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GESUNDHEITSMANAGEMENT I Teil 1 Prof. Dr. Steffen Fleßa Lst. für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Gesundheitsmanagement Universität Greifswald. Lst. Allgemeine BWL und Gesundheitsmanagement. Geb. 1966 Verh., 2 Kinder Diplom, Promotion, Habilitation Uni Erlangen-Nürnberg
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GESUNDHEITSMANAGEMENT ITeil 1Prof. Dr. Steffen FleßaLst. für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und GesundheitsmanagementUniversität Greifswald
Lst. Allgemeine BWL und Gesundheitsmanagement • Geb. 1966 • Verh., 2 Kinder • Diplom, Promotion, Habilitation Uni Erlangen-Nürnberg • Dozent für Krankenhausmanage-ment am Masoka Management Training Institut, Tansania • Professor für Pflegemanagement, Evang. FH Nürnberg • Professor für Internationale Gesundheitsökonomik, Universitätsklinikum Heidelberg Lst Prof. Dr. rer. pol. Steffen Fleßa • Seit Dezember 2004 Lehrstuhlinhaber in Greifswald • Forschungsschwerpunkte: Quantitative Methoden im Gesundheitswesen, BWL der Nonprofit-Organisationen, Internationales Gesundheitsmanagement
Materialien • Foliensatz • Bücher • Weiterführende Literatur
GM I: Gliederung • Theoretischer Rahmen • Wissenschaftstheoretische Einbindung • Allgemeine Systemtheorie • Gesundheitsbetriebe als Forschungsobjekt der Betriebswirtschaftslehre • Struktur des Gesundheitswesens • Epidemiologische Grundlagen und Versorgungsstrukturen • Struktur des deutschen Krankenhauswesens • Grundlagen der Finanzierung • Typologie • Finanzierungsoptionen • Geschichte der Krankenhausfinanzierung
Gliederung GM I-1 • Theoretischer Rahmen • Wissenschaftstheoretische Einbindung • Allgemeine Systemtheorie • Statische offene Systeme • Dynamische offene Systeme • Gesundheitsbetriebe als Forschungsobjekt der Betriebswirtschaftslehre • Gesundheitsbetriebslehre • Betriebswirtschaftliches Modell eines Gesundheitsbetriebes • Krankenhäuser als Prototyp des Gesundheitsbetriebes • Definition • Typologie • Raumplanung • Landeskrankenhausplanung • Veränderung von Einzugsgebieten • Standortplanung
1. Theoretischer Rahmen1.1 Wissenschaftstheoretische Einbindung • Wissenschaft: Systematische und zielgerichtete Schaffung und Bewahrung von Wissen • Forschung • Systematische Suche nach neuen Erkenntnissen • Veröffentlichung des erworbenen Wissens • Lehre • Grundproblem: unterschiedliche Wissenschaften erfordern unterschiedliche Herangehensweisen • Empirie • Erhebung von Informationen • Systematische Labor- oder Felduntersuchung • Generelle Abhängigkeit allen Wissens von der Erfahrung: „Wahr ist nur, was sich empirisch nachweisen lässt“ • Rationalismus: • Logische Schlussfolgerung, Erkenntnisgewinn im Diskurs • „Wahr ist, was sich logisch ableiten lässt“
Interdisziplinarität • Medizin, Public Health, Epidemiologie • Betriebswirtschaftslehre, Volkswirtschaftslehre • Demographie • Soziologie, Psychologie • Mathematik, Informatik, OR • Philosophie (Ethik), Theologie • Geographie, Raumplanung • Anlagentechnik, Architektur • …
Ebenen der Realwissenschaften: • Alltagsebene • Angewandt-praktische Ebene • Angewandt-wissenschaftliche Ebene • Allgemeine Ebene der Wissenschaft • Theoretische Ebene, Metaebene
Ebenen der Realwissenschaften: • Alltagsebene: z. B. Ausfüllen von Formularen • Angewandt-praktische Ebene: z. B. Entwicklung einer integrierten EDV • Angewandt-wissenschaftliche Ebene: z. B. Probleme der DRG-Einführung in kleineren Krankenhäusern • Allgemeine Ebene der Wissenschaft: z. B. Krankenhäuser als Betriebstyp • Theoretische Ebene, Metaebene: Systemtheorie
Ebenen der Realwissenschaften: Selten Selten • Alltagsebene: z. B. Ausfüllen von Formularen • Angewandt-praktische Ebene: z. B. Entwicklung einer integrierten EDV • Angewandt-wissenschaftliche Ebene: z. B. Probleme der DRG-Einführung in kleineren Krankenhäusern • Allgemeine Ebene der Wissenschaft: z. B. Krankenhäuser als Briebstyp • Theoretische Ebene, Metaebene: Wissenschaftstheorie, Systemtheorie Diplomarbeiten Vorlesung (teilweise), Vertiefungsfächer In Einführung
Theoriebildung • Deskriptiv: Beschreibung der Realität • Positiv: Erklärung der Realität • Normativ: Entwicklung einer Zielsetzung für die Realität • Präskriptiv: Entwicklung einer Strategie für die Erreichung der Zielsetzung
1.2 Allgemeine Systemtheorie1.2.1 Statische Systeme • Definition (zur Wiederholung): • Ein System ist eine geordnete Gesamtheit, bestehend aus einer Menge von Elementen und einer Menge von Relationen zwischen den Elementen der betrachteten Gesamtheit. • Ober- und Untersysteme • Zweckmäßigkeit der Definition
Systembeschreibung • Element • Teil einer betrachteten Gesamtheit, die aufgrund von Zweckmäßigkeitsgründen nicht weiter unterteilt werden soll • Struktur • Menge und Art der Elemente sowie aller zwischen den Elementen herstellbaren Relationen • Funktion • Transformation von Input in Output • Prozesse • Raumzeitliche Realisierung einer Aufgabe eines Systems
Umsystem Menge aller Sachverhalte, die nicht zum System gehören, aber für das betrachtete System von Bedeutung sind
STÖR - GRÖSSE STELL - REGEL - REGEL - GRÖSSE STRECKE GRÖSSE FÜHRUNGS - REGLER GRÖSSE Systemlenkung Das Regelkreismodell
1.2.2 Dynamische offene Systeme • Definition „Dissipative Systeme“: • Systeme, die ihre Funktion auch bei stark veränderten Rahmenbedingungen aufrechterhalten können, da sie ihre Struktur verändern können.
Bifurkation Energie-niveau neuesGleich-gewicht Perturbation altes Gleich-gewicht neuessynchronesSystem altessynchronesSystem diachronisches System Zeit Übergang von Systemregimen
Bifurkation AlternativerPfad Hysterese Weg zurück Blockade Hysterese-Effekt Falls die Weiterentwicklung eines System durch eine Barriere blockiert wird, entwickelt sich das System zurück zu einem früheren Systemregime. Der Weg des Rückschreitens ist selten identisch mit dem Weg der Progression. Dieser Unterschied wird als Hysterese bezeichnet.
Beispiele • Ausbreitung der Innovation Schule im Raum • Rückbau: folgt nicht „rückwärts“ dem Muster des Aufbaus, sondern nach anderen Kriterien • Ausbreitung der ambulanten Pflegedienste in Deutschland nach 1995 • Rückbau: manche, die vor 1995 da waren, werden den Rückbau nicht überleben; Struktur: ehrenamtliche Struktur ist zerstört, nicht leicht wiederzubeleben • Ausbreitung des westlichen Gesundheitswesens in Entwicklungsländern • Rückbau: Oftmals entscheidet Zufall („Managementkapazität des derzeitigen Führungsstabes“) über Rückbau • Merke: Raumstruktur ist das Ergebnis von Innovations- und Rückbauprozessen
Innovationsphasen Zahl der Adoptoren Diffusions-phase Saturations-phase Verdrängungs- phase Initialphase Zeit Invention
Umgang mit Krisen • Perzeption der Krise Die Kapazität des Systems ist den gestiegenen Anforderungen nicht mehr gewachsen. Engpässe werden insbesondere in der Mikrostruktur wahrgenommen. • Lösungssuche Neuartige Lösungen werden gesucht, getestet und stehen als Innovationskeimlinge für die breite Anwendung bereit. • …
Umgang mit Krisen 2. … 3. Meta-stabile Phase Die potentiellen Adoptoren beseitigen Engpässe durch geringfügige Veränderungen der alten Systemstruktur. Fluktuationen und Innovationen werden unterdrückt. Meta-Stabilität: künstliche Stabilität durch Subvention des alten Systemregimes 4. Evolutorischer Sprung Der Druck des Umsystems auf das alte Systemregime wird so groß, dass das bestehende System nicht mehr stabilisiert werden kann. Es entwickelt sich ein neues Systemregime. Die Innovationskeimlinge bestimmen die Richtung, in die sich das System am Bifurkationspunkt entwickelt: „Metamorphose“ eines Systems
1.3 Gesundheitsbetriebe • Gliederung: 1.3 Gesundheitsbetriebe als Forschungsobjekt der Betriebswirtschaftslehre 1.3.1 Gesundheitsbetriebslehre 1.3.2 Betriebswirtschaftliches Modell eines Gesundheitsbetriebes 1.3.3 Krankenhäuser als Prototyp eines Gesundheitsbetriebes
1.3.1 Gesundheitsbetriebslehre • Konzepte der Betriebswirtschaftslehre • Deskriptiv (z. B. Ältere Handelslehre, Kameralistik) • Idealistisch-Normativ: Welche Ziele sollte ein Unternehmen verfolgen? • Präskriptiv (praktisch-normativ): Wie erreiche ich die gegebenen Betriebsziele optimal? • Annahme: Ziele gegeben
5 4,5 4 3,5 3 Wachstum Umweltschutz Nutzerbindung Kostendeckung Hoher Marktanteil Umsatzsteigerung Nutzerzufriedenheit Überlebensfähigkeit Kapazitätsauslastung Infrastrukturerhaltung Wettbewerbsfähigkeit Soziale Verantwortung Hoher Innovationsgrad Hochwertige Betreuung Finanzieller Überschuss Kostenminimale Abläufe Gute Qualität der Abläufe Image in der Öffentlichkeit Finanzielle Unabhängigkeit Gesundes Liquiditätspolster Sicherung der Arbeitsplätze Zeitliche Ablaufoptimierung Zufriedenheit der Angestellten Gute Kooperationsbeziehungen Zufriedenheit sonstiger Kunden Erhaltung qualifizierten Personals Zufriedenheit der Ehrenamtlichen Unternehmerische Unabhängigkeit Ansehen bei den Finanzierungsträgern Vermittlung weltansch.o. religiöser Überzeugungen Idealistisch-Normativ: Rangordnung der Ziele von NPOs als Beispiel
Denkschulen der BWL • Faktortheoretischer Ansatz (Erich Gutenberg, 1897-1984) • Sachgüterproduktion im Vordergrund • Mensch als Produktionsfaktor • Hauptlinie der deutschsprachigen BWL • Klare Ausrichtung auf Kunden, auf Produktionsengpässe und auf Wertschöpfung • Annahmen: • 80 % Materialkosten • Lagerbares Gut • Transportables Gut • …
Denkschulen der BWL • … • Entscheidungstheoretischer Ansatz (Edmund Heinen, 1919-1996) • Betriebliche Entscheidungsprozesse im Mittelpunkt • Zielorientierung: Kombination von Nicklisch und Gutenberg • Mathematische Schule • Systemtheoretischer Ansatz (Hans Ulrich, 1919-1997) • Orientierung am System und an der Systemsteuerung • Weite Verbreitung im sozialen Bereich • Problem: Oftmals Überbetonung der Personalführung, Vernachlässigung der Produktion bzw. der Problemlösung für das Umfeld • Weiter Ansätze: • Arbeitsorientierter Ansatz • Verhaltensorientierter Ansatz
Betrieb: Alternative Definitionen • Betrieb als technische Einheit • Betrieb als kommerzielle Einheit: Gewinnerzielungsabsicht • Betrieb als Produktiveinheit: Deckung von Fremdbedarfen • Betrieb als wirtschaftlich handelnde Organisation • Haushalte: Konsumptivbetriebe • Unternehmen: Produktivbetriebe
Betrieb als Erfahrungsobjekt • Betrieb Zusammenschluss von Individuen zum arbeits-teiligen Vollzug von Problemlösungsaufgaben: Analyse von problemlösenden Organisationen aus Sicht der Wirtschaftlichkeit / Effizienz • Betriebswirtschaftslehre Die Wissenschaft vom wirtschaftlichen Handeln im Betrieb • Funktion des Betriebes: Transformation von Input in Output • Anspruch einer präskriptiven BWL: Funktion wird effizient erfüllt
Effizienzbegriffe • Produktivität (= Ergiebigkeit) des Produktionsfaktors yi bzgl. des Outputs xj • Effizienz des Produktionsprozesses xj Quantität Output j yi Quantität Input i wj Gewicht von Output j vi Gewicht von Input i
Effizienzbegriffe • Wirtschaftlichkeit des Produktionsprozesses xj Quantität Produkt j yi Quantität Produktionsfaktor i pj Verkaufspreis von Produkt j ci Faktorpreis von Input i Das Gesundheitsmanagement betrachtet die Aktivitäten in einem Gesundheitsbetrieb stets aus dem Blickwinkel der Erhöhung der Effizienz. Der verkürzte Wirtschaftlichkeitsansatz ist ungenügend.
Dienstleistung: Definition • Enumerative Definition: Handel, Banken, Pflege, etc. • Negativdefinition: Gegenteil von Sachgütern • Konstitutivdefinition: aufgrund von Merkmalen
Konstitutive Merkmale der Dienstleistung • Immateriell • Nicht lagerbar • Nicht transportierbar • Oftmals: nicht übertragbar (bei kundenpräsenzbedingenden Dienstleistungen)
Dienstleistungen und Informationen • Informationen • auf Medium unbegrenzt lagerbar • auf Medium unbegrenzt transportierbar • vollständig und billig kopierbar
Elemente der Dienstleistung • Potential: Bereitstellung einer Leistungsfähigkeit • Prozess: Erstellung eines immateriellen Gutes • Uno-actu-Prinzip: Simultaneität von Produktion und Absatz • Ergebnis: Veränderung an Personen oder Objekten
Dienstleistungen: Bedeutung • EntwicklungsprozeßnachFourastié • (Anteile der Sektoren am BSP)
Vertrauensgüter • Inspektionsgüter: Leistungsdaten sind vor Kaufentscheidung messbar • Erfahrungsgüter: Leistungsdaten sind erst nach dem Kauf (nach Erfahrung) messbar • Vertrauensgüter: Leistungsdaten sind auch nach dem Kauf nicht vollständig erfassbar • Gesundheitsdienstleistungen sind oftmals Vertrauensgüter • Seltene Entscheidung • Geringe Fachkenntnisse des Patienten • Irreversible Entscheidungen (z. B. Sterbebegleitung)
Meritorische Güter • Definition: Güter, die auch von der Privatwirtschaft angeboten werden können, jedoch auf Grund von externen Effekten nicht in ausreichender Menge • Gesundheitsdienstleistungen • Kuration: umstritten • Prävention: eindeutig meritorische Güter auf Grund von starken externen Effekten
1.3.2 Betriebswirtschaftliches Modell eines Gesundheitsbetriebes • Produktionsfaktoren: • primär personalorientiert (60-80 % Personalkosten) • Bedeutung des Personals in der Dienstleistungsproduktion bei Kundenpräsenz während der Produktion • Produkte: • Dienstleistungen • Vertrauensgüter • Teilweise meritorische Güter • Teilweise existentielle Dimension • Kunden: • Kaufhandlung einmalige oder seltene Wiederholung • Komplette Population • Präventionsmöglichkeit (bedingt) • …
1.3.2 Betriebswirtschaftliches Modell eines Gesundheitsbetriebes • … • Direkte und indirekte Kunden • Direkte Kunden: Patienten • Vorsicht: Altenpflege: Bewohner; Gäste • Indirekte Kunden: Ärzte, Krankenkassen, Sozialhilfe, Ministerium • Produktion • Mehrproduktunternehmen • Mehrstufiger Produktionsprozess • Einzelfertigung • Werkstatt- oder Baustellenfertigung • Distribution • Standortgebunden (Einheit von Ort, Zeit und Handlung) • Hohe Distanzreibung • Regionale Monopole
1.3.3. Krankenhäuser als Prototyp des Gesundheitsbetriebes 1.3.3.1 Definition 1.3.3.2 Typologie 1.3.3.3 Raumplanung 1.3.3.3.1 Landeskrankenhausplanung 1.3.3.3.2 Veränderung von Einzugsgebieten 1.3.3.3.3 Standortplanung
1.3.3.1 Definitionen • Übersicht: • Wortbedeutung • Legaldefinition • Sozialgesetzbuch (SGB) V • Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) • Betriebswirtschaftliche Definition
Wortbedeutung • Hospitium: Ort in der römischen Villa, wo Gäste begrüßt wurden • Mittelalter: Hospiz als Gasthaus, Ort der Ruhe für den Pilger und Ort der Erholung von Krankheiten • Spital: Siechenhaus für Armutsgruppen • Merke: Bis Ende des 19. Jahrhunderts erbrachten Krankenhäuser keine medizinische Leistung. Reiche wurden vom Hausarzt zuhause versorgt.
Definition nach § 2 KHG Krankenhäuser sind „Einrichtungen, in denen durch ärztliche und pflegerische Hilfeleistung Krankheiten, Leiden oder Körperschäden festgestellt, geheilt oder gelindert werden sollen oder Geburtshilfe geleistet wird und in denen die zu versorgenden Personen untergebracht und verpflegt werden können“