt zu den Institutionen zu gewähren, um diese bei der Entlassungsvorberei-tung zu unterstützen (Rule 102.2). • Diese sozialen Dienste und Einrichtungen sind dazu verpflichtet, geeignete Maßnahmen der Entlas-sungsvorbereitung rechtzeitig vor dem vorgesehenen Entlassungstermin bereit zu stellen (Rule 102.3).

  38. Fördern und Fordern • Insgesamt wird die Orientierung an klassischen Merkmalen eines Förder- bzw. Erziehungsvoll-zugs deutlich, die dem Standard der Gesetzesrege-lungen zum Jugendstrafvollzug in Deutschland entspricht. Erneut wird das Prinzip der „Ermutigung“ bzw. Motivation in den Vordergrund gestellt (vgl. oben Rule 76.1).

  39. Sicherheit und Ordnung, Disziplinarmaßnahmen und unmittelbarem Zwang • Disziplinarmaßnahmen: • Vorrang konfliktschlichtender Verfahren (restorative justice) • Vorrang erzieherischer Maßnahmen • Disziplinarmaßnahmen als „ultima ratio“ • Wichtig: die EPR fordern einen Katalog von Disziplinartatbeständen! • Allgemeine Formulierungen wie „schuldhafter Pflichtverstoß“ reichen nicht aus!

  40. Disziplinar- und Sicherheitsmaßnahmen • „Revolutionärer“ Vorschlag: Abschaffung isolierender Maßnahmen wie des disziplinarischen Arrests in einer gesonderten Arrestzelle (Rule 95.3). • Absonderung aus disziplinarischen Gründen auf der eigenen Zelle für max. 3 Tage. • Unterbringung in einer Beruhigungszelle für max. 24 Std.!

  41. Unmittelbarer Zwang • Schusswaffengebrauch ist auszuschließen!

  42. 8. Ausblick • Die ERJOSSM haben die Grundgedanken des BMJ-Entwurfs 2004 aufgegriffen und im positiven Sinn weiterentwickelt. • Die JStVollz-Gesetze der Länder haben teilweise Nachholbedarf. • Spielräume und Bindung des Gesetzgebers angesichts europäischer Vorgaben (s. Einleitung) • Die Farce der Föderalismusreform

  43. Ausblick • Die Chancen eines europäischen Grundkonsenses: • Europäische Vorgaben als Chance, einen effektiven Erziehungsvollzug zu entwickeln • Der Jugendvollzug ist auf der Basis von Erfahrungswissen („evidence based“) und von Menschenrechtsgarantien zu gestalten!

  44. Danke! Prof. Dr. Frieder Dünkel duenkel@uni-greifswald.de http://jura.uni-greifswald.de/duenkel Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, Lehrstuhl für Kriminologie Domstr. 20, D-17487 Greifswald/Germany Tel.: 0049-(0)3834-862138

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