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Medienrecht – Grundlagen des Persönlichkeitsschutzes

Medienrecht – Grundlagen des Persönlichkeitsschutzes . Prof. Dr. Georgios Gounalakis Sommersemester 2011. Inhalt - I. § 1 Grundlagen des Persönlichkeitsschutzes I. Ehre Fall 1: BVerfG, NJW 1980, 2069 ff. - „Kunstkritik“ 12 Fall 2: BVerfG, NJW 1983, 1415 ff. – „NPD von Europa“ 15

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Medienrecht – Grundlagen des Persönlichkeitsschutzes

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  1. Medienrecht – Grundlagen des Persönlichkeitsschutzes Prof. Dr. Georgios Gounalakis Sommersemester 2011

  2. Inhalt - I § 1 Grundlagen des Persönlichkeitsschutzes I. Ehre • Fall 1: BVerfG, NJW 1980, 2069 ff. - „Kunstkritik“ 12 • Fall 2: BVerfG, NJW 1983, 1415 ff. – „NPD von Europa“ 15 • Fall 3: BVerfG, NJW 1991, 95ff. – „Zwangsdemokrat“ 21 • Fall 4: BVerfG, NJW 1995, 3303 ff. – „Soldaten sind Mörder“ 26 II. Schutz vor Unterstellung nicht getaner Äußerungen • Fall 5: BVerfG, NJW 1980, 2070 ff. – „Eppler“ 31 III. Sozial-, Privat-, Intim- und Geheimsphäre • Fall 6: BGH NJW 1954, 1404 f. - „Leserbriefe“ 34 • Fall 7: BGH, NJW 1981, 1366 ff. – „Wallraff II“ 36 • Fall 8: BGH, NJW 1996, 1128 ff. – „Caroline von Monaco III (Paparazzi-Fotos)“ 41

  3. Inhalt - II • Fall 9: BVerfG, NJW 2000, 1021 ff. – „Caroline von Monaco IV (Paparazzi-Fotos)“ 45 • Fall 10: BVerfG, NJW 2000, 2191 – „Caroline von Monaco V (Fotos vom Sohn)“ 51 • Fall 11: BVerfG, NJW 2000, 2194 – „Fotos von Flick Tochter“ 53 • Fall 12: BGH, NJW 1999, 2893ff. – „Prinz Ernst August von Hannover I (Scheidungsgrund)“ 55 • Fall 13: BVerfG, NJW 2000, 2190 – „Prinz Ernst August von Hannover II (Scheidungsgrund)“ 59 • Fall 14: BVerfG NJW 2000, 2192f. – „Caroline von Monaco VI (Sturz im Strandbad)“ 62 • Fall 15: BGH, NJW 2004, 762ff. – “Luftaufnahmen von Feriendomizilen Prominenter“ 64

  4. Inhalt - III • Fall 16: EGMR, NJW 2004, 2647 ff. – „Caroline von Hannover“ 68 • Fall 17: BVerfG, NJW 2008, 1793ff. – “Caroline von Hannover” 73 • Fall 18: BGH, NJW 2007, 3440ff. – “Grönemeyer” 81 • Fall 19: BGH, NJW 2008, 3134 ff. – „Heide Simonis“ 85 • Fall 20: BVerfG, NJW 2008, 39 ff. – „Esra“ 88 IV. Negative Bekenntnisfreiheit • Fall 21: BVerfG, NJW 1997, 2669ff. – „Scientology-Spende“ 97 V. Resozialisierungschancen (Berichterstattung über Straftaten) • Fall 22: BVerfG, NJW 1973, 1226 ff. – „Lebach I“ 102 • Fall 23: BVerfG, NJW 1993, 1463ff . – „Kriminaldirektor“ 109 • Fall 24: BGH, NJW 2009, 757ff – „Karsten Speck“ 111

  5. Inhalt - IV VI. Recht am eigenen Namen • Fall 25: BGHZ 30, 7ff. – „Caterina Valente“ 114 VII. Recht am gesprochenen Wort • Fall 26: BVerfG, NJW 1973, 891 ff. – „Tonbandaufnahmen“ 119 • Fall 27: BAG, NJW 1998, 1331 ff. – „Souffleuse“ 123 VIII. Recht am eigenen Bild • Fall 28: BGHZ 24, 200 ff. – „Spätheimkehrer“ 128 • Fall 29: BGHZ 49, 288ff. – „Fußballbilder“ 135 • Fall 30: BGH NJW 1979, 2203ff. – „Beckenbauer“ 139 • Fall 31: BGH, NJW 1974, 1947 ff. – „Nacktbild“ 142

  6. Inhalt - V IX. Recht auf informationelle Selbstbestimmung • Fall 32: BVerfG, NJW 1984, 419ff. – „Volkszählung“ 148 • Fall 33: BGH, NJW 1991, 1532 ff. – „Notfalldienst“ 153 X. Postmortaler Persönlichkeitsschutz • Fall 34: BGH, NJW 2009, 2888ff. – „Spickmich“ 160 • Fall 35: BGHZ 50, 133 ff. -„Mephisto” 165 • Fall 36: BVerfG, NJW 1971, 1645 ff. – „Mephisto“ 169 • Fall 37: BGH, NJW 2000. 2201 f. – „Marlene Dietrich“ 174 XI. Persönlichkeitsschutz der juristischen Personen und Personenvereinigungen sowie Schutz des Unternehmens 1. Schutzfähigkeit a. Juristische Personen des Privatrechts • Fall 38: BGH, NJW 1986, 2951 f. – „BMW“ 180 • Fall 39: BVerfG, NJW 1994, 1784 f. – „Jahresabschluss“ 185

  7. Inhalt - VI b. Personengesellschaften • Fall 40: BGHZ 78, 24 ff. – „Medizin-Syndikat I“ 189 c. Juristische Personen des öffentlichen Rechts • Fall 41: BGH, NJW 1983, 1183 f. – „Vetternwirtschaft“ 194 • Fall 42: BGH, NJW 1984, 1607 ff. – „Bundesbahnplanungsvorhaben“ 199 2. Beeinträchtigungen a. Produktkritik • Fall 43: BGH, NJW 1966, 2010 ff. – „Teppichkehrmaschine“ 214 b. Warentests • Fall 44: BGHZ 65, 325 ff. – „Warentest II“ 219 • Fall 45: BGH, NJW 1987, 2222ff. – „Warentest IV“ 224

  8. Inhalt - VII § 2 Rechtsbehelfe gegen Massenmedien • Gegendarstellung 1. Natur des Gegendarstellungsrechts • Fall 46: BGH, NJW 1963, 1155 – „Geisterreigen“ 236 • Fall 47: BGHZ 62, 7ff. – „Einstweilige Verfügung“ 243 2. Verfassungsrechtliche Vorgaben • Fall 48: BVerfG, NJW 1983, 1179 ff. – „Tagesthemen – Türken in Bingen“ 248 • Fall 49: BVerfG, NJW 1998, 1381 ff. – „Gegendarstellung auf der Titelseite“ 253 II. Widerruf, Richtigstellung und Folgenbeseitigung 1. Grundlagen • Fall 50: BGH, NJW 1958, 1043ff. – „Attestformular“ 262 • Fall 51: BGH, NJW 1962, 1438f. – „Pädagogenlehrgang“ 271

  9. Inhalt - VIII • Fall 52: BVerfGE 28, 1ff. – „Strauß/Augstein“ 274 • Fall 53: BGH, NJW 2004, 1034f. – „Udo Jürgens: Im Bett mit Caroline?“ 276 • Fall 54: BGH, NJW 2008, 2262ff- „Richtigstellungsanspruch einer Behörde“ 278 2. Nachträglicher Wegfall berechtigter Interessen • Fall 55: BGHZ JZ 1960, 701ff. – „La Chatte“ 285 • Fall 56: BGHZ 57, 325ff. – „Freispruch“ 288 • Fall 57: BVerfG, NJW 1997, 2589 f. – „Verdachtsberichterstattung“ 297 III. Unterlassung • Fall 58: BGH, NJW 1976, 799ff. – „Alleinimporteur“ 300

  10. Inhalt - IX • Fall 59: BGH, NJW-RR 1994, 872f. – „Kosmetikstudio“ 302 IV. Schadensersatz • Fall 60: BGH NJW 1976, 1198ff. – “Panorama“ 305 • Fall 61: BGH NJW 1978, 210ff. – „Duro Alkohol“ 309 V. Geldersatz für immaterielle Beeinträchtigungen • Fall 62: BGH NJW 1958, 827ff. – „Herrenreiter“ 314 • Fall 63: BGHZ 35, 366ff. – „Ginseng“ 318 • Fall 64: BVerfG NJW 1973, 1221ff. – “Soraya“ 322 • Fall 65: BGH, NJW 1995, 861 ff. – „Caroline von Monaco I“ 326 • Fall 66: BGH, NJW 1996, 985 ff. – „Caroline von Monaco II – Fotos vom Sohn” 333

  11. Inhalt - X • Fall 67: BGH, NJW 2007, 689ff. – „Oskar Lafontaine“ 337 VI. Bereicherungsausgleich • Fall 68: BGH, NJW 1981, 2402f. – „Rennsportgemeinschaft“ 339

  12. § 1 Grundlagen des Persönlichkeitsschutzes - I. EhreFall 1: BVerfG, NJW 1980, 2069 ff. - „Kunstkritik“ Sachverhalt: • Der Kl. des Ausgangsverfahrens ist Bildhauer und Professor an einer Technischen Universität. Die Bf. sind Rundfunkjournalisten. Diese hatten in Rundfunkkommentaren über die sog. „Römergespräche“ scharf und teilweise herabsetzend einen der Redner angegriffen, der an der gegenwärtigen Kunstkritik und dem heutigen Ausstellungswesen harte Kritik geübt hatte. • Die Bf. legten Verfassungsbeschwerde gegen ihre Verurteilung zur Zahlung von Schmerzensgeld ein. Die Verfassungsbeschwerde ist begründet und führt zur Aufhebung und Zurückweisung an das OLG.

  13. § 1 Grundlagen des Persönlichkeitsschutzes - I. EhreFall 1: BVerfG, NJW 1980, 2069 ff. - „Kunstkritik“ Kernpunkte der Entscheidung: • Entscheidender Punkt ist das Recht auf Gegenschlag: Derjenige, der im öffentlichen Meinungskampf zu einem abwertenden Urteil Anlass gegeben hat und die Schärfe in der Auseinandersetzung bestimmt, muss eine scharfe Reaktion grundsätzlich auch dann hinnehmen, wenn sie sein Ansehen mindert. Er hat sich aus eigenem Entschluss den Bedingungen des Meinungskampfs unterworfen und sich durch dieses Verhalten eines Teils seiner schützenswerten Privatsphäre begeben. • Kurz: Wer selber hart kritisiert, muss seinerseits überspitzte Kritik hinnehmen; wer anderen seine Moralvorstellungen aufdrängt, muss sich an seinen eigenen Wertmaßstäben messen lassen.

  14. § 1 Grundlagen des Persönlichkeitsschutzes - I. EhreFall 1: BVerfG, NJW 1980, 2069 ff. - „Kunstkritik“ • Auch diese Form der Meinungsäußerung wird von Art. 5 I GG geschützt. Für die Zulässigkeit der Spontaneität freier Rede spricht eine Vermutung. Die Befürchtung, wegen einer wertenden Äußerung einschneidenden gerichtlichen Sanktionen ausgesetzt zu werden, trägt die Gefahr in sich, Kraft und der Vielfalt der öffentlichen Diskussion als Grundbedingung eines freiheitlichen Gemeinwesens zu lähmen oder einzuengen und damit Wirkungen herbeizuführen, die der Funktion der Freiheit der Meinungsäußerung in der durch das Grundgesetz konstituierten Ordnung zuwiderlaufen.

  15. § 1 Grundlagen des Persönlichkeitsschutzes - I. EhreFall 2: BVerfG, NJW 1983, 1415 ff. – „NPD von Europa“ Sachverhalt: • Der Bf. kandidierte für das Europäische Parlament auf der Bundesliste der SPD. Auf Wahlveranstaltungen äußerte er unter anderem, die CSU sei „die NPD von Europa“. Die CSU erwirkte gegen den Bf. eine einstweilige Verfügung, durch die ihm untersagt wurde, die nach ihrer Ansicht unwahre und zudem herabsetzende Behauptung die CSU sei die NPD Europas weiter zu äußern. 3 • Die Berufung des Bf. blieb erfolglos. Die Verfassungsbeschwerde führte zur Aufhebung des Urteils.

  16. § 1 Grundlagen des Persönlichkeitsschutzes - I. EhreFall 2: BVerfG, NJW 1983, 1415 ff. – „NPD von Europa“ Kernpunkte der Entscheidung: • Das BVerfG legt eingehend den Unterschied von Tatsachenbehauptung und Meinung und den Konsequenzen dar. • Hinsichtlich Meinungen gilt: Werturteile, die immer eine geistige Wirkung erzielen, nämlich andere überzeugen wollen, sind vom Grundrecht des Art. 5 I 1 GG geschützt. Unerheblich ist, ob seine Äußerung „wertvoll“ oder „wertlos“, „richtig“ oder „falsch“, emotional oder rational begründet ist. Handelt es sich im Einzelfall um einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage, dann spricht die Vermutung für die Zulässigkeit der freien Rede. Auch scharfe und übersteigerte Äußerungen fallen, namentlich im öffentlichen Meinungskampf, grundsätzlich in den Schutzbereich des Art. 5 I 1 GG. • Im Hinblick auf Tatsachenbehauptungen ist festzuhalten: • Unrichtige Information ist unter dem Blickwinkel der Meinungsfreiheit kein schützenswertes Gut. Die bewusste Behauptung unwahrer Tatsachen ist durch Art. 5 I GG nicht mehr geschützt.

  17. § 1 Grundlagen des Persönlichkeitsschutzes - I. EhreFall 2: BVerfG, NJW 1983, 1415 ff. – „NPD von Europa“ • Im übrigen bedarf es der Differenzierung, wobei es namentlich darum geht, die Anforderungen an die Wahrheitspflicht nicht so zu bemessen, dass darunter die Funktion der Meinungsfreiheit leiden kann. • Der Satz, die Vermutung spreche für die Zulässigkeit der freien Rede, gilt infolgedessen für Tatsachenbehauptungen nur eingeschränkt; soweit unrichtige Tatsachenbehauptungen nicht schon von vornherein außerhalb des Schutzbereichs des Art. 5 I 1 GG verbleiben, sind sie Einschränkungen aufgrund von allgemeinen Gesetzen leichter zugänglich als das Äußern einer Meinung. • Konstitutiv für die Bestimmung dessen, was als Äußerung einer „Meinung“ vom Schutz des Grundrechts umfasst wird, ist das Element der Stellungnahme, des Dafürhaltens, des Meinens im Rahmen einer geistigen Auseinandersetzung; auf den Wert, die Richtigkeit, die Vernünftigkeit der Äußerung kommt es nicht an.

  18. § 1 Grundlagen des Persönlichkeitsschutzes - I. EhreFall 2: BVerfG, NJW 1983, 1415 ff. – „NPD von Europa“ • Die Mitteilung einer Tatsache ist im strengen Sinne keine Äußerung einer „Meinung“, weil ihr jenes Element fehlt. Durch das Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit geschützt ist sie, weil und soweit sie Voraussetzung der Bildung von Meinungen ist, welche Art. 5 I GG in seiner Gesamtheit gewährleistet. Was dagegen nicht zur verfassungsmäßig vorausgesetzten Meinungsbildung beitragen kann, ist nicht geschützt, insbesondere die erwiesen oder bewusst unwahre Tatsachenbehauptung. Im Gegensatz zur eigentlichen Äußerung einer Meinung kann es also für den verfassungsrechtlichen Schutz einer Tatsachenmitteilung auf die Richtigkeit der Mitteilung ankommen. • Sobald eine Interpretation einer Äußerung versucht wird – etwa angesichts ihrer Substanzarmut und / oder weil die Äußerung als Tatsache verstanden evident falsch ist und erkennbar niemand sich derart absurd äußert –, steht eine Meinung in Rede.

  19. § 1 Grundlagen des Persönlichkeitsschutzes - I. EhreFall 2: BVerfG, NJW 1983, 1415 ff. – „NPD von Europa“ • Das BVerfG greift die im Lüth-Urteil entwickelte Vermutung für die Zulässigkeit der freien Rede auf: Handelt es sich um einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage durch einen dazu Legitimierten, spricht die Vermutung für die Zulässigkeit der freien Rede, weil sonst die Meinungsfreiheit, die Voraussetzung eines freien und offenen politischen Prozesses ist, in ihrem Kern betroffen wäre. • Neu ist der Bezug auf den Wahlkampf und Art. 21 I 1 GG, wonach die Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes mitwirken: Art. 21 I 1 GG verstärkt die Vermutung für die Zulässigkeit freier Rede mit der Folge, dass gegen das Äußern einer Meinung nur in äußersten Fällen eingeschritten werden darf.

  20. § 1 Grundlagen des Persönlichkeitsschutzes - I. EhreFall 2: BVerfG, NJW 1983, 1415 ff. – „NPD von Europa“ • Überdies verweist das BVerfG auf das bereits im „Kunstkritik“-Urteil darlegte Recht auf Gegenschlag. Das Recht auf Gegenschlag gilt erst recht bei Parteien: Dieser im Blick auf natürliche Personen entwickelte Grundsatz muss für politische Parteien um so mehr gelten, als deren Existenz und Wirken, anders als bei einem Privatmann oder auch einem Politiker, von vornherein und ausschließlich dem politischen Leben zuzuordnen sind. Die CSU muss als politische Partei auch scharfe, von einer demokratischen Partei mit Recht als herabsetzend empfundene, im politischen Tageskampf allerdings nicht ungewöhnliche Polemik hinnehmen, zumal sie die Möglichkeit hatte, sich politisch zu wehren.

  21. § 1 Grundlagen des Persönlichkeitsschutzes - I. EhreFall 3: BVerfG, NJW 1991, 95ff. – „Zwangsdemokrat“ Sachverhalt: • In der Verfassungsbeschwerde geht es um die Verwendung des Begriffs „Zwangsdemokrat“, den der Bf. zu 2 in seinem 1987 erschienen Buch „Die zweite Schuld oder Von der Last Deutscher zu sein“ auf den verstorbenen bayrischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß bezog. In dem Buch wurde unter anderem ausgeführt, in der BRD bestehe eine große Sehnsucht nach einem „starken Mann“. Zur Symbolfigur dieser Sehnsucht sei der CSU-Politiker geworden. In der Wochenzeitschrift Stern äußerte sich der Bf. zu 2 zu dem Begriff „Zwangsdemokrat“ wie folgt: „Das sind für mich jene Leute, die sich nur unter Zwang oder aus opportunistischen Gründen zur Demokratie bekehren ließen und diese Staatsform allenfalls formal handhaben. Für mich ist Franz Josef Strauß die Personifizierung dieses Typs.“ In der Interview führte er weiter aus: „...die verbliebene Sehnsucht nach dem starken Mann, sozusagen der bundesdeutsche Verschnitt des nationalsozialistischen Führerkults, hat sich nicht erfüllt; dennoch halte ich den Typus des Zwangsdemokraten für sehr gefährlich. Nicht, dass er die Demokratie überwältigen könnte, aber er kann sie sehr wohl beschädigen.“

  22. § 1 Grundlagen des Persönlichkeitsschutzes - I. EhreFall 3: BVerfG, NJW 1991, 95ff. – „Zwangsdemokrat“ • Das BVerfG hob die vorinstanzlichen Urteile auf, welche die Äußerungen des Bf. zu 2 als Schmähung des Politikers Strauß angesehen hatten. • Innerhalb einer Debatte um die Warnung, die demokratische Ordnung vorschnell für gesichert zu halten und die Gefahren, die ihr drohen, zu unterschätzen, müsse sich eben auch ein demokratischer Politiker die in der Bezeichnung als „Zwangsdemokrat“ enthaltene Unterstellung gefallen lassen.

  23. § 1 Grundlagen des Persönlichkeitsschutzes - I. EhreFall 3: BVerfG, NJW 1991, 95ff. – „Zwangsdemokrat“ Kernpunkte der Entscheidung: • Die Bezeichnung eines Politikers, der beansprucht, Demokrat zu sein, als „Zwangsdemokrat“ und erst recht die Behauptung, er hätte den nationalsozialistischen Führerkult fortgesetzt, wenn er gekonnt hätte, ist herabsetzend. • Die Deutung des OLG München, Strauß werde als „der bundesdeutsche Verschnitt des nationalsozialistischen Führerkults“ bezeichnet, womit er zugleich in die Nähe des Nationalsozialismus gerückt werde und sich die Unterstellung gefallen lassen müsse, er hätte den Führerkult fortgesetzt, wenn dies möglich gewesen wäre, ist aber nicht die einzig mögliche Deutung. • Nach Ansicht des BVerfGE wurden demnach Deutungsmöglichkeiten verkannt. Möglich und nahe liegend ist nämlich die Deutung, dass nicht Strauß als Subjekt einen Führerkult anstrebt, sondern dass er „nur“ das Objekt der „Sehnsucht nach dem starken Mann“ bzw. des Führerkults von Teilen der Bevölkerung ist.

  24. § 1 Grundlagen des Persönlichkeitsschutzes - I. EhreFall 3: BVerfG, NJW 1991, 95ff. – „Zwangsdemokrat“ • Die Bezeichnung als „Zwangsdemokrat“ ist auch keine Schmähung bzw. Schmähkritik: • Eine Meinungsäußerung wird nicht schon wegen ihrer herabsetzenden Wirkung für Dritte zur Schmähung. Auch eine überzogene und selbst eine ausfällige Kritik macht für sich genommen eine Äußerung noch nicht zur Schmähung. Eine herabsetzende Äußerung nimmt vielmehr erst dann den Charakter der Schmähung an, wenn in ihr nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht. Sie muss jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik in der Herabsetzung der Person bestehen.

  25. § 1 Grundlagen des Persönlichkeitsschutzes - I. EhreFall 3: BVerfG, NJW 1991, 95ff. – „Zwangsdemokrat“ • Bei der untersagten Äußerung über „Zwangsdemokraten“ ging es dem Bf. zu 2 primär darum, auf die Gefährdung der demokratischen Ordnung durch Personen hinzuweisen, die diese Staatsform nur äußerlich anerkennen, innerlich aber ablehnen. Da sie sich nur unter dem Zwang der Verhältnisse demokratisch gäben, könnten bei einer Änderung der Verhältnisse schnell ihre undemokratischen Neigungen wirksam werden. Erst im Zusammenhang damit nannte der Bf. zu 2 Strauß als Beispiel für den Typus des „Zwangsdemokraten“. • Im Vordergrund blieb die Sachaussage, und nur zur Erläuterung, wer dem geschilderten Typus entspreche, kam Strauß ins Spiel. Im Rahmen einer Auseinandersetzung um die Sache muss sich aber auch ein demokratischer Politiker den in der Bezeichnung „Zwangsdemokrat“ enthaltenen Vorwurf gefallen lassen.

  26. § 1 Grundlagen des Persönlichkeitsschutzes - I. EhreFall 4: BVerfG, NJW 1995, 3303 ff. – „Soldaten sind Mörder“ Sachverhalt: • Das BVerfG hatte einzelne Verfassungsbeschwerden, die strafgerichtliche Verurteilungen wegen Beleidigung der Bundeswehr und einzelner Soldaten durch Äußerungen auf einem Transparent, Flugplatt, Leserbrief,...wie „Soldaten sind Mörder oder „Soldaten sind potentielle Mörder“ betreffen, zur gemeinsamen Entscheidung verbunden. • Das BVerfG kam zu dem Schluss, die Strafgerichte hätten die Meinungsäußerungsfreiheit nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt.

  27. § 1 Grundlagen des Persönlichkeitsschutzes - I. EhreFall 4: BVerfG, NJW 1995, 3303 ff. – „Soldaten sind Mörder“ Kernpunkte der Entscheidung: • Ein Kollektiv ist als solches beleidigungsfähig i.S.d. § 185 StGB, vgl. § 194 III, IV StGB. Erforderlich ist aber, dass das Kollektiv einer anerkannte gesellschaftliche oder wirtschaftliche Funktion erfüllt und in der Lage ist, einen einheitlichen Willen zu bilden. • Je größer das Kollektiv ist, desto schwächer kann auch die persönliche Betroffenheit des einzelnen Mitglieds werden, weil es bei den Vorwürfen an große Kollektive meist nicht um das individuelle Fehlverhalten oder individuelle Merkmale der Mitglieder, sondern um den aus der Sicht des Sprechers bestehenden Unwert des Kollektivs und seiner sozialen Funktion sowie der damit verbundenen Verhaltensanforderungen an die Mitglieder geht.

  28. § 1 Grundlagen des Persönlichkeitsschutzes - I. EhreFall 4: BVerfG, NJW 1995, 3303 ff. – „Soldaten sind Mörder“ • Diese Erwägungen treffen auch auf herabsetzende Äußerungen über Soldaten zu, sofern sie sich auf alle Soldaten der Welt beziehen. • Auszulegen ist eine Äußerung nach dem „objektiven Empfängerhorizont“. Ziel der Deutung ist die Ermittlung des objektiven Sinns einer Äußerung. Maßgeblich ist daher weder die subjektive Absicht des sich Äußernden noch das subjektive Verständnis der von der Äußerung Betroffenen, sondern der Sinn, den sie nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums hat. Dabei ist stets vom Wortlaut der Äußerung auszugehen. Dieser legt ihren Sinn aber nicht abschließend fest. Er wird vielmehr auch von dem sprachlichen Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht, und den Begleitumständen, unter denen sie fällt, bestimmt, soweit diese für die Rezipienten erkennbar waren. Die isolierte Betrachtung eines umstrittenen Äußerungsteils wird daher den Anforderungen an eine zuverlässige Sinnermittlung regelmäßig nicht gerecht.

  29. § 1 Grundlagen des Persönlichkeitsschutzes - I. EhreFall 4: BVerfG, NJW 1995, 3303 ff. – „Soldaten sind Mörder“ • Ein Verstoß gegen die Meinungsfreiheit liegt vor, wenn ein Gericht bei mehrdeutigen Äußerungen die zur Verurteilung führende Bedeutung zugrundelegt, ohne vorher die anderen möglichen Deutungen mit schlüssigen Gründen ausgeschlossen zu haben. Dabei braucht das Gericht freilich nicht auf entfernte, weder durch den Wortlaut noch die Umstände der Äußerung gestützte Alternativen einzugehen oder gar abstrakte Deutungsmöglichkeiten zu entwickeln, die in den konkreten Umständen keinerlei Anhaltspunkte finden. Lassen Formulierung oder Umstände jedoch eine nicht ehrenrührige Deutung zu, so verstößt ein Strafurteil, das diese übergangen hat, gegen Art. 5 I 1 GG. • Die Bezeichnung eines Soldaten als Mörder stellt an sich einen schwerwiegenden Angriff auf dessen Ehre an.

  30. § 1 Grundlagen des Persönlichkeitsschutzes - I. EhreFall 4: BVerfG, NJW 1995, 3303 ff. – „Soldaten sind Mörder“ • Diese Deutung ist nicht zwingend. Die alternativen Deutungen hat das Gericht nicht gesehen. In den vorliegenden Fällen bestanden Alternativen zu der von den Gerichten angenommenen Deutung, die Soldaten der Bundeswehr würden Mördern im strafrechtlichen oder im umgangssprachlichen Sinn gleichgestellt; damit werde zum Ausdruck gebracht, sie seien zu besonders niederträchtigem Verhalten gegenüber anderen Menschen willens und fähig.

  31. § 1 Grundlagen des Persönlichkeitsschutzes - II. Schutz vor Unterstellung nicht getaner ÄußeungenFall 5: BVerfG, NJW 1980, 2070 ff. – „Eppler“ Sachverhalt: • Im Landtagswahlkampf 1976 warf der Landesverband Baden-Württemberg der CDU dem Vorsitzenden des Landesverbandes Baden-Württemberg der SPD Eppler (Bf.) vor, er habe formuliert, die „Belastbarkeit der Wirtschaft“ müsse geprüft werden. Der Bf. sah sich hierdurch in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt und erhob Unterlassungsklage. Diese wurde von den Zivilgerichten abgewiesen, da es sich nicht feststellen ließ, ob die Äußerung tatsächlich so gefallen war und auch kein unrichtiges Bild des Bf. übermittelt wurde. Die Verfassungsbeschwerde wurde ebenfalls zurückgewiesen.

  32. § 1 Grundlagen des Persönlichkeitsschutzes - II. Schutz vor Unterstellung nicht getaner ÄußeungenFall 5: BVerfG, NJW 1980, 2070 ff. – „Eppler“ Kernpunkte der Entscheidung: • Das APR schützt auch dagegen, dass jemandem Äußerungen in den Mund gelegt werden, die er nicht getan hat und die seinen von ihm selbst definierten sozialen Geltungsanspruch beeinträchtigen: • Es geht hier nicht um Ehrenschutz. Aber auch gegen das Unterschieben nicht getaner Äußerungen kann indessen das APR schützen. • Dies ist der Fall, wenn zugleich ein anerkanntes Schutzgut des Persönlichkeitsrechts, etwa die Privatsphäre, verletzt wird, wie bei der Verbreitung eines erfundenen Interviews, welches das Privatleben des Verletzten betrifft (Soraya).

  33. § 1 Grundlagen des Persönlichkeitsschutzes - II. Schutz vor Unterstellung nicht getaner ÄußeungenFall 5: BVerfG, NJW 1980, 2070 ff. – „Eppler“ • Sofern ein solches Schutzgut nicht beeinträchtigt ist, bedeutet es gleichfalls einen Eingriff in das APR, wenn jemandem Äußerungen in den Mund gelegt werden, die er nicht getan hat und die seinen von ihm selbst definierten sozialen Geltungsanspruch beeinträchtigen. Dies folgt aus dem dem Schutz des APR zugrunde liegenden Gedanken der Selbstbestimmung: Der einzelne soll - ohne Beschränkung auf seine Privatsphäre - grundsätzlich selbst entscheiden können, wie er sich Dritten oder der Öffentlichkeit gegenüber darstellen will, ob und inwieweit von Dritten über seine Persönlichkeit verfügt werden kann; dazu gehört im besonderen auch die Entscheidung, ob und wie er mit einer eigenen Äußerung hervortreten will.

  34. § 1 Grundlagen des Persönlichkeitsschutzes - III. Sozial-, Privat-, Geheim- und IntimsphäreFall 6: BGH NJW 1954, 1404 f. - „Leserbriefe“ Sachverhalt: • Der klagende Rechtsanwalt sandte im Auftrag eines Mandanten (Dr. S.) ein Schreiben an die Beklagte, die zuvor in ihrer Wochenzeitung einen Bericht über Dr. S. veröffentlicht hatte. In diesem Schreiben forderte er die Aufnahme einer Berichtigung des vorher erschienenen Artikels in der Zeitung der Beklagten. In diesem Schreiben waren auch Auszüge des Nürnberger Urteils, das gegen Dr. S. ergangen war, enthalten. Die Beklagte antwortete dem Kläger nicht, sondern veröffentlichte sein Schreiben unter der Rubrik „Leserbriefe“, ohne die besagten Auszüge mit abzudrucken. • Der Kläger erblickt in der Art der Veröffentlichung seiner Aufforderung eine Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte und beantragt, die Beklagte zu verurteilen, in der Rubrik „Leserbriefe“ einen Widerruf der Behauptung, bei dem Schreiben des Klägers handele es sich um einen Leserbrief, zu widerrufen. Das LG gab der Klage statt, das OLG die Klage abgewiesen. Auf die Revision des Klägers stellte der BGH das erstinstanzliche Urteil wieder her.

  35. § 1 Grundlagen des Persönlichkeitsschutzes - III. Sozial-, Privat-, Geheim- und IntimsphäreFall 6: BGH NJW 1954, 1404 f. - „Leserbriefe“ Kernpunkte der Entscheidung: • Eigene Aufzeichnungen können auch über den urheberrechtlichen Persönlichkeitsschutz hinaus geschützt sein. • Aufgrund der grundgesetzlichen Achtung der Menschenwürde gem. Art. 1 GG und des Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit gem. Art. 2 GG muss das allgemeine Persönlichkeitsrecht als ein verfassungsmäßig gewährleistetes Grundrecht angesehen werden. • Jede sprachliche Festlegung eines bestimmten Gedankeninhalts ist Ausfluss der Persönlichkeit des Verfassers. Ihm allein gebührt grundsätzlich die Entscheidung, ob und in welcher Form seine Aufzeichnungen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. • Die veränderte Wiedergabe ist geeignet, ein falsches Persönlichkeitsbild des Verfassers entstehen zu lassen. Die ungenehmigte Veröffentlichung privater Aufzeichnungen stellt in der Regel einen unzulässigen Eingriff in die Geheimsphäre dar.

  36. § 1 Grundlagen des Persönlichkeitsschutzes - III. Sozial-, Privat-, Geheim- und IntimsphäreFall 7: BGH, NJW 1981, 1366 ff. – „Wallraff II“ Sachverhalt: • Der Zweitbekl. ist Verfasser des bei der Erstbekl. verlegten Buchs „Der Aufmacher. Der Mann, der bei `Bild` Hans Esser war“. Der Autor berichtete in dem Buch über seine Erlebnisse als Mitarbeiter der Redaktion der „Bild“-Zeitung Hannover, in der er sich zu diesem Zeitpunkt unter Verschweigen seiner Absicht unter dem Decknamen „Hans Esser“ als Journalist durch den Kl., der damalige Leiter der Redaktion, hat anstellen lassen. • Der Kl. wehrt sich gegen zahlreiche Textstellen des Buchs, die über ihn unter dem Pseudonym S Aussagen enthalten, durch die er sich in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt sieht. Der Kl. hat beantragt, den Bekl. zu verbieten, zu behaupten, zu verbreiten und/oder behaupten und verbreiten zu lassen, insbesondere das beanstandete Buch anzubieten, auszuliefern, und/oder anbieten und ausliefern zu lassen, solange die darin enthaltenen beanstandeten Behauptungen enthalten sind.

  37. § 1 Grundlagen des Persönlichkeitsschutzes - III. Sozial-, Privat-, Geheim- und IntimsphäreFall 7: BGH, NJW 1981, 1366 ff. – „Wallraff II“ • LG und OLG gaben der Klage statt. Die Revision der Bekl. hatte hinsichtlich der Verurteilung nach dem Klageantrag zu 2 (Schilderung des Besuchs der Privatwohnung) keinen Erfolg. Im übrigen führte sie zur Aufhebung und Zurückweisung.

  38. § 1 Grundlagen des Persönlichkeitsschutzes - III. Sozial-, Privat-, Geheim- und IntimsphäreFall 7: BGH, NJW 1981, 1366 ff. – „Wallraff II“ Kernpunkte der Entscheidung: • Der Kl. hat einen Unterlassungsanspruch nur insoweit, als der Besuch “Hans Essers” in seiner Privatwohnung geschildert wird. Dagegen können die Ausführungen über die Arbeit des Wallraffs in der Redaktion nicht untersagt werden, solange von ihrer Richtigkeit auszugehen ist. • Stärker als z. B. im beruflichen Bereich kann er für Lebensäußerungen „in den eigenen vier Wänden“ Rücksichtnahme auf sein Bedürfnis nach einem Freiraum erwarten, in dem er sich, ohne der Teilnahme und Kritik der Öffentlichkeit ausgesetzt zu sein, entfalten kann. • Trotz der besonderen Belastung, der die Persönlichkeit durch solchen kritischen Beitrag ausgesetzt ist, kann unter Umständen ein schutzwürdiges Interesse der Öffentlichkeit, auch über private Lebensvorgänge unterrichtet zu werden, anzuerkennen sein, wenn diese an den Wirkungen des Betroffenen in der Öffentlichkeit in besonderer Weise teilhaben.

  39. § 1 Grundlagen des Persönlichkeitsschutzes - III. Sozial-, Privat-, Geheim- und IntimsphäreFall 7: BGH, NJW 1981, 1366 ff. – „Wallraff II“ • Zwar ist der einzelne auch in seiner beruflichen Arbeit auf einen Mindestbestand an Schutz vor der Öffentlichkeit angewiesen, ohne den er seine Persönlichkeit auch in diesem Bereich nicht entfalten könnte. Das kann ihm aber nicht zu einem der öffentlichen Kritik nicht zugänglichen kontrollfreien Raum verhelfen; vor allem nicht hier, wo unmittelbar Gegenstand seiner Tätigkeit gerade die Einflussnahme auf die Öffentlichkeit ist. • Ihm kann die Möglichkeit, seine Kritik auf diese Weise durch konkrete Vorgänge zu belegen, keinesfalls genommen werden; darauf ist jede Kritik angewiesen, wenn sie ihre Aufgabe zur Meinungsbildung erfüllen soll. Insoweit ist die Persönlichkeit in aller Regel ausreichend durch die Verpflichtung des Kritikers zur wahrheitsgemäßen, in der Sache adäquaten Darstellung geschützt.

  40. § 1 Grundlagen des Persönlichkeitsschutzes - III. Sozial-, Privat-, Geheim- und IntimsphäreFall 7: BGH, NJW 1981, 1366 ff. – „Wallraff II“ • Dieser Schutz mag dann allerdings nicht ausreichen, wenn der Kritiker die Einzelpersönlichkeit dazu einsetzt, um durch sie ein „System“, z. B. das des Boulevard-Journalismus, zu „personifizieren“. • Die Informationsbeschaffung und die Verwertung der rechtswidrig beschafften Informationen ist zu trennen. Die Verwertung der rechtswidrig erlangter Informationen ist grundsätzlich rechtswidrig, es sei denn, es besteht ein überragendes öffentliches Informationsinteresse.

  41. § 1 Grundlagen des Persönlichkeitsschutzes - III. Sozial-, Privat-, Geheim- und IntimsphäreFall 8: BGH, NJW 1996, 1128 ff. – „Caroline von Monaco III (Paparazzi-Fotos)“ Sachverhalt: • Caroline von Monaco (Kl.) beanstandet die Veröffentlichung von Fotos, welche die Bekl. als Verlegerin der Zeitschriften „F“ und „B“ in Deutschland und Frankreich vertrieben hat. • In der „F“ ließ die Bekl. fünf Paparazzi-Fotos abdrucken, die jeweils die Kl. mit dem Schauspieler Vincent Lindon in einem französischen Gartenlokal zeigen. Das Foto auf der Titelseite enthält die Artikelankündigung „Die zärtlichsten Fotos ihrer Romanze mit Vincent“. In der Fotoserie sind weitere 4 Bilder abgedruckt. • In der Zeitschrift „B“ wurde durch die Bekl. ein Foto veröffentlicht, das die Kl. auf einem Pferd reitend zeigt, sowie ein Foto der Kl. zusammen mit ihren Kindern P und A.

  42. § 1 Grundlagen des Persönlichkeitsschutzes - III. Sozial-, Privat-, Geheim- und IntimsphäreFall 8: BGH, NJW 1996, 1128 ff. – „Caroline von Monaco III (Paparazzi-Fotos)“ • In „B“ veröffentlichte die Bekl. mehrere Fotos, welche die Kl. zusammen mit ihrer Tochter in einem Paddelboot, allein beim Spaziergang sowie beim Radfahren zusammen mit Vincent Lindon im Gasthaus, mit Lindon und ihrem Sohn P und schließlich mit einer Frau auf dem Markt zeigen. Die Kl. sieht sich durch die Veröffentlichung der Fotografien in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt und nimmt die Bekl. daher auf Unterlassung weiterer Veröffentlichungen in Anspruch. Sie müsse sich auch als Person der Zeitgeschichte nicht jede Fotoveröffentlichung gefallen lassen. Die Abbildungen hätten allesamt Vorgänge aus ihrem Privatleben zum Gegenstand und seien zudem ohne ihre Kenntnis aus größter Entfernung aufgenommen worden. Auch für sie müsse es einen geschützten Privatbereich außerhalb ihres Hauses geben. • Die zugelassene Revision der Kl. hatte teilweise Erfolg.

  43. § 1 Grundlagen des Persönlichkeitsschutzes - III. Sozial-, Privat-, Geheim- und IntimsphäreFall 8: BGH, NJW 1996, 1128 ff. – „Caroline von Monaco III (Paparazzi-Fotos)“ Kernpunkte der Entscheidung: • Auch absolute Personen der Zeitgeschichte (§ 23 I Nr. 1 KUG) brauchen es grundsätzlich nicht zu dulden, dass von ihnen im Kernbereich der Privatsphäre (etwa im häuslichen Bereich) ohne ihre Einwilligung Bildaufnahmen zum Zwecke der Veröffentlichung angefertigt werden. Nur ausnahmsweise kann bei ihnen die Verbreitung von Bildnissen aus diesem Bereich statthaft sein, wenn überwiegende öffentliche Interessen einen solchen Eingriff rechtfertigen. • Der Schutz der Privatsphäre ist nicht auf den eigenen häuslichen Bereich beschränkt. • Außerhalb des eigenen Hauses kann eine schützenswerte Privatsphäre gegeben sein, wenn sich jemand in eine örtliche Abgeschiedenheit zurückgezogen hat, in der er objektiv erkennbar für sich allein sein will und in der er sich in der konkreten Situation im Vertrauen auf die Abgeschiedenheit so verhält, wie er es in der breiten Öffentlichkeit nicht tun würde (nur dann haftet der Situation der erforderliche typisch private Charakter an).

  44. § 1 Grundlagen des Persönlichkeitsschutzes - III. Sozial-, Privat-, Geheim- und IntimsphäreFall 8: BGH, NJW 1996, 1128 ff. – „Caroline von Monaco III (Paparazzi-Fotos)“ • In diesen Schutzbereich greift in unzulässiger Weise ein, wer Bilder veröffentlicht, die von dem Betroffenen in dieser Situation heimlich oder unter Ausnutzung einer Überrumpelung aufgenommen worden sind. • Diese Eingrenzung rechtfertigt sich aus der Erwägung, dass der Schutz der Privatsphäre an einer Örtlichkeit in Anspruch genommen wird, deren Zutritt an sich jedermann offen steht und der Betreffende daher nur durch die Heimlichkeit und Überrumpelung in unzulässiger Weise in seiner Privatheit getroffen werden kann. • Im übrigen müssen absolute Personen der Zeitgeschichte die Veröffentlichung von Bildaufnahmen von sich hinnehmen, auch wenn diese sie nicht bei der Wahrnehmung einer öffentlichen Funktion zeigen, sondern ihr Privatleben i.w.S. betreffen.

  45. § 1 Grundlagen des Persönlichkeitsschutzes - III. Sozial-, Privat-, Geheim- und IntimsphäreFall 9: BVerfG, NJW 2000, 1021 ff. – „Caroline von Monaco IV (Paparazzi-Fotos)“ Sachverhalt: • Die Burda GmbH als Bekl. des Ausgangsverfahrens verlegt die Zeitschriften „Freizeit Revue“ und „Bunte“. Im Rahmen unterschiedlicher Textbeiträge wurden in diesen Zeitschriften Fotos veröffentlicht, auf denen die Prinzessin Caroline von Monaco (Bf.) abgebildet ist. • Diese erhob Klage auf Unterlassung der Veröffentlichung.Beanstandet wurden zunächst fünf Fotos, die in der „Freizeit Revue“ abgedruckt waren. • Auf ihnen ist die Bf. mit dem Schauspieler Vincent Lindon an einem Tisch in einem Gartenlokal in Frankreich zu sehen. Die Fotos sind auf der Titelseite als „Die zärtlichsten Fotos ihrer Romanze mit Vincent“ angekündigt und zeigen, wie Vincent Lindon der Bf. die Hand küsst. Hinsichtlich dieser Fotos hatte die Bf. bereits vor dem BGH Erfolg, so dass diese nicht Gegenstand der Verfassungsbeschwerde sind.

  46. § 1 Grundlagen des Persönlichkeitsschutzes - III. Sozial-, Privat-, Geheim- und IntimsphäreFall 9: BVerfG, NJW 2000, 1021 ff. – „Caroline von Monaco IV (Paparazzi-Fotos)“ • Die Bekl. veröffentlichte zusätzlich in der Zeitschrift „Bunte“ den Artikel „Caroline. `Ich glaube nicht, dass ich die ideale Frau für einen Mann sein kann`“. Den Beitrag illustrierten mehrere Fotos. Ein Foto zeigt die Bf. auf einem Pferd reitend. Ein weiteres Foto zeigt die Bf. mit ihren Kindern A. und P. • In einer weiteren Ausgabe der „Bunte“ erschien ein Artikel „Vom einfachen Glück“ mit mehreren Fotos. Ein Foto zeigt die Bf. in einem Paddelboot mit ihrer Tochter. Weitere Bilder zeigen sie beim Gang auf den Markt und zusammen mit Vincent Lindon in einem Gasthaus nebeneinander sitzend. Ferner bildet ein Foto die Bf. radelnd auf einem Feldweg ab und ein weiteres zeigt die Bf mit Vincent Lindon, ihrem Sohn P. und einem weiteren Kind. Ein letztes Foto zeigt die Bf. mit einer Begleiterin auf dem Markt bei einem Blumenstand.

  47. § 1 Grundlagen des Persönlichkeitsschutzes - III. Sozial-, Privat-, Geheim- und IntimsphäreFall 9: BVerfG, NJW 2000, 1021 ff. – „Caroline von Monaco IV (Paparazzi-Fotos)“ • Der BGH hat das Urteil des OLG teilweise aufgehoben und das Urteil des LG teilweise dahingehend abgeändert, dass die Bekl. des Ausgangsverfahrens dazu verurteilt wird, es zu unterlassen, die in der Zeitschrift „Freizeit Revue“ abgedruckten Fotos mit dem Bildnis der Bf. erneut zu veröffentlichen. Die weitergehende Revision wurde zurückgewiesen (BGHZ 131, 332 = NJW 1996, 1128). Die Verfassungsbeschwerde hatte zum Teil Erfolg.

  48. § 1 Grundlagen des Persönlichkeitsschutzes - III. Sozial-, Privat-, Geheim- und IntimsphäreFall 9: BVerfG, NJW 2000, 1021 ff. – „Caroline von Monaco IV (Paparazzi-Fotos)“ Kernpunkte der Entscheidung: • Die Privatsphäre umfasst zum einen Angelegenheiten, die wegen ihres Informationsinhalts typischerweise als „privat“ eingestuft werden, weil ihre öffentliche Erörterung oder Zurschaustellung als unschicklich gilt, das Bekanntwerden als peinlich empfunden wird oder nachteilige Reaktionen der Umwelt auslöst. • Zum anderen erstreckt sich der Schutz auf einen räumlichen Bereich, in dem der Einzelne zu sich kommen, sich entspannen oder auch gehen lassen kann. Im Kern geht es um einen Raum, in dem er die Möglichkeit hat, frei von öffentlicher Beobachtung und damit der von ihr erzwungenen Selbstkontrolle zu sein, auch ohne dass er sich dort notwendig anders verhielte als in der Öffentlichkeit. Bestünden solche Rückzugsbereiche nicht mehr, könnte der Einzelne psychisch überfordert sein, weil er unausgesetzt darauf achten müsste, wie er auf andere wirkt und ob er sich richtig verhält. Ihm fehlten die Phasen des Alleinseins und Ausgleichs, die für die Persönlichkeitsentfaltung notwendig sind und ohne die sie nachhaltig beeinträchtigt würde.

  49. § 1 Grundlagen des Persönlichkeitsschutzes - III. Sozial-, Privat-, Geheim- und IntimsphäreFall 9: BVerfG, NJW 2000, 1021 ff. – „Caroline von Monaco IV (Paparazzi-Fotos)“ • Das BVerfG legt dar, was alles in die Privatsphäre fällt und billigt dabei das vom BGH entwickelte Kriterium der örtlichen Abgeschiedenheit (später genauer). Ausschlaggebend ist, ob der Einzelne eine Situation vorfindet oder schafft, in der er begründetermaßen und somit auch für Dritte erkennbar davon ausgehen darf, den Blicken der Öffentlichkeit nicht ausgesetzt zu sein. • Der Einzelne kann Orte, an denen er sich unter vielen Menschen befindet, auch nicht etwa durch ein Verhalten, das typischerweise nicht öffentlich zur Schau gestellt würde, in seine Privatsphäre umdefinieren. Nicht sein Verhalten, ob allein oder mit anderen, konstituiert die Privatsphäre, sondern die objektive Gegebenheit der Örtlichkeit zur fraglichen Zeit. Verhält er sich daher an Orten, die nicht die Merkmale der Abgeschiedenheit aufweisen, so, als stünde er nicht unter Beobachtung, hebt er das Schutzbedürfnis für Verhaltensweisen, die an sich die Öffentlichkeit nichts angehen, selbst auf.

  50. § 1 Grundlagen des Persönlichkeitsschutzes - III. Sozial-, Privat-, Geheim- und IntimsphäreFall 9: BVerfG, NJW 2000, 1021 ff. – „Caroline von Monaco IV (Paparazzi-Fotos)“ • Der Schutz der Privatsphäre vor öffentlicher Kenntnisnahme entfällt ferner, wenn sich jemand selbst damit einverstanden zeigt, dass bestimmte, gewöhnlich als privat geltende Angelegenheiten öffentlich gemacht werden, etwa indem er Exklusivverträge über die Berichterstattung aus seiner Privatsphäre abschließt. • Die von dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 I i.V. mit Art. 1 I GG geschützte Privatsphäre ist nicht auf den häuslichen Bereich beschränkt. Der Einzelne muss grundsätzlich die Möglichkeit haben, sich auch an anderen, erkennbar abgeschiedenen Orten von Bildberichterstattung unbehelligt zu bewegen. • Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist nicht im Interesse einer Kommerzialisierung der eigenen Person gewährleistet. Der Schutz der Privatsphäre vor Abbildungen tritt zurück, soweit sich jemand selbst damit einverstanden zeigt, dass bestimmte, gewöhnlich als privat angesehene Angelegenheiten öffentlich gemacht werden.

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