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Universität zu KölnHumanwissenschaftliche FakultätLehrstuhl „Erziehungshilfe und Soziale Arbeit“Dipl.Reha.Päd. Anne Bihshttp://www.hf.uni-koeln.de/30070Enquetekommission des Landtags NRWAnhörung am 02.10.2009„Kurzexpertise zum pädagogischen Gestaltungsbedarf in den Jugendarrestanstalten NRW“Landtag Düsseldorf, 02.10.2009
Übersicht: • Allgemeines • Jugendarrest in NRW • Handlungsempfehlungen
1. AllgemeinesI Jugendarrest rechtlich regelt durch: • §§ 13-16 JGG: Zuchtmittel (Verwarnung u. Auflagen) • § 90 JGG: „Weckung des Ehrgefühls“, erzieherische Gestaltung • Jugendarrestvollzugsordnung (JAVollzO) von 1976 • Mindeststandards (Fachkommission Jugendarrest) • Prämissen des SGB VIII, internationale Konventionen • JA als Freizeit-, Kurz- und Dauerarrest • JA als „heilsamer Schock“, „Denkzettel“
1. AllgemeinesII Zur Klientel des Jugendarrests: • Anwendungsbereich unbestimmt: Unterscheidung „arresttauglich / arrestuntauglich“ • Strafrechtliche Vorbelastungen der ArrestantInnen (bis zu 70 %) • Sozialisationsdefizite, Risikofaktoren, Defizite im schulischen Bereich • Trotzdem: Heterogenität der Klientel Jugendarrest als umstrittenes Sanktionsinstrument: • Kurze Zeiten für Förderung (maximal 4 Wochen) • Zu große Zeiträume zwischen Straftat – Verhandlung – Arrestvollzug • Schockwirkung weicht Gewöhnungseffekt: kaum Abschreckung • Oft nicht ausreichende inhaltliche und pädagogische Ausgestaltung • Materielle und räumliche Voraussetzungen • Strukturell und fachlich personelle Voraussetzungen
2. Jugendarrest in NRW Rechtstatsächliche Befunde: • Bottrop, Düsseldorf, Lünen, Remscheid (männl. Arrestanten; insg. 232 Plätze mit Essen) • Wetter (weibl. Arrestantinnen; 22 Plätze) • Essen (Freizeitarrest) • Zum 31.07.2009: 144 männl. und 24 weibl. Arrest. (= 168) • Rückfallquote (Jehle, Heinz, Sutterer 2003): 70 % (1/4 stationäre Folgeentscheidungen) Studentische Arrestprojekte: • Seit 2 Jahren in Düsseldorf, Lünen, Remscheid, Wetter • Großes Engagement auf allen Seiten; positives Feedback • Aber: kein Ersatz von pädagogischem Curriculum! • Problematisch: räumliche Situation in NRW • Keine kurzzeitpädagogische Konzeption in NRW
3. Handlungsempfehlungen I Justizministerium: • Pädagogische Qualifikation der Mitarbeiter • Dokumentation und Abrufbarkeit von Daten • Größere Verbindlichkeit der studentischen Arrestprojekte Personal; Aus- und Fortbildung: • Notwendigkeit einer jugend- und heranwachsendenspezifischen pädagogischen Ausbildung • Speziell auf Arrest ausgerichtete Ausbildung • Vermittlung kurzzeitpädagogischer methodischer-didaktischer Kompetenzen • Jugendpädagogisch ausgebildete DozentInnen an der JVS • Jugendpädagogische Eignung der AnwärterInnen
3. Handlungsempfehlungen II Personal; Aus- und Fortbildung: • Verzahnung von Theorie & Praxis: Deeskalationsseminare (JVS) • Lehren der Inhalte und Konsequenzen des JStVollzG NRW • Formulierung eines Leitbildes der JVS: • Innerhalb der Anstalten: Doppelspitze von Jurist und Pädagoge Anstalten: • Wohngruppenvollzug (8-10 Arrest.); genügend Gruppenräume • Ausstattung der Räume; Farbkonzept • Einzelunterbringung bei Nacht • Außengelände für Sport und Freizeit • Rechtzeitige Nachbetreuung • Diagnostische Erfassung der Förderbedarfe
3. Handlungsempfehlungen III Inhaltliche Verortung des Jugendarrests: • Annäherung an die Jugendhilfe • Jugendarrest als Jugendbildungsstätte und Ort der Kurzzeitpädagogik • Chance: Neues Jugendarrestvollzugsgesetz; neue Zielsetzung • Arrest als Diagnose-, Bildungs- und Fördereinrichtung; beschränkte Wirkung akzeptieren! Kooperation, Vernetzung; Schnittstellenproblematik: • Vernetzung von Arrestanstalten, Schulen, Einrichtungen der Jugendhilfe und Jugendpsychiatrie in NRW • Einbezug weiterer Fördereinrichtungen: proaktives Arbeiten!
3. Handlungsempfehlungen IV Chancen: • Kein Strafmakel, kein langer Freiheitsentzug • ArrestantInnen sind greifbar! • ArrestantInnen sind verfügbar! Ausblick: Arrest in freien Formen?