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Mehrsprachigkeit: Neurologische Grundlagen und Konsequenzen für den Deutschunterricht

Mehrsprachigkeit: Neurologische Grundlagen und Konsequenzen für den Deutschunterricht. Prof. Dr. Claudia Maria Riehl (Universität zu Köln). Gliederung des Vortrags. Neurologische Grundlagen Neurologische Unterschiede bei Früh- und Spätmehrsprachigen Vernetzung von Sprachen im Gehirn

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Mehrsprachigkeit: Neurologische Grundlagen und Konsequenzen für den Deutschunterricht

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Presentation Transcript


  1. Mehrsprachigkeit:Neurologische Grundlagen und Konsequenzen für den Deutschunterricht Prof. Dr. Claudia Maria Riehl (Universität zu Köln)

  2. Gliederung des Vortrags • Neurologische Grundlagen • Neurologische Unterschiede bei Früh- und Spätmehrsprachigen • Vernetzung von Sprachen im Gehirn • Konsequenzen für den Fremdsprachenunterricht • Nutzen der Sprachen im Deutschunterricht Prof. Dr. Claudia Maria Riehl, Zentrum Sprachenvielfalt und Mehrsprachigkeit, Universität zu Köln

  3. Neurologische Grundlagen

  4. sylvian Fissur Broca- Area Wernicke- Area Lokalisierung von Sprache im Gehirn Die Neurologen Paul Pierre Broca (1824-1880) und Carl Wernicke (1848-1905) stellten einen Zusammen-hang zwischen Schädigungen bestimmer Hirnbereiche und Verlust bestimmter sprachlicher Fähigkeiten fest

  5. Neurolinguistische Verarbeitung • Sprachproduktion: Grundstruktur wird im Wernicke-Zentrum erzeugt und zur Encodierung ins Broca-Zentrum geschickt. Dann wird ein motorisches Programm an das benachbarte motorische Feld gesendet, das die Sprechwerkzeuge steuert. • Sprachverstehen: Die Signale kommen vom Ohr aus in der Hörrinde an. Sie werden dann ins benachbarte Wernickezentrum weitergeleitet und dort ausgewertet.

  6. Zusammensetzung des Kommunikations-systems morphosyntak-tisches Modul phonologisches Modul semantisches Modul Pragmatik metalinguis-tisches Wissen Affekt verbales Kommunikationssystem

  7. Typen von Wissensrepräsentationen Automatisierte Vorgänge (sog. implizites Wissen): • zufälliges Erlernen • implizit gespeichert (nicht zugänglich für Bewusstsein) • automatisch verwendet (ohne bewusste Kontrolle) Deklaratives Wissen (sog. explizites Wissen): • bewusstes Erlernen und Verwenden • kann verbalisiert werden • ist Fähigkeit höherer Lebewesen Morphosyntaktisches Wissen und phonologisches Wissen in der Erstsprache ist implizites Wissen, in der Zweitsprache in der Regel explizites Wissen

  8. Neurologische Unterschiede Früh- und Spätmehrsprachiger

  9. Repräsentation mehrerer Sprachen • Das Gehirn sieht keine eigenen Gebiete für die eine oder andere Sprache vor • Bei der Sprachproduktion erfordern diejenigen Sprachen, die man schlechter beherrscht, über das Gesamtgehirn gesehen mehr Gehirnaktivitäten

  10. Studie: Die Rolle des frühen und späten L2- Spracherwerbs und L3-Erwerb 44 Trilinguale Probanden • früher Erwerb L2 (1-5 Jahre) und später Erwerb von L3 (> 9) • später Erwerb von L2 und L3 (> 9) • Aufgabe: Textproduktion (mit innerer Stimme) • Beschreibung von Ereignissen im Tagesablauf • jeweilige Zeitpunkte werden in willkürlicher Reihenfolge vorgegeben • die Sprachen werden ebenfalls während der Sitzung gewechselt Franceschini, R. (2002), Das Gehirn als Kulturinskription. In: Müller-Lancé, J./ Riehl, C.M. (eds.), Ein Kopf – viele Sprachen. Aachen: Shaker 54ff.

  11. Gehirnaktivität eines Früh-Bilingualen

  12. Gehirnaktivität eines Spät-Bilingualen

  13. Resultate • In der Gruppe der früh mit zwei Sprachen Aufgewachsenen zeigen die beiden Sprachen im Sprachzentrum mehr überlappendes Substrat • Unterschiede zeigen sich auch bei der dritten Sprache: Spät-Mehrsprachige brauchen auch hier mehr neuronales Substrat als Früh-Mehrsprachige Früh-Bilinguale verfügen über ein Netzwerk im Broca-areal, das auch andere Sprachen integrieren kann

  14. Diskussion der Ergebnisse • Die Ergebnisse decken sich mit den verschiedenen Rollen der vorderen (Broca) und hinteren (Wernicke) Sprachareale • Hypothese: Die Repräsentation der Sprachen im Broca-Areal wird schon früh in der Kindheit festgelegt und später nicht mehr modifiziert. • Das hat zur Folge, dass eine später erlernte Sprache in benachbarten Bereichen gespeichert wird Prof. Dr. Claudia Maria Riehl, Zentrum Sprachenvielfalt und Mehrsprachigkeit, Universität zu Köln

  15. Grundsätzliche Vorteile Früh-Mehrsprachiger • Früh-Bilinguale sind besser beim Erlernen von Drittsprachen • Es sind im Gehirn Netzwerke vorhanden, mit Hilfe derer man die dritte Sprache "andocken" kann • Sie besitzen Fertigkeiten wie metasprachliches Wissen und pragmatische Strategien (Paraphrasieren, Codeswitching, Foreignizing) Prof. Dr. Claudia Maria Riehl, Zentrum Sprachenvielfalt und Mehrsprachigkeit, Universität zu Köln

  16. Vernetzung der Sprachen im Gehirn

  17. Psycholinguistische Beobachtungen • Unabhängig von ihrem Speicherort sind die verschiedenen Sprachen im Gehirn eng miteinander vernetzt • Wenn eine bestimmte Sprache aktiv ist, ist die andere nicht völlig ausgeblendet Prof. Dr. Claudia Maria Riehl, Zentrum Sprachenvielfalt und Mehrsprachigkeit, Universität zu Köln

  18. Beispiele aus dem Stroop-Test Wasser Baum grün violett zeleny red yellow grey white

  19. Aquarium engl germ

  20. Bedeutung der Verbindungen • Eine Verbindung wird umso besser, je häufiger sie benutzt wird sog. 'Bahnung': synaptische Impulse werden so ver-stärkt, dass schon ein geringeres Aktionspotenzial ausreicht, um eine Verbindung zu schalten Prof. Dr. Claudia Maria Riehl, Zentrum Sprachenvielfalt und Mehrsprachigkeit, Universität zu Köln

  21. Schnelle Verbindungen im mentalen Lexikon • Wörter, die häufig in einem Zusammenhang gebraucht werden (z.B. Kaffee, Tasse) • Wörter, die inhaltlich im Zusammenhang stehen (z.B. Antonympaare wie schwarz/weiß) • Morphologisch ähnliche Wörter einer Sprache und unterschiedlicher Sprachen, d.h. sog. cognates (z.B. sp. blanco > frz. blanc > it. bianco > dt. blank) • Häufig gebrauchte Übersetzungsäquivalente (z.B. City > Stadt, sujet > Thema) Prof. Dr. Claudia Maria Riehl, Zentrum Sprachenvielfalt und Mehrsprachigkeit, Universität zu Köln

  22. Konsequenzen für den Fremdsprachenunterricht: Intercomprehension

  23. Ausgangspunkt: Unterschiede im L2- und L3-Erwerb • Lerner, die neben ihrer L1 schon eine weitere Sprache können, beherrschen bestimmte Strategien, z.B.: • Paraphrasieren • Codeswitching • Foreignizing: Anpassung eines Wortes aus an vermeintliche Regeln der Zielsprache • Sie verfügen auch über das Potenzial der andere(n) Sprache(n), die Lexik und die Grammatik Prof. Dr. Claudia Maria Riehl, Zentrum Sprachenvielfalt und Mehrsprachigkeit, Universität zu Köln

  24. Einsatz im Unterricht: EuroCom • EuroCom steht für EuroComprehension • Ziel von EuroCom: rezeptive Lesekompetenz in verwandten Sprachen • EuroComRom für romanische Sprachen EuroComSlav für slavische Sprachen EuroComGerm für germanische Sprachen • EuroComGerm wurde entwickelt von Britta Hufeisen und Nicole Marx . www.eurocomgerm.de

  25. Erschließungsstrategien: Die 7 Siebe • EuroCom arbeitet mit den sog. sieben Sieben: transferbasierte Strategien zum optimierten Erschließen von Texten: • spontane Erschließung • reflektierte Erschließung Hufeisen, B./Marx, N. (eds.) (2007): EuroComGerm – Die sieben Siebe. Germanische Sprachen lesen und lernen. Aachen: Shaker

  26. Spontane Erschließung 1. Internationaler Wortschatz (etwa 5 000 Wörter) 2. Pangermanischer Wortschatz (v.a im Elementarwortschatz) 3. Lautentsprechungsformeln (alle wesentlichen Lautentsprechungsformeln, z.B. engl. apple, dt. Apfel) 4. Graphien und Aussprachen (systematische Übersicht: Logik der orthographischen Konventionen) Prof. Dr. Claudia Maria Riehl, Zentrum Sprachenvielfalt und Mehrsprachigkeit, Universität zu Köln

  27. Reflektierte Erschließung 5. Syntaktischer Transfer (verschiedene Kernsatztypen sind in allen germanischen Sprachen strukturell identisch, ebenso: Positionen von Artikel, Adjektiven, Verben, Konjunktionen etc.) 6. Morphosyntaktischer Transfer (gemeinsamer Nenner für grammatische Elemente, Pluralmarkierung, Steigerung etc.) 7. Präfix oder Suffix-Transfer (überschaubare Zahl griechischer und lateinischer Prä- und Suffixe, sowie indigene, Bsp. engl. –ship, dt. –schaft) Prof. Dr. Claudia Maria Riehl, Zentrum Sprachenvielfalt und Mehrsprachigkeit, Universität zu Köln

  28. Nutzen der Sprachen im Deutschunterricht

  29. Projekt Deutsch nach Englisch (Britta Hufeisen & Gerd Neuner) • Deutsch ist eine typische Tertiärsprache, da sie selten als L2 und oft als L3 oder L4 gelernt wird • Nähe der Sprachen ist relativ im Verhältnis zur jeweiligen L1 • Sprecher mit Französisch als L1 werden Deutsch näher am Englischen sehen • Sprecher mit Schwedisch näher an ihrer L1 Neuner, G./Hufeisen, B. (eds..) (2003): Deutsch im Kontext anderer Sprachen. Tertiärsprachendidaktik: Deutsch nach Englisch. Berlin et al.: Langenscheidt.

  30. Problem Deutsch-Englisch • Die linguistische Genese der germanischen Sprachen zeichnet sich durch sehr viel mehr Entwicklungsbrüche aus als bei romanischen und slavischen Sprachen • Problem des Deutschen: relativ ausgeprägtes Genus- und Kasussystem Prof. Dr. Claudia Maria Riehl, Zentrum Sprachenvielfalt und Mehrsprachigkeit, Universität zu Köln

  31. Die Sieben Siebe: Deutsch - Englisch • Sieb 1: Kontext • Sieb 2: Internationalismen und Pangermanismen • viele Entsprechungen in elementaren Bereichen: Verwandtschaft: Mutter, Vater, Bruder, Schwester • Essen: Milch, Brot, Butter, Käse • Körper: Arm, Hand, Fuß, Nase, Mund • Natur: Fisch, Kuh, Katze, Gras, Erde Prof. Dr. Claudia Maria Riehl, Zentrum Sprachenvielfalt und Mehrsprachigkeit, Universität zu Köln

  32. Sieb 3: Lautentsprechungen Basis: 2. Lautverschiebung: p, t, k > pf, z bzw. ss, k bzw. ch • engl. p im Anlaut = dt. pf: plum - Pflaume, pluck - pflücken • engl. k im Inlaut und Auslaut = dt. ch: make - machen, stork - Storch • engl. t = dt. ss oder z: water - Wasser, ten - zehn • engl. v = dt. b oder f: seven - sieben, five - fünf • engl. d = dt. t: drink - trinken, dance – tanzen • Vokalismus: • û > ou Pfund: pound, Hund: hound, Mund: mouth • Sieb 4: Schreibweisen • engl. c im Anlaut = dt. k: cold – kalt • engl. sh = dt. sch: ship – Schiff

  33. Weitere Gemeinsamkeiten (Sieb 4-7) (Beispiele aus Neuner & Hufeisen)

  34. Projekt EurocomGerm

  35. Nutzung anderer Sprachen • Beispiel: romanische und slavische Sprachen haben ein ausgeprägteres Flexionssystem und Genussystem • Das Vorhandensein kognitiver Kategorien ist wichtig für den Erwerb von Regeln Prof. Dr. Claudia Maria Riehl, Zentrum Sprachenvielfalt und Mehrsprachigkeit, Universität zu Köln

  36. RomanischeSprachen • romanische Sprachen haben • ein ausgeprägtes Flexionssystem der Verben: Bsp. it. amo, ami, ama – amiamo, amiate, amano • ein Genussystem: Bsp. it. la madre – il padre • synthetische Konjunktivformen: Bsp. it. paga – paghi Prof. Dr. Claudia Maria Riehl, Zentrum Sprachenvielfalt und Mehrsprachigkeit, Universität zu Köln

  37. Slavische Sprachen • Slawische Sprachen haben • ein ausgeprägtes Kasussystem: Bsp. russ. stol, stola, stoly, stol (stolom, stole) • ein dreigliedriges Genussytem: Bsp. russ. kniga (f.), stol (m.), okno (n.) • ein Futur mit werden • viele Gemeinsamkeiten in der Phraseologie Prof. Dr. Claudia Maria Riehl, Zentrum Sprachenvielfalt und Mehrsprachigkeit, Universität zu Köln

  38. Empfehlung • Es ist wichtig, die Schülerinnen und Schüler zu animieren, ihr Sprachpotential zu nutzen und die Vergleiche zu ziehen. • Damit werden Verknüpfungen gebahnt • Sprachvergleiche unterstützen das Lernen durch die Nutzung gemeinsamer Strukturen Prof. Dr. Claudia Maria Riehl, Zentrum Sprachenvielfalt und Mehrsprachigkeit, Universität zu Köln

  39. fine Kontakt: Prof. Dr. Claudia M. Riehl Zentrum Sprachenvielfalt und Mehrsprachigkeit (c/o IDSL I) Universität zu Köln Albertus-Magnus-Platz 50923 KÖLN Email: claudia.riehl@uni-koeln.de

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