1 / 43

Ausgewählte Sozialisationstheorien und deren Vertreter

Ausgewählte Sozialisationstheorien und deren Vertreter. Klassische soziologische Sozialisationstheorien: Systemtheorie: Strukturfunktionalismus (Parsons) Handlungstheorie: Symbolischer Interaktionismus (Mead) Gesellschaftstheorie: Theorie der kommunikativen Kompetenz (Habermas)

kedma
Télécharger la présentation

Ausgewählte Sozialisationstheorien und deren Vertreter

An Image/Link below is provided (as is) to download presentation Download Policy: Content on the Website is provided to you AS IS for your information and personal use and may not be sold / licensed / shared on other websites without getting consent from its author. Content is provided to you AS IS for your information and personal use only. Download presentation by click this link. While downloading, if for some reason you are not able to download a presentation, the publisher may have deleted the file from their server. During download, if you can't get a presentation, the file might be deleted by the publisher.

E N D

Presentation Transcript


  1. Ausgewählte Sozialisationstheorien und deren Vertreter Klassische soziologische Sozialisationstheorien: • Systemtheorie: Strukturfunktionalismus (Parsons) • Handlungstheorie: Symbolischer Interaktionismus (Mead) • Gesellschaftstheorie: • Theorie der kommunikativen Kompetenz (Habermas) • Theorie des sozialen Habitus/Milieutheorie (Bourdieu) Prof. Schubarth: Einführung in die Sozialisationstheorie und Sozialisationsforschung

  2. Neuere Sozialisationstheorien • Theorie der Individualisierung der Lebenslagen (Beck) • Sozialisation in der Erlebnisgesellschaft (Schulze) • Neuere Handlungstheorien • Theorie der sozialisatorischen Interaktion • Theorie der personalen und sozialen Identität • Theorie der Identitätsbehauptung • Rationale Handlungstheorien • Soziale Systemtheorie (Luhmann) • Konstruktivismus Prof. Schubarth: Einführung in die Sozialisationstheorie und Sozialisationsforschung

  3. Talcott Parsons (1902-1979) • einer der bekanntesten amerikanischen Soziologen • Begründer des „Strukturfunktionalismus“ bzw. der „Systemtheorie“, zus. „Strukturfunktionale Systemtheorie“ • beeinflusst von E. Durkheim und M. Weber • Frage (Durkheim): wie Gesellschaften Stabilität erreichen und die Persönlichkeitsstrukturen der Menschen dabei berücksichtigen - Modell, das biologische und psychologische Theorien einbezieht • Gesellschaft als komplexes System braucht Strukturen, die zur Bestandserhaltung des Gesamtsystems bestimmte Funktionen erfüllen • Voraussetzungen für Stabilität von Gesellschaftssystemen, Entwicklung systemkonformen Handelns • ahistorische Perspektive, „Theorie für alle Fälle“ Prof. Schubarth: Einführung in die Sozialisationstheorie und Sozialisationsforschung

  4. Grundzüge der Theorie (I) • Unterscheidung zwischen organischem, psych. u. sozialem System • organische System versorgt Persönlichkeit mit Energie (Freud) • psychische System kontrolliert Antriebsenergien (gesell. Kontrolle) • soziale System (= Gesell.) wird durch Beziehungsmuster zwischen Personen als Träger bestimmter sozialer Rollen gebildet • Sozialisation = Übernahme der Verhaltensmaßstäbe (Spielregeln) des sozialen Systems in das psychische System, Erlernen von Rollen • psychische Verinnerlichung gesell. Werte, angefangen mit erster Bezugsperson; Mutter, Vater, Bruder, Erzieher, Lehrer usw. verweisen in ihren Rollen auf soziales und kulturelles System • Abstimmung/Gleichgewicht zwischen Bedürfnisstruktur (org. S.) der Pers.struktur (psych. S.) und Sozialstruktur (soziales System) Prof. Schubarth: Einführung in die Sozialisationstheorie und Sozialisationsforschung

  5. Grundzüge der Theorie (II) • Grundqualifikation des Rollenhandelns werden in der Sozialisation durch Aneignung immer diff. Rollenbeziehungen erlernt • angefangen von Zweierbeziehung zwischen Mutter und Kind, über einfaches Rollensystem in der Kernfamilie, über Gleichaltrigengruppe in Schule bis zu Rollen des Erwachsenen in Beruf, eigener Familie und Gesellschaft, „Rollenkarriere“ • „Rolle“ als ordnendes Element, Rollenerwartung, Spielregeln,Werte • über Rollenlernen werden grundlegende Wertorientierungen erworben • Sozialisation als Bereitschaft und Fähigkeit zum Handeln in Rollen, • Erlernen und Trainieren von Rollen • Auseinanderhalten unterschiedlicher Typen von Rollen, flexibler Umgang • Identifizierung mit Rollen/Erwartungen • Verinnerlichung gesellschaftlicher Werte • Verbindlichkeit (Sanktionen) Prof. Schubarth: Einführung in die Sozialisationstheorie und Sozialisationsforschung

  6. Grundzüge der Theorie (III) • Rollenerwartungen/-anforderungen unterscheiden sich: z.B. Familie, Gleichaltrigengruppe, Schule, Beruf • Familie: persönlich, intim, affektiv, Gemeinschaftsorientierung, wenig spezifiziert, „partikularistisch“ • Schule, Beruf: sachlich, affektive Neutralität, „universalistisch“ • universalistische Orientierungen als „Grundqualifikationen des Rollenhandelns“ als Basispersönlichkeit: Ausrichtung an bestimmten Rollenerwartungen, an sozialen Positionen, an individueller Leistung • sachliche Berücksichtigung von Interessen, Wahrnehmung seiner und anderer Personen in den jeweiligen Rollen • Erlernen unterschiedlicher Grundmuster („pattern variables“) des Rollenhandelns • notwendige Beiträge der jeweiligen Sozialisationsinstanzen Prof. Schubarth: Einführung in die Sozialisationstheorie und Sozialisationsforschung

  7. Grundzüge der Theorie (IV) • Kindergarten und Schule haben Schlüsselfunktion: Einführung in universalistische Wertorientierungen • „Schulklasse als soziales System“: Unterscheidung von informellen und formellen Rollensystemen, Grundschullehrerin als emotional neutrale Bezugsperson, Beurteilung des Kindes nach indiv. Leistung • durch Übernahme der formalen Rollenbeziehung in Schulklasse werden öffentliche Wertmuster erlernt • Schule als Sozialisationsinstanz: 1) Erlernen der Rollenübernahme 2) Selektion: Verteilung der Arbeitskraft nach Schulleistung (Statusdiff. auf nichtbiologischer Basis, Leistungsauslese als „echter Selektionsprozess“, Verlierer akzeptieren Ergebnis/Spielregeln - Vgl. Sozialisationsleistungen Familie, Schule und peer group, Zusammenhang Pers.entwicklung und Rollenlernen Prof. Schubarth: Einführung in die Sozialisationstheorie und Sozialisationsforschung

  8. Fazit und Kritik: Parson - differenziertes Modell der Durchdringung von organischen, psychischen und sozialen Systemen, Persönlichkeit als „Spiegelbild“ der Sozialstruktur • Sozialisation als Rollenlernen • zentrale Bedeutung der Schule bzw. Schulklasse • Kritik: Sozialisation als „Vergesellschaftung“, weniger Individuation • soziale Rolle betont Anpassung, weniger aktives Subjekt • Rollenhandeln als „Bedürfnisbefriedigung“, Systemkonformität • Unterschätzung des Spielraum des Einzelnen, z.B. beim Rollenhandeln • Festschreibung des Gesellschaftszustandes, ahistorisch • eher Makroebene, weniger Mikroebene (Interaktion) • Weiterentwicklung der Systemtheorie, z.B. bei Niklas Luhmann Prof. Schubarth: Einführung in die Sozialisationstheorie und Sozialisationsforschung

  9. George Herbert Mead (1863-1931) • Begründer des „Symbolischen Interaktionismus“ • Symbolischer Interaktionismus als Variante der Handlungstheorie • Frage (vgl. Durkheim), wie Zusammenspiel zwischen „individuellem“ und „sozialem“ Wesen funktioniert • Grundlage: Einheit von individuellem und sozialem Wesen • Analyse der Mikroebene, der Verständigungs- und Interaktionsprozesse, z.B. wie Menschen ihre Handlungen aufeinander abstimmen, wie panvolles, kooperatives Handeln möglich wird • Ausgangspunkt: Verständnis der menschlichen Sprache sowie Beobachtung, Analyse und Interpretation von Handlungen anderer Menschen • „Handeln“ als sinnhaft aufeinanderbezogene Aktionen/Interaktionen in sozialen Situationen (normative Regelungen und Motivationen) Prof. Schubarth: Einführung in die Sozialisationstheorie und Sozialisationsforschung

  10. Grundzüge der Theorie (I) • „Mind, Self, Society“ (dt. 1968): Entstehung der menschlichen Subjektivität auf der Grundlage der Auseinandersetzung des Menschen mit natürlichen und sozialen Umwelt • Persönlichkeit entsteht in Wechselwirkung zweier Größen, der eher sozialen Komponente des „Me“ und der eher psychischen Komponente des „I“ • Me drückt aus, wie die anderen Menschen ein Individuum sehen, Erwartungshaltungen, vgl. „Über-ich“ bei Freud • I vertritt gegenüber dem Me impulsive, spontane Energien der Person, die durch Me gezügelt werden, vgl. „Es“ bei Freud • durch Zusammenwirken von I und Me entsteht das „Self“ (Selbst), das Selbstbild und Selbstverständnis von sich als Person (Ich-Identität) • Zusammenspiel von I, Me, Self und Mind (Bewusstsein) kann menschliches Handeln und Identitätsbildung erklären Prof. Schubarth: Einführung in die Sozialisationstheorie und Sozialisationsforschung

  11. Grundzüge der Theorie (II) • „signifikante Symbole“: Sprache • gelungene Verständigung setzt Empathie und Antizipation voraus • Einschätzung der Folgen der eigenen Handlung in der Bedeutung für andere, Vorwegnahme der Reaktion des anderen • jeder muss sich selbst mit den Augen des anderen sehen und dessen Handlung als eigene vorwegnehmen können, „Rollenübernahme“ • „Wir müssen andere sein, um wir selbst sein zu können“ • sich selbst als Objekt sehen als Voraussetzung, um subjektiv sinnhaft handeln zu können • soziales Handeln als symbolisch (v.a. sprachlich) vermittelte Interaktion durch fortlaufende, wechselseitige Interpretation von Situationen, Rollenerwartungen und Handlungen Prof. Schubarth: Einführung in die Sozialisationstheorie und Sozialisationsforschung

  12. Grundzüge der Theorie (III) • Symbolsystem und symbolische Interaktion werden im Laufe der Sozialisation erlernt • Sprachliche Interaktion: Unterschied bei Menschen und Tieren • Tiere: instiktive Gesten, Menschen: gemeinsam geteilte Bedeutung der Wörter als „signifikante Symbole“, die bei Sprechern und Hörern gleiche/ähnliche Reaktionen auslösen (z.B. „Feuer“, „Hilfe“) • Entwicklung kindlicher Spielformen: Unterscheidung zwischen „play“ (nachahmendes Spiel) und „game“ (Wettkampf) • „play“: Kind spielt mit imaginärem Partner und mimt beide Teile, dadurch Erlernung der Verhaltensantizipation eines Partners • „game“: bei Gruppenspielen reicht Verhaltensantizipation eines Partners nicht aus, vielmehr müssen Spielregeln und Verhalten der Gruppenmitglieder berücksichtigt werden • „verallgemeinerte Andere“ repräsentiert die organisierte Reaktion aller Mitglieder der Gruppe (z.B. Team als „verallg. Andere“) Prof. Schubarth: Einführung in die Sozialisationstheorie und Sozialisationsforschung

  13. Grundzüge der Theorie (IV) • Modell eines kreativ agierenden Menschen (nicht Anpassung) • Mensch als schöpferischer Interpret und Konstrukteur seiner Umwelt • soziale Umwelt wird mit Bedeutung versehen und damit schrittweise ein reflexives Bild von eigener Person aufgebaut • Familie als Ausgangspunkt der Subjektbildung: Eltern als wichtigste Bezugspersonen bilden sinnstrukturierenden Rahmen für Persönlichkeitsentwicklung • Erlernen der Fähigkeit der „Rollenübernahme“: Verstehen des sozialen Standpunktes der Bezugsperson, deren Verhalten vorhersehen und eigenes Handeln danach ausrichten • durch solches empathisches Verhalten werden wichtige Kompetenzen für die soziale Kommunikation erlernt (Empathie als kognitive Fähigkeit der Perspektivenübernahme, nicht Mitgefühl) Prof. Schubarth: Einführung in die Sozialisationstheorie und Sozialisationsforschung

  14. Grundzüge der Theorie (V): Schulische Sozialisation • Struktur der schulische Kommunikation • formalisierte Kommunikation, diff. nach Lehrern • Hierarchie und Zwang: Schulpflicht, Lehrer als höhere „Gewalt“, Lernen • Leistung und Konkurrenz: Kommunikation am Leistungsprinzip orientiert • Schülerperspektive: • Regeln einhalten, „guter Schüler“, Interpretation der Lehrerrolle • Erfüllung vielfältiger Anforderungen, aber auch eigene Interessen und Bedürfnisse in unterrichtliche Kommunikation einbringen - Identitätsentwürfe/-probleme bei Schülern: • Spielraum zwischen institut. Anforderungen und eigenen Bedürfnissen • „Gute“ Schüler: Stärkung Selbstwert, Rollendistanz/Anpassungsfähigkeit • „Schlechte“ Schüler: Übernahme institut. Definition des „Versagers“ • Folgen für Selbstwert, Gefahr der Typisierung und Etikettierung Prof. Schubarth: Einführung in die Sozialisationstheorie und Sozialisationsforschung

  15. Fazit und Kritik: Mead • Verbindung von individualistisch-handlungstheoretischen und gesellschaftlich-strukturtheoretischen Aspekten in einer Theorie kommunikativer Beziehungen • Kern: Entwicklung des Selbstbildes • Betonung der aktiven Eigenleistung und Gestaltungsmöglichkeit • Schwerpunkt: Mikroebene, Subjektseite • Kritik: harmonisierendes Bild zwischen Individuum und Gesell. • keine Berücksichtigung funktionaler Differenzierungen • Vernachlässigung sozialer Strukturen und materieller Bedingungen • eher subjektivistisch und konstruktivistisch orientiert • keine Analyse von Macht, Einfluss und Konflikten in Gesell. • Weiterentwicklung durch Goffman, Habermas u.a. Prof. Schubarth: Einführung in die Sozialisationstheorie und Sozialisationsforschung

  16. Jürgen Habermas (geb. 1929) Theorie der kommunikativen Kompetenz • einer der bekanntesten dt. Philosophen und Soziologen • Geisteswiss. Schulen: normativ-ontologisch (Aristoteles), Systemtheorie (Parsons), Hist.-Mat./Kritische Theorie (Frankfurter Schule, Adorno, Horkheimer, Fromm) • Variante der Gesellschaftstheorien: wie der Mensch durch soziale Wirklichkeit in seiner Entwicklung beeinflusst wird und wie er diese Wirklichkeit selbst gestaltet • „Kritische Theorie“: wie gesell. Machtstrukturen auf Struktur der Persönlichkeit wirken (Einbeziehung Psychoanalyse) • Beispiel: totalitäre Systeme (NS-Zeit), Annahme einer „autoritären Persönlichkeit“, keine stabile Ich-Identität, Deformation • Ziel: Bedingungen für Emanzipation des Individuums u. Befreiung aus autoritären Zwangsstrukturen Prof. Schubarth: Einführung in die Sozialisationstheorie und Sozialisationsforschung

  17. Grundzüge der Theorie (I) • kritische Ges.-theorie, die soziologische Handlungstheorien, psych. Entw.-theorien und psychoanal. Theorien einbezieht • Mehrdimensionale Theorie: • Gesellschaftstheorie (Marx), Theorie des „Spätkapitalismus“ • Handlungs- und Rollentheorie, Entwicklung von Identität • Kognitive Entw.-psychologie, insb. intellektuelle und moral. Entwicklung • Psychoanalyse, Analyse innerpsychischer Antriebskräfte • Instrumentarium zur Beschreibung gesell. Bedingungen für Freiheitsgrade des sozialen Handelns (Freiräume vs. Kontrolle), Entfaltung vs. Beeinträchtigung der Persönlichkeit • Idee der Freiheit und der Mündigkeit als Maßstab einer kritischen Ges.-theorie mit Anspruch auf Allgemeingültigkeit • Idee der Verständigung d.M. kraft der besseren Argumente Prof. Schubarth: Einführung in die Sozialisationstheorie und Sozialisationsforschung

  18. Grundzüge der Theorie (II) Konzept der kommunikativen Kompetenz - Bedingungen für Emanzipation d.M. u. Demokratisierung der Gesell. • „kommunikative Kompetenz“, „Ich-Identität“ als Eigenschaften eines handlungsfähigen, aktiv gestaltenden Subjekts • „Gerechtigkeit“, „Gleichheit“, „Herrschaftsfreiheit“ als Merkmale einer demokratischen Gesellschaft, Voraussetzung für freie Entfaltung • Ziel der Subjektbildung: Beherrschung des Regeln für „vernünftiges“ Handeln, Fähigkeit zum Diskurs, Geltung von Sinnzusammenhängen durch Verständigung und argumentative Begründung • Verständigung bedarf „idealer Sprechsituation“, d.h. gleichberechtigter Kommunikation („Zwang des besseren Arguments“) • ideale Sprechsituation entspricht idealer gesell. Lebensform (Utopie) • Realisierung im Rahmen einer demokratischen Verfassung Prof. Schubarth: Einführung in die Sozialisationstheorie und Sozialisationsforschung

  19. Grundzüge der Theorie (III) Kompetenzen des Rollenhandelns • Grundlagen für alltägliches soziales Handeln, um sozial handlungsfähig zu werden bzw. zu bleiben, Aushandlung zwischen eigenen Ansprüchen und Ansprüchen der Außenwelt • Ich-Identität: Balance von personaler und sozialer Identität • Rollendistanz: autonomer, reflektierender, interpretierender und z.T. distanzierender Umgang mit den vielen unterschiedlichen Erwartungen • Ambiguitätstoleranz: Aushalten von Ambivalenzen und Widersprüchen bei Interaktionen, Ertragen bzw. Ausbalancieren unklarer Erwartungen • Frustrationstoleranz: Aushalten der Diskrepanz von Rollenerwartung und Bedürfnissen, Ertragen geringer Bedürfnisbefriedigung in Rollen Prof. Schubarth: Einführung in die Sozialisationstheorie und Sozialisationsforschung

  20. Grundzüge der Theorie (IV) Habermassche Kritik an der Rollentheorie Parsons: • Integrationstheorem vs. Repressionstheorem • Parsons: Rollenhandeln für zwei Personen gleich befriedigend • H.: Interaktionen nicht für alle Interaktionsteilnehmer gleich befriedigend • Repressionstheorem: Komplementarität nur unter Zwang herstellbar • Identitätstheorem s. Diskrepanztheorem: • P.: Übereinstimmung von Rollendefinition und –interpretation • H.: diese Übereinstimmung nicht gegeben • Konformitätstheorem vs. Rollendistanztheorem • P.: rollenkonformes Veralten heißt Verinnerlichung von entsprechender Rollenerwartungen • H.: kein Rückschluss möglich, Distanz bewirkt Autonomie - Annahmen Parsons nicht Regel-, sondern eher Ausnahmefall Prof. Schubarth: Einführung in die Sozialisationstheorie und Sozialisationsforschung

  21. Grundzüge der Theorie (V) Stufen der Identitätsentwicklung • Annahme von Entw.-stufen und Entw.-krisen in Pers.-entwicklung • in Anlehnung an Piaget und Kohlberg: Entwicklung der moralischen Urteilsfähigkeit • 1. Stufe: „natürliche Identität“ (bis 6 Jahr) mit noch nicht bewusstem Innenleben und nicht vorhandenen Perspektivenübernahme • 2. Stufe: „Rollenidentität“ (6 bis Pubertät) Fähigkeit des operationalen Denkens und der konventionellen moralischen Urteilsfähigkeit • 3. Stufe: „Ich-Identität“ (nach Adoleszenzkrise/Pubertät), Krise als hilfreich für Entwicklung, Verbindung von subjektiver Sicht ihrer Pers. mit Außensicht und Fähigkeit zum sozialen Rollenhandeln • Voraussetzung für autonomes Handeln in modernen Gesellschaften Prof. Schubarth: Einführung in die Sozialisationstheorie und Sozialisationsforschung

  22. Grundzüge der Theorie (VI) Stufen der Moralentwicklung (Kohlberg) • Zusammenhang moralischen Urteilens mit der Fähigkeit, konkurrierende normative Erwartungen kommunikativ zu verhandeln I. Präkonventionelle Ebene (Unterordnung und eigene Interssen) 1. Stufe: Vermeiden von Strafe, Unterordnung unter Autorität 2. Stufe: moral. Entscheidungen an eigenen Bedürfnissen orientiert II: Konventionelle Ebene (Erhaltung Sozialbeziehung in Gruppe u. Ges.) 3. Stufe: richtiges Verhalten ist, was anderen in einer Gruppe gefällt 4. Stufe: Erhaltung der Sozialbeziehung erweitert sich zur Ges. III. Postkonventionelle Ebene (Verhältnis des Einzelnen zur Ges.) 5. Stufe: Verhältnis zur Ges. ist verhandelbarer Sozialvertrag 6. Stufe: Recht basiert auf ethischen, universellen Prinzipien Prof. Schubarth: Einführung in die Sozialisationstheorie und Sozialisationsforschung

  23. Fazit und Kritik: Habermas • Konzept zur Beschreibung und Analyse der Fähigkeit eines Menschen zum flexiblen und prinzipiengeleiteten Handeln in sozialen Rollen und zur kritische (Selbst)Reflexion über Regeln und Normen (Ich-Identität) • ideales Modell gesellschaftlicher Verständigung • Analyse ungleicher, unterdrückender Lebensbedingungen • Kritik: Fokussierung auf Kommunikation, Reduzierung von Gesellschaftlichkeit auf Sprache • Vernachlässigung materieller Aspekte und der Auseinandersetzung mit gegenständlichen Umwelt (vgl. Marx) • Vernachlässigung von Körperlichkeit, Geschlecht, Emotionen • dennoch: eine der weitreichendsten Konzeption für die Sozialisationstheorie, insb. durch Verknüpfung verschiedener Theorien • Beispiel für künftige Weiterentwicklungen Prof. Schubarth: Einführung in die Sozialisationstheorie und Sozialisationsforschung

  24. Pierre Bourdieu (1930-2002) • einer der bedeutendsten frz. Sozialwissenschaftler • Vertreter der kritischen Gesellschaftstheorie, empirischer Forscher • Theorie des sozialen Habitus: sozial bedingte Unterschiede in Werthaltungen und Mentalitäten, im „Habitus“ • „Milieutheorie“: Bedeutung des Herkunftsmilieus • Sozialisation als Habitualisierung: Vergesellschaftung („soziale Konditionierung“) • Weiterentwicklung der Klassen- und Schichttheorie durch Aufzeigen von Zusammenhänge mit Lebensstil und Vorlieben, z.B. Wohnung, Essen, Freizeitinteressen, Musikgeschmack, Bildungswissen usw. • Herausarbeiten der „feinen Unterschiede“ als Grenzen zwischen sozialen Gruppen, Aufdecken der Mechanismen der Macht • für Alltag und Persönlichkeitsentwicklung bedeutsam Prof. Schubarth: Einführung in die Sozialisationstheorie und Sozialisationsforschung

  25. Grundzüge der Theorie (I) • Ausgangspunkt: Handeln der sozialen Akteure, ihr gesamter Lebensstil ist von Position im sozialen Raum bestimmt • Handeln, Vorlieben sind Ausdruck eines sozialen „Schicksals“, einer schichtspezifischen Sozialisation, nur begrenzt beeinflussbar • Übernahme des Stils der sozialen Gruppe bzw. Umgebung • Vorlieben, Geschmack, Kleidung, Körperhaltung, Gang, Sprache usw. als Ausdruck unserer Position im sozialen Raum • „Habitus“ als Vermittlungsglied zwischen Stellung im sozialen Raum und dafür typischen Lebensstil, Praktiken u.Vorlieben (z.T.unbewusst) • Habitus als allgemeine Grundhaltung, „Handlungsgrammatik“ • Habitus wird im Alltag durch Nachahmung und Übernahme erlernt • Aneignung des Habitus, „Habitualisierung“ = Sozialisation • Lebensstile nicht gleichwertig: „feine Leute“ definieren „feine Unterschiede“ Prof. Schubarth: Einführung in die Sozialisationstheorie und Sozialisationsforschung

  26. Grundzüge der Theorie (II) • Basis eines Habitus ist eine spezifische Soziallage, die durch gewisse Kapitalkonfiguration bestimmt wird, drei Kapitalsorten: • Ökonomisches Kapital: materielle Form, Geld, Grundbesitz, durch Eigentum institutionalisiert • Kulturelles Kapital: Aneignung von Wissen u. Kenntnisse, Bildung, Umgang mit Kultur, Kulturgüter, Bücher, Bilder usw.; stark von Familie abhängig, Erklärung für unterschiedliche Schulleistungen in verschiedenen Sozialschichten • Soziales Kapital: Ressourcen aus dem Beziehungsnetz, Sozialkapital bedarf Beziehungsarbeit, d.h. kulturelles und ökonomisches Kapital • Formen der Kapitalumwandlung, Konvertierbarkeit der „Währungen“, Verschleierung der „sozialen Vererbung“, heimliche Übertragung von Kulturkapital, „Illusion der Chancengleichheit“ • „Soz. Raum“ als Markt, Gewinnmaximierung des „pers.“ Kapitals Prof. Schubarth: Einführung in die Sozialisationstheorie und Sozialisationsforschung

  27. Grundzüge der Theorie (III) • Gesell. Handeln als Distinktionsgeschehen: jede soziale Gruppe um Verbesserung ihrer Stellung im „sozialen Raum“ bemüht • Unterscheidung von drei großen gesell. Gruppen: • Oberschicht: „Distinktion“, sozialen Abstand zu anderen Gruppen wahren, Kenntnis kultureller Standards, Entwicklung eigenen Stils und dessen Durchsetzung als Norm • Mittelschicht: „Prätention“, kulturelle Anpassung an Oberschicht, soziale Aufstiegsorientierung, Bestreben vorgegebene kulturelle Normen zu erfüllen • Unterschicht: „Notwendigkeit“, Leben durch finanzielle und soziale Notwendigkeiten bestimmt, Kampf um Existenz, Kaufverhalten nach Preis, Haltbarkeit und Nutzen • soziale Lage (Schicht) entscheidet über Status von Denk- und Verhaltensgewohnheiten von Menschen • Definitionsmacht der Herrschenden über Symbole, Zeichen u. Rituale Prof. Schubarth: Einführung in die Sozialisationstheorie und Sozialisationsforschung

  28. Grundzüge der Theorie (IV) Empirische Studien und Ergebnisse: • Künstlerische Präferenzen korrelieren mit kult. Klassenzugehörigkeit • Spracheigenheiten (Gram., Ausspr. Stil) wichtig für soziale Mobilität • „Bildungsexpansion“: Schulabschlüsse verlieren an Wert • neoliberale Globalisierung führt zu „Prekarisierung“ • Gegeneinander der Lohnabhängigen ist Teil neoliberaler Hegemonie • „Gesellschaft m.b.H. Zumutungen und Leiden im dt. Alltag“ (2005): ungleiche Verteilung von Arbeit, Gütern, Anerkennung • prekäre Arbeitsverhältnisse und Verwundbarkeit des Menschen durch Individualisierung/Selbstverantwortung • Verlust der Beheimatung durch wenig Einkommen, schlechte Arbeitsbedingungen sowie physischen u. psychischen Stress Prof. Schubarth: Einführung in die Sozialisationstheorie und Sozialisationsforschung

  29. Fazit und Kritik: Bourdieu • Modell für Beschreibung der Zusammenhänge zwischen sozialen, ökonomischen und kulturellen Strukturen und den persönlichen Entwicklungsbedingungen der Menschen • Empirische Überprüfbarkeit, Erfassung von Lebenslagen, Milieus und damit verbundenen Lebensstilen • Betonung der gesell.Ungleichheit, Bildungschancen bei Kindern von Arbeitern, vom Land, von Migranten oder geschl. Benachteiligung • keine Auflösung der Ungleichheitsstrukturen, sondern Umwandlung in horizontal und vertikal differenzierte Lebenslagen • Kritik: zu deterministisch, zu statisch, Vernachlässigung der Gestaltungskraft des Individuums, Rolle der „Selbstsozialisation“, aber: Habitus durch Bewusstwerdung „unter Kontrolle“ bringen • Entstehung neuer Milieus, von Räumen gleichartiger Erfahrungen, z.B. virtuelle Milieus, Internet, Chats usw. Prof. Schubarth: Einführung in die Sozialisationstheorie und Sozialisationsforschung

  30. Neuere Sozialisationstheorien • Theorie der Individualisierung der Lebenslagen (Beck) • Sozialisation in der Erlebnisgesellschaft (Schulze) • Neuere Handlungstheorien • Theorie der sozialisatorischen Interaktion • Theorie der personalen und sozialen Identität • Theorie der Identitätsbehauptung • Rationale Handlungstheorien • Soziale Systemtheorie (Luhmann) • Konstruktivismus Prof. Schubarth: Einführung in die Sozialisationstheorie und Sozialisationsforschung

  31. Theorie der Individualisierung der Lebenslagen: Individualisierungstheorem (I) • Ulrich Beck: „Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne“ (1986), Form der Gesellschaftstheorie, Lebenslagentheorie • Ausgangspunkt: Wandel der traditionellen Industriegesellschaft durch „wohlfahrtsstaatliche Modernisierung“ und gestiegene Freiheitsgrade für die eigene Persönlichkeit (neuer Modus von Vergesellschaftung) • Kehrseite: neue Risiken, Gefahr der Arbeitslosigkeit • „Individualisierung“ durch Freisetzung von trad. Normen/Bindungen • Freisetzung: alte Abhängigkeiten verschwinden, mehr und neue Optionen • Entzauberung: Werte u. Normen infrage gestellt, keine „Normalbiografie“ • Kontrolle: Bindungen verschwinden, mehr Einfluss durch Markt u. Moden • Individualisierung zwingt Einzelnen zur eigenständ. Lebensführung, • Pluralisierung von Milieus und Lebensstilen • Chancen der Autonomie und Gefahren der Anomie Prof. Schubarth: Einführung in die Sozialisationstheorie und Sozialisationsforschung

  32. Individualisierungstheorem (II) • keine vorgegebene Biografien, „Bastelbiografie“, „Planungsbüro“ • ständig Entscheidungen treffen und Konsequenzen „ausbaden“ • früher Schicksalsschläge, Naturkatastrophen, Kriege – heute: selbstverantwortete Ereignisse, wie Berufswahl, Prüfung, Beziehung • „Bastelbiografie“ = „Risikobiografie“ oder „Bruchbiografie“ • individualisierte Sozialisation: neue Anforderung an Heranwachsende, z.T. Überforderung, Kinder u. Jugendliche müssen Wandel bewältigen, aber: Erwachsende können keine Orientierung bieten • Folgen der Entstrukturierung, der „Schattenseiten“ von Individualisierungfür Jugendliche (W. Heitmeyer): • Verlust von Maßstäben für die eigene Verortung • Anfälligkeiten für Rechtsextremismus und Gewalt • hoher psychischer Druck in „individ. Gesell.“, insb. bei Benachteiligten Prof. Schubarth: Einführung in die Sozialisationstheorie und Sozialisationsforschung

  33. Fazit und Kritik: • Populärer und plausibler Theorieansatz, relativ neuer Ansatz • Beschreibung des Zusammenhangs von gesellschaftlichen Strukturen und Identitätsentwicklung • hohe Erklärungskraft, insb. für Wandel von Kindheit und Jugendphase • Beschreibung der Widersprüche, Ambivalenzen, Chancen und Risiken in modernen Gesellschaften und Folgen • Übereinstimmung mit Alltagstheorien, Alltagstauglichkeit • Kritik: z.T. Überzeichnungen, gewissen Einseitigkeiten bzw. Überbetonungen • noch wenig empirische Belege • Anschlussmöglichkeiten: Lebensstilen, Identitätstheorien, z.B. Patchwork-Biografie (Keupp), Alltägliche Lebensführung u.a. • Begriffe: Weltrisikogesellschaft (Terrorismus), Brasilianisierung u.a. Prof. Schubarth: Einführung in die Sozialisationstheorie und Sozialisationsforschung

  34. Sozialisation in der Erlebnisgesellschaft • Gerhard Schulze: „Erlebnisgesellschaft“ (1993) • Kultursoziologische Analysen der Gegenwart • Ausgangspunkt: steigender Lebensstandard und Auflösung traditioneller Muster lässt Erlebnisorientierung in Mittelpunkt rücken • Sozialisation geleitet von Suche nach schönen, spannendem Leben • Erlebnissuche als kollektive Basismotivation: • keine Privileg, für zunehmend größere Gruppen möglich • großer Anteil des Zeitbudget, erfasst nicht nur Freizeit, sondern auch Arbeit, Sozialbeziehung, Alltag • Erlebnisorientierung als hoher Wert, Sinn des Lebens • unterschiedliche Verarbeitung von Erlebnissen (Innenorientierung) • Risiken: Entscheidungsstress, Enttäuschungen, Konsum, Langeweile, Angst, etwas zu Versäumen, Desorientierung „Was gefällt mir eigentlich?“ (z.B. Geburtstagsfeiern, Unterricht) Prof. Schubarth: Einführung in die Sozialisationstheorie und Sozialisationsforschung

  35. Handlungstheorien: Theorie der sozialisatorischen Interaktion • Handlungstheorien: Handlungen/Motive vs. reaktives Verhalten (vgl. Systemtheorie) • Bedeutung der Kommunikation mit wichtigsten Bezugspersonen • Pers.-entwicklung in soziale und dingliche Kontexte eingebunden • Vertreter: Vygotsky (1986), U. Oevermann (1976) • neben Reifung und kognitiver Entwicklung erfolgt Entwicklung über „Vollzug der dialogischen Interaktion“ (Oevermann) • strukturelle Bedingungen für Aufbau von Kompetenzen nötig • Ergänzung der entw.-psychol. Theorie der Strukturgenese (Piaget) • durch Verhalten der Bezugspersonen u. sozialisatorische Interaktion werden Prozesse der ständigen Adaption angeregt • Handlungen der Bezugspersonen als sinnstrukturierender Rahmen • besondere Bedeutung für sprachliche Sozialisation (Spracherwerb) Prof. Schubarth: Einführung in die Sozialisationstheorie und Sozialisationsforschung

  36. Handlungstheorien: Theorie der personalen und sozialen Identität • Identitäts- und rollentheoretische Ansätze • Vertreter: Goffman (1967), Krappmann (1969) • Identität als Erleben es Sich-selbst-Gleichseins (Krappmann) • Vorauss.: real. Selbstwahrnehmung u. pos. gefärbte Selbstbewertung • Identität: koordinierende Instanz mit zwei Komponenten (vgl. Mead) • Pers. I.: Kontinuität, Konsistenz in eigener biografische Erfahrung • Soziale I.: Auseinandersetzung mit Anforderungen ges. Gruppen u. Org. • Gelungene Balance: Ich-Identität als Zustand des Selbsterlebens • ständiger Interpretations- und Aushandlungsprozesses mit äußerer und innere Realität, Aushalten oder Ausgleich von Spannungen zwischen eigenen Bedürfnissen/Kompetenzen und Anforderungen der Außenwelt - Anforderungen an Sicherung der Ich-Identität (Misslingensgefahr) Prof. Schubarth: Einführung in die Sozialisationstheorie und Sozialisationsforschung

  37. Handlungstheorien: Theorie der Identitätsbehauptung • Ausgangspunkt: höhere Anforderungen an Identitätsbildung durch mehr individuelle Gestaltungsmöglichkeiten • Historische Gesellschaftsanalyse von N. Elias (1987) • Freiheitsgrade und Restriktionen: • Anstieg individueller Gestaltungschancen • Behauptung der Identität große Aufmerksamkeit • Menschen müssen heute mit gesteigerten Wahlmöglichkeiten zurechtkommen, neue Risiken, sozialer Stress, Unbehagen, Ungewissheit • Identitätsbedrohung durch zu viele Wahlmöglichkeiten oder Nichteinlösung der eigenen Identität, „Entindividualisierung“, z.B. in totalen Institutionen (Gofmann, Foucault) • Anschlussmöglichkeiten zu Beck, Krappmann u.a. Prof. Schubarth: Einführung in die Sozialisationstheorie und Sozialisationsforschung

  38. Rationale Handlungstheorien • Weiterentwicklung der Handlungstheorie unter Berufung auf M.Weber • Steuerung des Handelns weniger durch soziale Normen, vielmehr durch individuelle Ziele und Willen der Akteure (subjektiver Sinn) • Ökonomische Denkweise: Handeln beruht auf rationale Kalkulation und Verfolgen eines persönlichen Nutzens • „Theorie rationalen Handelns“: • Ges. zwingt Menschen, eigene Interessenlage bewusst zu werden und Handeln zu überdenken, führt zu mehr Selbstkontrolle, sowohl eigene Interessen durchsetzen als auch Leistungsansprüche befriedigen • Soziale Regeln werden nur so weit eingehalten wie unbedingt nötig und den eigenen Interessen entsprechend • Eigennutz gewinnt - soziale Normen verlieren an Bedeutung (aufgrund der Ausdifferenzierung u. Spezialisierung der Gesellschaft) • Bereicherung der Frage nach den Antriebs- und Steuerungskräften des Handelns von Menschen in heutiger Zeit Prof. Schubarth: Einführung in die Sozialisationstheorie und Sozialisationsforschung

  39. Die soziale Systemtheorie • Weiterentwicklung der Systemtheorie: Niklas Luhmann (1927-1998) • Betonung der Eigenständigkeit der Systeme • Gesell: nicht Ansammlung von Menschen, sondern Kommunikation • Unterscheidung von organischen, psychischen und sozialem System (vgl. Parsons) mit je eigenen Entwicklungsgesetzen: • psychisches System als selbstreferenzieller Bewusstseinszusammenhang • soziale Systemen entstehen durch Kommunikation • jedes System ist notwendige Umwelt für die anderen Systeme • Systeme stehen im Verhältnis der gegenseitigen Interpenetration • Sozialisation als „Selbstsozialisation“: keine Übertragung zwischen Systemen, sondern selbstreferenzielle Reproduktion des Systems • aus Differenz zwischen psychischen System (Person) und dessen Umwelt ergibt sich Möglichkeit und Notwendigkeit der Sozialisation • beide Systeme interagieren, bleiben aber jeweils Umwelt füreinander Prof. Schubarth: Einführung in die Sozialisationstheorie und Sozialisationsforschung

  40. Die soziale Systemtheorie (II) • Organ., psych. u. soziales System als selbstorganisierende Systeme: • Person entwickelt sich als psychisches System unabhängig von sozialer Umwelt, ebenso das soziale System (Gesell.), sog. „Autopoiesis“ • Autopoieses bezeichnet Org.form von selbstkonstitutiven Systemen • Leistung der Systemen ist Reduktion der Komplexität von Umwelt, d.h. die Aneignung und Übersetzung von Strukturen aus der Umgebung in das Innere des jeweiligen Systems • Ausmaß der Selbstorganisation steigt (auch für Psyche), das erfordert mehr Sinnbildung, Ordnung des Handelns, um gegenüber der sich wandelnden Außenwelt konstant bleiben zu können • Einbeziehung übergreifender Aspekte der Funktionsfähigkeit von Systemen auf allen Ebenen und Entwicklungsstufen • Kritik: sehr abstakte, formalistische Darstellung der Sozialisation, Überbetonung der Selbststeuerung, Vernachlässigung der Interaktion • eine der populärsten Theorien in Soz., Psych., Lit., Managementtheorie Prof. Schubarth: Einführung in die Sozialisationstheorie und Sozialisationsforschung

  41. Konstruktivismus • umstrittener Versuch, Sozialisation zu beschreiben: „Jeder entwickelt sich nach seinen Vorstellungen und legt sich seine Welt zurecht“ • Ausgangspunkt: Erkenntnis nicht Widerspiegelung der Realität, sondern eine Konstruktion (Bezug zur Kognitions-Theorie): • Die Wirklichkeit, die wir wahrnehmen, unser Beobachtungsgeist, ist unsere eigene Konstruktion, ein subjektives Konstrukt • Es gibt keine objektive Realitätserkenntnis, keine absolute Wahrheit • Wirklichkeit und Erkenntnis sind keine Repräsentation des Welt draußen, sondern ein individuelles Phänomen (Maturana/Varela 1987) • Wirklichkeit ist nicht, sondern wird in sozialen Praktiken fortwährend gemacht (z.B. Konstruktion von Geschlechtlichkeit) • Konzept des Beobachters (z.B. U-Boot) • Sozialisation: Erklären von Umweltereignisse über subjektive Wahrnehmung eines interpretierenden und konstruierenden Menschen • Kritik: Beliebigkeit menschlichen Denkens, grenzenlose Autonomie, Ausblenden objektiver Realität, alles eine Frage der Wahrnehmung Prof. Schubarth: Einführung in die Sozialisationstheorie und Sozialisationsforschung

  42. Fazit: Möglichkeiten der Theoriekombination • verschiedene Sozialisationstheorien mit Erklärungskraft für Bereich • Psychologische Theorien: Aussagen der inneren Realität • Soziologische Theorien: Aussagen zur äußeren Realität • Sozialisationstheorien: Verschränkung von innerer und äußerer Realität • Theorien mit Erklärungskraft für bestimmte Themen (Tillmann): • Ps.-analyse, Lerntheorie, kogn. Ent.-psych: geschlechtsspez. Sozialisation • Strukturfunkt., symb. Interaktionismus, hist. Mat.: schulische Sozialisation • Psych. u. soziologische Theorien: Sozialisation im Jugendalter • Theorieverbund bei Habermas: hist.-mat. Ges.theorie, Psychoanalyse, symbolischer Interaktionismus, Kognitionspsychologie („Leittheorie“) • für Sozialisationstheorie ist Theoriekombination erfolgversprechend: unterschiedliche wiss. Perspektiven auf „Sozialisation“ • Folgerungen für die Sozialisationsforschung Prof. Schubarth: Einführung in die Sozialisationstheorie und Sozialisationsforschung

  43. Literatur • Baumgart, F. (Hrsg.): Theorien der Sozialisation. Bad Heilbrunn 1997 - Gudjons, H.: Pädagogisches Grundwissen. Bad Heilbrunn 1995 • Faulstich-Wieland, H.: Individuum und Gesellschaft. München 2000 • Grundmann, M.: Sozialisation. Skizze einer allgemeinen Theorie. Konstanz 2006 • Hurrelmann, K.: Einführung in die Sozialisationstheorie. Weinheim und Basel 2002 • Hurrelmann, K./Bründel, H.: Einführung in die Kindheitsforschung. Weinheim, Basel, Berlin 2003 • Kron, F.W.: Grundwissen Pädagogik. München, Basel 1996 • Raithel, J./Dollinger, B./Hörmann, G: Einführung in die Pädagogik. Wiesbaden 2005 • Tillmann, K.-J.: Sozialisationstheorien. Reinbek 2003 • Zimmermann, P.: Grundwissen Sozialisation. Opladen 2000 Prof. Schubarth: Einführung in die Sozialisationstheorie und Sozialisationsforschung

More Related