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Politisches System Schweiz Vorlesung am Institut für Öffentliches Recht der Universität Bern

Politisches System Schweiz Vorlesung am Institut für Öffentliches Recht der Universität Bern Interessenverbände – Bewegungen – Medien Prof. Dr. Andreas Ladner Kompetenzzentrum für Public Management Sommersemester 2004. Interessenverbände.

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Politisches System Schweiz Vorlesung am Institut für Öffentliches Recht der Universität Bern

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  1. Politisches System Schweiz Vorlesung am Institut für Öffentliches Recht der Universität Bern Interessenverbände – Bewegungen–Medien Prof. Dr. Andreas Ladner Kompetenzzentrum für Public Management Sommersemester 2004

  2. Interessenverbände

  3. Verbände sind diejenigen Vereinigungen von natürlichen oder juristischen Personen, die auf festgefügter, hierarchisch gegliederter Organisation und formaler Mitgliedschaft beruhen und deren Handeln hauptsächlich darauf gerichtet ist, die Interessen ihrer Mitglieder oder ihrer Anhängerschaft im gesellschaftlichen oder im privaten Bereich sowie in der Öffentlichkeit und gegenüber den am politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozess beteiligten Akteuren und Institutionen zu vertreten.(Manfred G. Schmidt 1995) Interessenartikulation: Verbände

  4. Auf einer Liste des Bundesamts für Wirtschaft und Arbeit sind mehr als 1100 Verbände aufgeführt. Rund 60 Prozent davon können als Wirtschaftsverbände bezeichnet werden (Kriesi 1995: 225). Historisch bedingt und basierend auf dem Grundgedanken der Subsidiarität hat sich der Staat in der Schweiz weniger stark entwickelt als in anderen Ländern (vgl. Kriesi 1995: 244). Die Verbände sind nicht nur zuständig für die Berufsbildung und die Bereitstellung statistischer Grundlagen, sondern beteiligen sich auch stark an der Ausarbeitung der Gesetzgebung und am Vollzug, sodass in vielen Bereichen von einer „para-staatlichen“ Organisation der Verwaltung (Hotz 1979) gesprochen werden kann. Und schliesslich ermöglicht ihnen die direkte Demokratie und das ausgedehnte Vernehmlassungsverfahren im Vorfeld von Gesetztes- und Verfassungsänderungen eine direkte Einflussnahme auf die politischen Entscheidungen. Verbände in der Schweiz

  5. Referendumsmacht Vollzugsmacht Definitionsmacht Die Wirtschaftsverbände haben in der Schweiz einen starken politischen Einfluss (Wolf Linder 1999)

  6. Abstimmungsparolen Parteien und Verbände

  7. Doppelstruktur von Einzel- und Dachverbänden: Die Basis des Verbandssystems bilden die Einzelverbände von Branchen oder Berufsgruppen (z.B. Baumeisterverband, Gewerkschaften des Baugewerbes). Diese sind dann Mitglieder von Dachverbänden. Föderalistische Organisationsstruktur: Viele Einzel- und Dachverbände sind gleichzeitig auf lokal-regionaler, kantonaler und eidgenössischer Ebene organisiert, damit die direkte Interessenvertretung auf allen Ebenen des politischen Systems gewährleistet ist. Mitgliederprinzip und freiwillige Mitgliedschaft: Einzelverbände beruhen auf dem Prinzip der freiwilligen Mitgliedschaft von Unternehmungen und Einzelpersonen. Diese besitzen Mitgliedsrechte wie in einem Verein. Wichtige Entscheidungen sind von der Mitgliederbasis abhängig. Zwangskörperschaften sind selten. Nicht allen Verbänden gelingt es gleich gut, ihren Bereich mitgliedschaftlich zu organisieren. (-> Unterschiede Arbeitgeber – Arbeitnehmer) Grundstrukturen von Organisationsformen und Einflussmuster (vgl. Linder 1999: 110):

  8. Die Organisation in Dach- und Zentralverbänden beruht auf freiwilliger Kooperation der Basisorganisationen. Die Verbandsführungen auf höchster Ebene drängen auf eine möglichst autonome Interessenvertretung, um den Einfluss gegenüber Dritten möglichst optimal wahrzunehmen, während die Einzelverbände eine möglichst breite Mitwirkung auf höherer Ebene verlangen. Die freiwillige Mitgliedschaft hat zur Folge, dass die Verbandsspitzen nur über eine geringe Autonomie verfügen, häufig geringe finanzielle und personelle Ressourcen erhalten und die Interessenaggregation zu einem dauerhaften Problem wird. Wie bei den Parteien gilt: begrenzte Zentralisierung

  9. Letztes Viertel 19. Jahrhundert: Wirtschaftskrise führte zu staatlichen Eingriffen in die Wirtschaft und gab damit den Wirtschaftsverbänden in den Verhandlungen um Schutzmassnahmen für Gewerbe und Industrie eine eigentliche Existenzberechtigung (Armingeon 2001: 405). Der Staat benötigte immer mehr Informationen über wirtschaftliche Prozesse und die schweizerische Lösung bestand nicht darin, Aufgaben an die Verbände zu delegieren (Armingeon 2001: 205). Aufbau eines Netzwerkes von Experten, die für die Beratung staatlicher Politik, Subventionierung von Spitzenverbänden, damit diese statistische Informationen erheben konnten (Gruner 1954: 107-113). Friedensabkommen und Wirtschaftsartikel der Bundesverfassung. 1937 schloss der Schweizer Metall- und Uhrenarbeiterverband ein Friedensabkommen mit den Arbeitgebern. Als Gegenleistung für die Anerkennung als Verhandlungspartner verzichtete die Gewerkschaft auf Streikmassnahmen. Das Abkommen markiert sozusagen den Abschied vom Klassenkampf und die Einbindung der Gewerkschaften und der Sozialdemokratie (vgl. Armingeon 2001: 406). Der Übergang zu einer korporatistischen Organisation von Staat und Gesellschaft wurde mit dem Art 147 der Bundesverfassung bekräftigt Letztes Drittel des 20. Jahrhunderts:der einen Seite grosse Bedeutung im Vernehmlassungsverfahren und im Vollzug, auf der anderen Seite, Konkurrenz durch andere Akteure. Sie werden nicht mehr als sehr einflussreich wahrgenommen (vgl. Armingeon 2001: 406). Rückgang der Mitglieder, Reorganisationsprozesse. Zwei wichtige Wendepunkte und heute?

  10. Economiesuisse (ehemals Schweizerischer Handels- und Industrieverein, Vorort (1869), wf) Zentralverband schweizerischer Arbeitgeber-Organisationen Schweizerische Gewerbeverband (1879) Schweizerischen Bauernverband (1897/1908) Schweizerische Gewerkschaftsbund 1880) Minderheitengewerkschaften (Travail.Suisse (CNG, VSA) u.a.) u.a. m. Die wichtigsten Wirtschaftsverbände (frühe Herausbildung und heute):

  11. Gegen einen starken Korporatismus sprechen etwa die geringe Zentralisierung des Verbandssystems, das schwache Engagement des Staates in der Wirtschafts- und Einkommenspolitik und der verhältnismässig tiefe Organisationsgrad der Arbeiterschaft. Für einen starken Korporatismus sprechen demgegenüber vor allem die enge Form der Zusammenarbeit zwischen Staat und Verbänden, ihr traditionell starker Einfluss auf die Entscheidungen und die Konkordanzdemokratie als strukturverwandtes Organisationsprinzip. CH = „paradigmatischen Fall der liberalen Variante des demokratischen Korporatismus (Katzenstein 1985, Katzenstein 1984). Starker oder schwacher Korporatismus?

  12. 2. Bewegungen

  13. Kein neues Phänomen Ab 1970er Jahre: „Neue SB“ als Sammelbegriff für Anti-AKW-, Friedens-, Frauen- und weitere Alternativbewegungen Aktuell: Antiglobalisierungsbewegung, AUNS Was sind Soziale Bewegungen?

  14. nicht kontrollierter, kollektiver Prozess der Abwendung von vorherrschenden gesellschaftlichen Werten, Normen oder Zwecken. Was sind Soziale Bewegungen?

  15. weniger organisiert in Programmatik, Zwecken und Mitteln weniger spezifisch auf das institutionelle Politiksystem ausgerichtet (z.B. nicht verhandelbare Prinzipien). Bewegungen: Entweder-oder-Konflikte Parteien: Mehr-oder-Weniger-Konflikte Unterschied zu Parteien

  16. niedriger Grad an funktionaler Differenzierung hoher interner Konformitätsdruck, der z.T. Gewohnheiten und Sprache der Mitglieder beeinflusst Mitglieder haben hohe emotionale Bindungen. Organisationssoziologische Unterschiede zu Parteien

  17. Labilität der "inneren Motivation" und Unzuverlässigkeit des Führungscharismas haben zur Folge, dass Bewegungen wenig langfristige Überlebenschancen besitzen (Geser 1983: 203). Stabilität von Bewegungen

  18. Erklärungsansätze für die Entstehung von sozialen Bewegungen • Sozialpsychologische Ansätze • Strukturfunktionalistische Ansätze • Konflikttheorien • Ressourcen-Mobilisierungsansatz

  19. Konzept der relativen Deprivation: Divergenz Erwartungen - Realität Die autoritäre Persönlichkeit: Bewunderung von Autoritäten und Neigung, sich zu unterwerfen Theorie der Statusinkonsistenz: Engagement aufgrund Inkonsistenz von Bildung/Beruf und Einkommen Sozialpsychologische Ansätze:

  20. Strukturfunktionalistische Ansätze: sozialer Wandel führt zu Desorganisation und unkonventionellem Handeln (individuell: Kriminalität; kollektiv: soziale Bewegungen) Konflikttheorien: Bewegungen entstehen aufgrund grundlegender gesellschaftlicher Konflikte Weitere Ansätze:

  21. Übersicht über die verschiedenen Ansätze:

  22. Unterschiede zu anderen Ansätzen Am Anfang eines Mobilisierungsprozesses stehen nicht Unzufriedenheit und soziale Desintegration. Schwergewicht liegt bei der sozialen Organisiertheit als zentrale Voraussetzung für kollektive Aktionen. Die Verfügbarkeit von Ressourcen, welche für eine erfolgreiche Mobilisierung notwendig sind, wird thematisiert. Ressourcen-Mobilisierungsansatz

  23. Mobilisierungsmodell im engeren Sinn, welches die mobilisierende Bevölkerungsgruppe betrachtet Ein Modell im erweiterten Sinn, welches auch die Interaktionspartner berücksichtigt. Mobilisierungsmodell von Tilly (1978)

  24. Das erweiterte RM-Modell (Kriesi)

  25. Weiterentwicklung des Ressourcen-Mobilisierungs-Ansatzes: politisches System und Entstehung/Erfolg sozialer Bewegungen POS: „openness of a political system to challenges adressed by social movements“ Beispiel: Vergleich kantonaler politischer Systeme: Jugendbewegung in Genf und Zürich (Kriesi/Wiesler 1996) Political Opportunity Structure (POS)

  26. das Stufenmodell: Bewegung als historische Vorstufe der Partei das Schöpfquell-Modell: Bewegung als funktionales Komplement einer Partei (POCH; Alternativbewegung aus Sicht der Partei) das Avantgarde-Modell: Partei ist der Bewegung übergeordnet (SAP; leninistisches Organisationsprinzip) das Sprachrohr-Modell: Partei ist ein Instrument der Bewegung (POCH; Partei aus Sicht der Alternativbewegung) Verhältnis zwischen Parteien und Bewegungen (Kriesi 1986): Konkurrenz oder Ergänzung?

  27. AUNS und SVP Unterschiedliche Analyse möglich: Schöpfquell-Modell: AUNS als funktionales Komplement der SVP Sprachrohr-Modell: SVP als Instrument der AUNS Verhältnis Partei - Bewegung

  28. Bewegungen waren auch in der Schweiz Grundlage für Herausbildung und Gestaltung der politischen Institutionen und die "Institutionalisierung" der politischen Akteure Soziale Bewegungen in der Schweiz

  29. Bundesverfassung 1848 Radikal-demokratische Bewegung in den 1830er und 1840er Jahren Verfassungsbewegung Aargauer Klosterstreit (Vorübergehende Aufhebung der Klöster 1841) Freischarenzüge und Sonderbundskrieg

  30. Partialrevision der Bundesverfassung 1874 (Einführung Referendum) Verfassungskämpfe im Kontext des Kulturkampfes zwischen der demokratischen Bewegung und des damals bewegungsförmigen politischen Katholizismus der 1860er und 1870er Jahre

  31. Teilintegration des politischen Katholizismus gegen die neue Opposition Arbeiterbewegung, die sich in den 1880er und 1890er Jahren stabilisierte und radikalisierte.

  32. Krise der 1930er Jahre: Bewegungsflut Frontenbewegung Jungbauernbewegung Landesring Richtlinienbewegung (Ausgehend von SGB für den wirtschaftlichen Wiederaufbau die (liberale) "Sammlung der Mitte"

  33. Nachkriegszeit "linkssozialistische Sammlungsbewegung 'PdA'" mit Ausnahme der "Ungarnbewegung" und vereinzelten "Naturschutzbewegungen" eher bewegungsfrei.

  34. 1960er und 1970er Jahre: Hochkonjunktur "Nationale Aktion" und "Schwarzenbach-Republikaner" auf der rechten Seite "Neue Linke", "Frauen-", "Umwelt-", "Drittwelt-" und "AKW-Bewegung" auf der linken Seite

  35. 1980er Jahre "Jugendbewegung", welche in die "Bewegung der urbanen Autonomen" mündete Bewegungen im Rahmen der Asylrechtsdebatte Armeefrage (GSoA)

  36. Ende 1980er/1990er Jahre: Integrationsfragen "Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (AUNS)" "Pro Europa-Bewegung" 

  37. Heute: Globalisierung/Migration Antiglobalisierungsbewegung AUNS Sans-Papiers

  38. Keine Universaltheorie für Entstehung sozialer Bewegungen Kein Antagonismus Parteien – Bewegungen konstitutive Funktion Inhaltliche Input-Funktion (politische Ideen) Überleben der Bewegung abhängig von Organisation, Integration, Aktualität und Originalität der Zielsetzungen Folgerungen

  39. 3. Medien

  40. Die politische Öffentlichkeit

  41. Printland Schweiz In der Schweiz erscheinen ... ... mehr als 500 Zeitung en und Anzeiger ... ca. 70 Publikumszeitschriften ... ca. je 1'000 Fach- und Spezial-/Hobbyzeitschriften. 75% der Schweizer lesen täglich Zeitung! 89% der Schweizer lesen wöchentlich Zeitschriften!

  42. Grundgesamtheit: 4'090'000 Personnen, M+F 14 Jahre ++

  43. Facts 04/30

  44. direkte Verbindung zwischen Medien und politischen Parteien (Parteipresse). formalisierte Beziehung zwischen dem politischen System und den elektronischen Medien politische Inhalte - politische Ideen - durch vorgegebene Ausgewogenheitskriterien beim Radio/TV und politische Selektionslogiken bei Parteipresse bestimmt Bis in die 1960er Jahre

  45. Klassische Symbiose von Politik und Medien wird durch Symbiose von Ökonomie und Medien abgelöst Heute:

  46. 19. /20. Jahrhundert: Zeitungen waren Parteiblätter. Der öffentliche Diskurs entstand aus den liberalen, radikalen, konservativen, demokratischen und sozialistischen Stimmen = Aussenpluralismus Grundmuster der politischen Kommunikation in der Schweiz

  47. Die Ausbildung einer starken Parteiorganisation und die Bindung an ein Parteiorgan stehen in einem wechselseitigen Verhältnis (Gruner 1964: 286). Je geringer der organisatorische Apparat, desto grösser die enge Bindung an ein Parteiorgan. These: Anhaltende Bedeutung der Parteipresse bis Mitte der 1960er Jahre mit stabilen Bindungen der Leser an die Parteiorgane hat die Herausbildung von Parteiorganisationen mit Mitgliederstrukturen lange Zeit behindert (Gruner 1964) Parteiorganisationen und Parteiorgane

  48. Mitte der 1960er Jahre 370 politische Zeitungen nur 237 offizielle Organe von Parteien, aber von den 133, die sich als unabhängig und neutral ausgeben, sind wohl kaum mehr als 5 wirklich unabhängig (Gruner 1964). Parteipolitisches Engagement der Journalisten Viele Parteizeitungen

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