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Repetitorium aus Straf- und Strafprozessrecht. Univ.- Ass. Mag. Martin Stricker. Fall 3 - Kleidungsstücke.
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Repetitorium aus Straf- und Strafprozessrecht Univ.- Ass. Mag. Martin Stricker
Fall 3 - Kleidungsstücke • Die südamerikanische Studentin A arbeitet in Wien für ihren Lebensunterhalt immer samstags in der Modeabteilung des Kaufhauses X als Verkäuferin. Eines Tages beobachtet sie, wie ein Landsmann B, den sie einmal auf einer Party kennengelernt hat, in ihrer Abteilung Kleidungsstücke in die Hand nimmt und in einer Tasche verschwinden lässt. Auf ihren strengen Hinweis, dass dies nicht gehe, erklärt er ihr zu ihrem Erstaunen, sie solle den Mund halten, sonst passiere ihr etwas. Er verlässt mit den Kleidern (an denen sich keine Sicherheitsetiketten befinden) das Geschäft.
Fall 3 - Kleidungsstücke • Strafbarkeit des B • Zu prüfen: Diebstahl § 127 StGB • Grunddelikt § 127 StGB: Wer eine fremdebeweglicheSache einem anderen mit dem Vorsatz wegnimmt, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern,[…] • Bei den Kleidungsstücken handelt es sich um fremde bewegliche Sachen, weil sie im Eigentum des Kaufhauses X stehen. Die Sachen stehen auch im Gewahrsam des Kaufhauses, der durch die Mitarbeiter ausgeübt wird. • Vollendungszeitpunkt?: Beobachteter Ladendiebstahl, § 127 StGB erst mit dem Verlassen des Gebäudes vollendet. • B bricht somit den Gewahrsam des Kaufhauses und begründet Alleingewahrsam durch das Verlassen des Kaufhauses. Er handelt mit Eventualvorsatz auf alle Elemente des objektiven Tatbestands und dem erweiterten Vorsatz auf unrechtmäßige Bereicherung.
Fall 3 - Kleidungsstücke • Strafbarkeit des B • Zu prüfen: Nötigung § 105 StGB • Tatbestand: Wer einen anderen mit Gewalt oder durch gefährliche Drohung zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, […] • Gewalt: Körperlichkeitstheorie, „Psychoterror“ begründet keine Gewalt • Gefährliche Drohung: § 74 Abs 1 Z 5 StGB • B‘s Ausspruch „sonst passiert was“ erfüllt die Definition der Gefährlichen Drohung nicht. B bleibt daher straflos.
Fall 3 - Kleidungsstücke • Strafbarkeit der A • Zu prüfen: Beitrag zum Diebstahl durch Unterlassen §§ 12 dritter Fall, 2, 127 StGB • Grunddelikt: Bedroht das Gesetz die Herbeiführung eines Erfolges mit Strafe, so ist auch strafbar, wer es unterläßt, ihn abzuwenden, obwohl er zufolge einer ihn im besonderen treffenden Verpflichtung durch die Rechtsordnung dazu verhalten ist und die Unterlassung der Erfolgsabwendung einer Verwirklichung des gesetzlichen Tatbildes durch ein Tun gleichzuhalten ist. • Diebstahl als Erfolgsdelikt. Durch das Nichteinschreiten und Nichtmelden des Täters leistet A einen Beitrag zu B‘s Diebstahl. Sie ist aufgrund ihrer Anstellung allerdings (vertraglich) verpflichtet, Ladendiebstähle zumindest zu melden. Dieses Unterlassen ist einem Tun vom Unwertgehalt auch gleichzuhalten. • A leistet somit einen strafbaren Beitrag durch Unterlassen zu einem Diebstahl.
Fall 3 - Kleidungsstücke • Strafbarkeit der A • Zu prüfen: Tätige Reue § 167 StGB • Diebstahl ist ein reuefähiges Delikt. • A verpflichtet sich vertraglich dazu den Schaden wieder gutzumachen. • Dies reicht nach § 167 Abs 2 Z 2 StGB aus, um den Schaden zu beseitigen. • A verpflichtet sich freiwillig und rechtzeitig. • Sie ist daher aufgrund Tätiger Reue nicht zu bestrafen.
Fall 3 - Umtäusche • Auf dem Heimweg wird A von zwei anderen Männern (C und D) abgepasst, die sie zu folgendem Tun auffordern: sie solle Zahlungsbelege, die von Kunden liegengelassen wurden, dazu benützen, Warenrückgaben zu fingieren. Den auf den Belegen ausgewiesenen Geldbetrag solle sie sich jeweils aus der Kasse nehmen und nach Geschäftsschluss C und D geben. Als A ihren Widerstand erkennen lässt, geben sie ihr zu verstehen, dass sie die Wohnung der A anzünden würden, wenn nicht tue, was sie wollten. A erschrickt sehr, weil sie sofort daran denken muss, dass einige Tage zuvor in ihrem Postkasten von Unbekannten ein offenbar mit Benzin getränkter Stofffetzen angezündet worden war, was zum Glück zu keinem größeren Brand geführt hatte.
Fall 3 - Umtäusche • A macht daher, was C und D von ihr verlangt haben, und verbucht tatsächlich Belege, die von Kunden liegengelassen worden sind, als „Umtäusche“, ohne dass tatsächlich Ware zurückgegeben wird. Auf den Umtauschbelegen unterschreibt sie jeweils mit erfundenen Namen und zahlt sich selbst das Geld aus. Am Abend wird sie von C und D abgepasst und händigt ihnen die Beträge aus. Der Vorgang wiederholt sich in den kommenden Wochen mehrere Male. Der Firmenleitung fallen die gehäuften Manipulationen jedoch auf, und sie stellt A zur Rede. Dabei gibt diese ihre eigenen Unkorrektheiten zu, ohne jedoch von dem Hintergrund etwas zu sagen. Sie unterschreibt ein Geständnis und verpflichtet sich zur gänzlichen Schadensgutmachung. Das Unternehmen zeigt A danach bei der Polizei an und entlässt sie.
Fall 3 - Umtäusche • Anlässlich ihrer polizeilichen Einvernahme erwähnt A den Grund für die fraglichen Handlungen. Auf die Frage, ob sie also behaupten wolle, zu den Umtäuschen gezwungen worden zu sein, bejaht sie dies und erstattet Anzeige gegen die unbekannten Täter. Obwohl sie einen Brief vorlegt, den sie ein paar Tage vorher per Post erhalten hat und in dem ihr nochmals mit dem Anzünden ihrer Wohnung gedroht wird, wenn sie nicht Geld abliefere, wird ihr von den Polizisten kein Glauben geschenkt. Die Polizei erklärt vielmehr, wegen dieser Aussage nun gegen sie zu ermitteln, und gelangt zur Schlussfolgerung, die Ermittler seien irregeführt worden. • Auf Grund einer Berechnung der Firmenleitung wird als Gesamtschaden (Kleidung und Geld) die Summe von € 3000 festgestellt und der A auf ihre Anfrage mitgeteilt. Sie bezahlt die gesamte Summe mit Mitteln, die ihr Familienangehörige zur Verfügung stellen.
Fall 3 - Umtäusche • Strafbarkeit von A • Zu prüfen: Abgrenzung Diebstahl – Veruntreuung – Betrug • Betrug scheidet aus, weil der Schaden nicht durch die Vermögensverfügung des Getäuschten entsteht. • Anvertrautes Gut? Alleingewahrsam • Kontrollmöglichkeiten, Eigenverantwortung von A • Je nach Argumentation § 127 StGB oder § 133 StGB • Mangels näherer Angaben im SV eher § 127 StGB anzunehmen • Durch das Einstecken der Beträge bricht A den Gewahrsam des Kaufhauses X am Geld und begründet Alleingewahrsam. Sie handelt vorsätzlich und möchte einen Dritten (C und D) bereichern.
Fall 3 - Umtäusche • Strafbarkeit von A • Zu prüfen: Entschuldigender Notstand § 10 StGB • Tatbestand: Wer eine mit Strafe bedrohte Tat begeht, um einen unmittelbar drohenden bedeutenden Nachteil von sich oder einem anderen abzuwenden, ist entschuldigt, wenn der aus der Tat drohende Schaden nicht unverhältnismäßig schwererwiegt als der Nachteil, den sie abwenden soll, und in der Lage des Täters von einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen kein anderes Verhalten zu erwarten war. • Bedeutender Nachteil: Nicht auf bestimmte Rechtsgüter eingeschränkt • Unverhältnismäßig schwer: beschränkte Güterabwägung, bei Gleichwertigkeit der Rechtsgüter § 10 StGB erfüllt • Kein anderes Verhalten zu erwarten war: Vergleich mit der Maßfigur, Extremsituation, besondere Zwangslage für den Täter • Für A besteht diese Extremsituation hier nicht, weil es möglich gewesen wäre die Polizei zur Hilfe zu holen. A ist daher nicht entschuldigt.
Fall 3 - Umtäusche • Strafbarkeit von A • Zu prüfen: Gewerbsmäßiger Diebstahl § 130 StGB • Tatbestand: Wer einen Diebstahl gewerbsmäßig[…] begeht, […] • Gewerbsmäßigkeit: § 70 StGB: Gewerbsmäßig begeht eine strafbare Handlung, wer sie in der Absicht vornimmt, sich durch ihre wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. • Absicht: § 5 Abs 2 StGB • Forltaufende Einnahmequelle: Ausführung einer einzelnen Tat genügt uU • A möchte durch ihr Verhalten nicht sich selbst eine Einnahmequelle verschaffen. § 130 StGB scheidet daher aus.
Fall 3 - Umtäusche • Strafbarkeit von A • Zu prüfen: Tätige Reue § 167 Abs 2 Z 2 StGB • Wie den Schaden des Kaufhauses durch den Kleidungsdiebstahl, verpflichtet sich A auch vertraglich den Schaden aus den Umtäuschen gutzumachen. • Ihre Strafbarkeit nach § 127 StGB wird daher durch Tätige Reue aufgehoben.
Fall 3 - Umtäusche • Strafbarkeit von A • Zu prüfen: Urkundenfälschung§ 223 Abs 1 StGB • Tatbestand: Wer eine falscheUrkunde mit dem Vorsatz herstellt oder eine echte Urkunde mit dem Vorsatz verfälscht, daß sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werde, […] • Urkunde: § 74 Abs 1 Z 7 StGB: Schriftliche Gedankenerklärung, Rechtserheblichkeit des Inhalts, Erkennbarkeit des Ausstellers • Falsche oder verfälschte Urkunde: Aussteller und Inhalt der Urkunde stimmen nicht überein • A stellt durch die falschen Namen auf den Umtauschbelegen eine falsche Urkunde her. Diese Belege sind schriftliche Gedankenerklärungen mit rechtserheblichem Inhalt. A handelt auch vorsätzlich, insbesondere hält sie es ernstlich für möglich und findet sich damit ab, dass die falschen Belege im Rechtsverkehr verwendet werden. § 223 Abs 1 StGB ist erfüllt.
Fall 3 - Umtäusche • Strafbarkeit von C und D • Zu prüfen: Bestimmung zu Diebstahl und Urkundenfälschung §§ 12 zweiter Fall 127, 223 StGB • C und D wecken in A den Handlungsentschluss den Diebstahl und die Urkundefälschung zu begehen. Ohne ihre Aufforderung hätte A die Delikte nicht begangen. C und D sind daher nach §§ 12 zweiter Fall 127, 223 StGB zu bestrafen. • Zu prüfen: Erpressung § 144 StGB • Tatbestand: Wer jemanden mit Gewalt oder durch gefährliche Drohung zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, die diesen oder einen anderen am Vermögen schädigt, ist, wenn er mit dem Vorsatz gehandelt hat, durch das Verhalten des Genötigten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, […] • Gewalt: Körperlichkeitstheorie • Gefährliche Drohung: § 74 Abs 1 Z 5 StGB
Fall 3 - Umtäusche • Strafbarkeit von C und D • Zu prüfen: Erpressung § 144 StGB • Vermögensschaden: effektiver Verlust von Vermögenswerten, Sonderfall der Nötigung • Erweiterter Vorsatz auf Bereicherung • C und D drohen A mit dem in Brand setzen ihrer Wohnung (gefährliche Drohung, Vermögensschaden) und nötigen sie dadurch zu den strafbaren Handlungen. § 144 StGB ist erfüllt. • Zu prüfen:Schwere Erpressung § 145 Abs 1 StGB • Tatbestand: Wer eine Erpressung begeht, indem er mit dem Tod, mit einer erheblichen Verstümmelung oder einer auffallenden Verunstaltung, mit einer Entführung, mit einer Brandstiftung, mit einer Gefährdung durch Kernenergie, ionisierende Strahlen oder Sprengmittel oder mit der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz oder gesellschaftlichen Stellung droht oder den Genötigten oder einen anderen, gegen den sich die Gewalt oder gefährliche Drohung richtet, durch diese Mittel längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzt, […]
Fall 3 - Umtäusche • Strafbarkeit von C und D • Zu prüfen: Schwere Erpressung § 145 Abs 1 StGB • Handlungsqualifikation, Vorsatz • C und D drohen vorsätzlich mit einer Brandstiftung. Daher ist § 145 Abs 1 Z 1 StGB erfüllt. • Zu prüfen: Schwere Erpressung § 145 Abs 2 StGB • Tatbestand: […] wer eine Erpressung gewerbsmäßigbegeht oder gegen dieselbe Person längere Zeit hindurch fortsetzt. • C und D wollen sich durch die Erpressung der A eine fortlaufende Einnahmequelle verschaffen. § 145 Abs 2 StGB ist daher erfüllt.
Fall 4 - Abrechnungen • Bei der Polizei erscheint Helmut (H), Geschäftsführer der Teppichhandelsfirma X, zeigt seinen Mitarbeiter Alfred (A) an und gibt Folgendes zu Protokoll: A war als Vertreter der Firma zum Inkasso berechtigt und hatte daher immer wieder Kaufpreiszahlungen entgegengenommen. Aufgrund von Unregelmäßigkeiten wurde A firmenintern geprüft. Dabei stellte sich heraus, dass A im Laufe der Zeit – allerdings ohne erkennbare Regelmäßigkeit – insgesamt € 49.000 beiseite geschafft hatte. Er zahlte das kassierte Geld nicht auf das Firmenkonto, sondern auf das eigene Konto ein. Darüber hinaus bekam A auch Geld für das Bezahlen der Tankrechnungen und zwar für Monate im Voraus in der Höhe von € 1.500. Auch diese waren nicht mehr vorhanden, wobei A keine Tankrechnungen dafür vorgelegte. H stellte A zur Rede und verlangte eine Rückzahlung, andernfalls werde A angezeigt werden. Man einigte sich auf eine monatliche Ratenzahlung. A zahlte zunächst bis zur Summe von € 30.000 das Geld zurück, dann zwei Monate nichts, und dann kam As Mutter vorbei und brachte € 1.500 für ihren Sohn. Der Rest ist seit einem Monat unbeglichen. Zuletzt ist A nicht zur Arbeit erschienen.
Fall 4 - Abrechnungen • Wenige Tage später wird A nach einer Verfolgungsjagd gestellt. Aufgrund seiner Aussage ergibt sich folgender, ergänzender Sachverhalt: A nahm recht unregelmäßig die Manipulationen vor, weil er unter Spielsucht litt. Das Geld für die Tankrechnungen wollte er schnell zurückgeben, und zwar durch Verpfändung des Schmucks seiner Mutter. Die Mutter verpfändete dann auf seine Bitte hin tatsächlich den Schmuck und brachte das Geld H. Bevor es dazu kam, wurde er von H entdeckt. Dieser drohte ihm nicht nur mit einer Anzeige, sondern stellte ihm in Aussicht, dass er nie wieder in der Gegend eine Anstellung bekommen und als Sozialfall enden werde. Das war für A recht glaubhaft, denn H verfügt über ausreichend gute Kontakte.
Fall 4 - Abrechnungen • Strafbarkeit von A • Zu prüfen: Veruntreuung § 133 Abs 2 StGB • Grunddelikt: Wer ein Gut, das ihm anvertraut worden ist, sich oder einem Dritten mit dem Vorsatz zueignet, sich oder den Dritten dadurch unrechtmäßig zu bereichern, […] • Gut: Grdstzl körperliche Sache; strittig Forderungen, Giralgeld; hM sieht Forderungen als Gut (bspw Fehlüberweisung) • Anvertraut: Gut in Alleingewahrsam des Täters übergeben; Verwendungs- oder Rückstellungspflicht • Zueignung: Berechtigten von der Nutzung ausschließen, Anmaßen einer eigentümerähnlichen Stellung • Erweiterter Vorsatz: Bereicherungsvorsatz
Fall 4 - Abrechnungen • Strafbarkeit von A • Zu prüfen: Veruntreuung § 133 Abs 2 StGB • A wurden Kaufpreiszahlungen von der Teppichhandelsfirma anvertraut, weil er Alleingewahrsam daran hatte und eine Verwendungspflicht bestand. Ebenso war ihm das Tankgeld anvertraut, das er nicht abliefert, sondern für sich behielt und damit zueignete. § 133 Abs 1 StGB ist somit in beiden Fällen erfüllt. • Gem § 29 Abs 2 StGB liegen mehrere Taten derselben Art vor, weshalb von einem Wert von über 50.000 Euro auszugehen ist. Daher ist auch die Wertqualifikation nach § 133 Abs 2 zweiter Fall StGB erfüllt. • Zu prüfen: Tätige Reue § 167 StGB • Für die Höhe der gezahlten Summe tritt Straffreiheit ein, weil die Voraussetzung von § 167 StGB gegeben waren. Die Strafbarkeit nach § 133 Abs 2 zweiter Fall entfällt somit. Auch die 1.500 sind nach § 167 Abs 4 StGB zu berücksichtigen.
Fall 4 - Abrechnungen • Strafbarkeit von H • Zu prüfen: Nötigung § 105 StGB • Tatbestand: Wer einen anderen mit Gewalt oder durch gefährliche Drohung zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, […] • Gewalt: Weiter Gewaltbegriff • Gefährliche Drohung: § 74 Abs 1 Z 5 StGB • H droht A mit einer Anzeige und Entlassung, sowie keine Anstellung mehr zu erhalten. Damit ist § 105 StGB erfüllt. • Zu prüfen:Sittenwidrigkeitskorrektiv § 105 Abs 2 StGB • Tatbestand: Die Tat ist nicht rechtswidrig, wenn die Anwendung der Gewalt oder Drohung als Mittel zu dem angestrebten Zweck nicht den guten Sitten widerstreitet. • Mittel-Zweck Beziehung der Nötigung: Rechtfertigungsgrund oder Sozialadäquanz • Drohung mit Anzeige nicht sittenwidrig. § 105 StGB entfällt.
Fall 4 - Abrechnungen • Strafbarkeit von H • Zu prüfen: Schwere Nötigung § 106 StGB • H droht mit der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz • Tatbestand: Wer eine Nötigung begeht, indem er mit dem Tod, mit einer erheblichen Verstümmelung oder einer auffallenden Verunstaltung, mit einer Entführung, mit einer Brandstiftung, mit einer Gefährdung durch Kernenergie, ionisierende Strahlen oder Sprengmittel oder mit der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz oder gesellschaftlichen Stellung droht, [...] • Drohung mit wirtschaftlicher Vernichtung ist nach § 106 StGB qualifiziert. Hier entfällt das Sittenwidrigkeitskorrektiv. H ist strafbar nach § 105, 106 Abs 1 Z 1 StGB.
Fall 4 – Einbruch • Da er kein Geld hatte, wollte er bei seiner Großmutter einbrechen, mit der er seit der Scheidung der Eltern keinen Kontakt hat. Er borgte sich dafür von Dieter (D) einen Dietrich aus, um damit das Türschloss zu öffnen. Mit seinem Freund Christian (C) fuhr er an diesem Abend zum Haus der Großmutter. Allerdings hatte er den Dietrich nicht mit, weil er ihn irgendwo verloren hatte. Sie rechneten aber mit der Möglichkeit, über eine offene Terrassentür oder durch ein Fenster ins Haus zu kommen. Tatsächlich stand eine Terrassentür offen. Sie entdeckten den Schmuck der Großmutter, den sie für über € 50.000 wert hielten. Damit wollte A seine Schulden bei H und andere Spielschulden zurückzahlen. Dann nahm er noch ein Sparbuch mit einer Spareinlage von € 5.000 mitsamt einem Zettel mit einem Zahlencode mit. Vor dem Haus trennten sie sich. Christian sollte dann € 10.000 von der Beute erhalten. Das Sparbuch nahm Christian mit, um es aufzulösen.
Fall 4 – Einbruch • Auf dem Heimweg fuhr A zu schnell. Als Polizisten ihn von hinten über die Lautsprechanlage des Autos aufhalten wollten, wurde er nervös, gab Gas und fuhr davon. • Bei der Verfolgungsjagd kam ein Funkwagen wegen der hohen Geschwindigkeit von der Fahrbahn ab und krachte gegen ein parkendes Auto, wobei ein Polizist schwer verletzt wurde. Es stellt sich in weiterer Folge heraus, dass der Schmuck nur € 2.700 Wert ist. Christian geht am nächsten Tag mit dem Sparbuch zur Bank. Da sich auf dem Zettel wider Erwarten nicht das Losungswort befindet, hat C kein Glück und taucht unverrichteter Dinge unter, kann aber wenig später ausgeforscht werden.
Fall 4 – Einbruch • Strafbarkeit von A • Zu prüfen: Einbruchsdiebstahl §§ 127, 129 StGB • Grunddelikt: Diebstahl § 127 StGB • A bricht durch das Einstecken des Schmucks den Gewahrsam seiner Großmutter und verwirklicht somit § 127 StGB, weil er auch vorsätzlich handelt und sich durch den Schmuck zu Unrecht bereichern möchte. • Da A durch eine offene Terrassentür in das Haus seiner Großmutter einsteigt, verwirklicht er den vorgehabten Einbruch nicht. • Zu prüfen: §§ 15, 127, 129 StGB • Versuchsstadium des Einbruchs: Der Ausführung unmittelbar vorangehende Handlung? Rücktritt vom Versuch durch Unterlassen der Ausführung? • Zu prüfen: §§ 15, 128 Abs 1 Z 4 StGB • Wertgrenze objektiv nicht überschritten; aber Vorsatz auf 50.000 Euro • Versuch der Wertqualifikation; Frage der Tauglichkeit nach § 15 Abs 3 StGB
Fall 4 – Einbruch • Strafbarkeit von A • Zu prüfen: Begehung im Familienkreis • Diebstahl aufgezählt • Großmutter in gerader Linie verwandt • § 166 StGB erfüllt Strafrahmen herabgesetzt, Privatanklagedelikt • Zu prüfen: Urkundenunterdrückung § 229 StGB • Tatbestand:Wer eine Urkunde, über die er nicht oder nicht allein verfügen darf, vernichtet, beschädigt oder unterdrückt, […] wenn er mit dem Vorsatz handelt, zu verhindern, daß sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werde, • Das Sparbuch ist eine Urkunde (§ 74 Abs 1 Z 7 StGB), über die A nicht alleine verfügen darf. Durch das Mitnehmen des Sparbuchs schließt A den Berechtigten von der Nutzung aus und unterdrückt das Sparbuch somit. Daher handelt er auch mit Gebrauchsverhinderungsvorsatz. § 229 StGB ist erfüllt.
Fall 4 – Einbruch • Strafbarkeit von A • Zu prüfen: Fahrlässige Körperverletzung § 88 Abs 1, 4 erster Fall StGB • A fährt zu schnell und entzieht sich der Polizeikontrolle, weshalb er objektiv sorgfaltswidrig handelt. • Allerdings ist die schwere Körperverletzung nicht im Risikoszusammenhang der objSfwg, weil es nicht deshalb verboten ist, zu schnell zu fahren, um Verletzungen eines verfolgenden Polizisten zu verhindern. • A bleibt daher straflos.
Fall 4 – Einbruch • Strafbarkeit von C • Zu prüfen: Versuchter Einbruchsdiebstahl §§ 127, 129 StGB • A und C handeln nach gemeinsamen Tatentschluss bei der Tatausführung arbeitsteilig zusammen. Sie sind daher Mittäter. Für C gilt daher das für A Ausgeführte. Nach § 166 Abs 2 StGB kommt die Privilegierung aber nicht zur Anwendung. • Zu prüfen: Versuchter schwerer Betrug §§ 15, 146, 147 Abs 2 Z 1 StGB • Tatbestand: Wer mit dem Vorsatz, durch das Verhalten des Getäuschten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, jemanden durch Täuschung über Tatsachen zu einer Handlung Duldung oder Unterlassung verleitet, die diesen oder einen anderen am Vermögen schädigt, […] • Täuschung: Unwahrheit über innere oder äußere Umstände • Irrtum: Täuschung führt zu einem themengleichen Irrtum eines anderen Menschen • Vermögensverfügung: Getäuschter muss über Vermögen verfügen
Fall 4 – Einbruch • Strafbarkeit von C • Vermögensschaden: Effektiver Verlust von Vermögenswerten • Bereicherungsvorsatz wie in § 127 StGB • Durch den Versuch mit dem Sparbuch Geld zu beheben täuscht C den Bankangestellten, dass er der Berechtigte ist. • Ohne Losungswort gelingt es ihm aber nicht abzuheben, weshalb Versuch zu prüfen bleibt. • Tauglichkeit der Handlung? Je nach Meinung: strafbar oder straflos
Fall 4 – Einbruch • Strafbarkeit von D • Zu prüfen: Versuchter Beitrag zum Einbruchsdiebstahl §§ 15 Abs 2, 127, 129 StGB • Die Beitragshandlung von D wird bei der Tatausführung nicht kausal, daher bleibt Versuch zu prüfen. • Versuchter Beitrag bleibt nach § 15 Abs 2 StGB e contrariostraflos.